Nordmähren


I) Kirchenbücher

(entnommen: Andreas Hanacek, "Kleiner Wegweiser für die Familienforschung im Kreis Sternberg und Umgebung in Nordmähren (Entwurf)")

Zur Struktur und Benutzung der tschechischen Archive, sowie schriftliche Anfragen an die Archive siehe:

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Stichwortverzeichnis:

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Nordmährische Kirchenbücher:

Grundsätzlich bleibt festzustellen, daß behördliche Zivilstandsnachweise für das Gebiet der heutigen Tschechischen Republik erst seit 1939 geführt wurden (siehe auch Vorwort und Einleitung in 'Die Zivilstandsregister im Protektorat Böhmen und Mähren' [siehe Literatur VI]). Somit ist der Familienforscher in der Regel auf Kirchenbücher angewiesen. Das Gebiet Nordmähren sowie das des Kreises Sternberg war fast ausschließlich von Katholiken bewohnt. Pfohl [siehe Literatur X] verzeichnet für ganz Mähren im Jahr 1910 lediglich 86.069 Evangelische, 37.989 israelische und 6794 andere Bekenner sowie 61.786 Anhänger der tschechoslowakischen Kirche und 49.026 Konfessionslose, dagegen aber 2,421.220 Katholiken. Angehörige der konfessionellen Minderheiten und jüdischen Glaubens treten innerhalb des Sternberger Kreises nur vereinzelt auf.

Den Pastoren der evangelischen Gemeinden wurde erst durch das Toleranzpatent von Joseph II. im Jahre 1781 gestattet, Matriken für den privaten Gebrauch zu führen. Die Einträge mußten jedoch den katholischen Matrikenführern vorgelegt werden und von diesen in die katholischen Matriken übertragen werden, da alleine diesen öffentliche Beweiskraft zukam. 1829 erhielten die Pastoren das Recht zur Führung öffentlicher Matriken. Die Einträge mußten jedoch noch bis 1849 parallel in den katholischen Matriken geführt werden. Aus diesem Grund gibt es nur sehr wenige eigenständige evangelische Kirchenbücher, die in der Regel im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beginnen.

Die jüdischen Matriken hatten bis 1797 öffentliche Beweiskraft, danach führten die katholischen Matrikenführer die Bücher bis zum Jahr 1868, in welchem die jüdischen Matriken ihre öffentliche Beweiskraft zurückerhielten.

(Quelle: 'Die Kirchenbücher der Schönhengstgauer Sprachinsel', Josef Bezdek, Sudetendeutsche Familienforschung, 3. Jg. 1930/31)

Es bleibt anzumerken, daß die oben beschriebene konfessionelle Situation allerdings erst für die Zeit ab ca. 1680 zutrifft. Da die Schweden die Städte von 1642-1648/50 besetzten, waren zum Beispiel in der Stadt Sternberg bis ca. 1670 durchweg evangelische Heiraten üblich, danach nach einer kurzen Übergangsphase wieder rein katholische [Heiratsbücher Sternberg, siehe Literatur VIII].

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Zur Geschichte der (katholischen) Kirchenbücher lassen sich folgende Verfügungen zur Führung derselben durch den österreichischen Hof nachweisen, die in chronologischer Reihenfolge aufgeführt sind (siehe ebenfalls bei Blaschka [siehe Literatur VI]):

- 1770 Verbot, den Vater nach seinem Bauerngrunde näher zu kennzeichnen, ohne seinen Familiennamen anzuführen; Hausnummern seit 1771 eingeführt (Bemerkung: Die Hausnummern wurden in einigen Gemeinden nach 1800 wegen der regen Bautätigkeit neu vergeben, ebenso um 1880 aufgrund der Anlage neuer Grundbücher)

- 1784 wurde in Mähren die deutsche Sprache als Amtssprache eingeführt, dies galt vermutlich auch für die Kirchenbücher, gleichzeitig Einführen einer Mustertabellenform, die die Einträge standardisierte und die bisherige willkürliche Gestalt ersetzte

- ebenfalls seit 20. Februar 1784 durch Patent getrennte Bücher für Taufen, Trauungen und Sterbefälle

- per Hofdekret wurde für jeden Ort am 19. Juli 1784 eine gesonderte Matrik anbefohlen

- 1790 wurden die Indices, fortlaufende Verzeichnisse der vorgekommenen Matrikenfälle in der Buchstabenfolge der Namen, eingeführt

- 1794 Kennzeichnung der Braut oder Mutter durch Anführung der Herrschaft und des Ortes wo sie herstammte und der Name der Eltern derselben

- bei unehelichen oder außerehelichen Kindern war die Eintragung des Vaternamens in die Matrik verboten, es sei denn, der Vater bekannte sich selbst als solcher und erschien mit zwei Zeugen beim Matrikenführer, heiratete er die Kindsmutter konnte mit seiner ausdrücklichen Einwilligung sein Name im Taufregister angemerkt werden (legitimatio per subsequens matrimonium, 1795). Dies hat zur Folge, daß die Vatersuche bei der Ahnenforschung unehelicher Kinder nahezu aussichtslos ist.

- ab 1825 Nennung der Hebamme

Anzumerken bleibt, daß in älterer Zeit nur Einträge von Tauf- und Begräbnisdaten ohne Angabe von Geburts- und Sterbedatum vorherrschen. Dies ändert sich erst ab ca. 1784.

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Die älteren Kirchenbücher des ehemaligen Olmützer Kreises sind heute im Bezirksarchiv in Olmütz aufbewahrt, die nach vorheriger Anmeldung ohne Probleme einzusehen sind. Die jüngeren Kirchenbücher liegen dagegen bei den örtlichen Gemeindeämtern und sind nur mit Schwierigkeiten einzusehen. (hierzu siehe auch Erfahrungsbericht von Manfred Selzer) Hierzu ist schriftlich eine Genehmigung zu beantragen, bei der der Grund und die Berechtigung für die Einsichtnahme anzugeben bzw. nachzuweisen ist. (Als Hinweis sei vermerkt, daß auch der örtliche Pfarrer für den Bereich seiner Pfarrei berechtigt ist, Einsicht in diese Kirchenbücher zu nehmen.) Die zeitliche Trennungslinie liegt in etwa bei 1900. Dies trifft aber nur ungefähr zu, da die vorhandenen Bücher nach 1946 fortgeführt wurden. Durch die Wanderungsbewegungen nach dem zweiten Weltkrieg konnte es durchaus sein, daß in schwach besiedelten Pfarreien und Gemeinden ein vor 1900 begonnenes Buch erst Jahre nach dem Kriegsende abgeschlossen wurde. Im Archiv in Olmütz liegen aber nur die Bücher vor, die im Jahre 1949 zum Zeitpunkt der Abgabe der kirchlichen Matriken an den Staat bereits abgeschlossen waren. (So endet zum Beispiel das Taufbuch von Pinke bereits 1861 und das Heiratsbuch der Pfarrei Gnoitz vor 1857)

Aus diesem Grund empfiehlt es sich bereits ausserhalb der Tschechischen Republik so viele Informationen wie möglich zusammenzutragen.

Weiterhin gibt es für sehr viele Pfarreien des Olmützer Raumes Zweitschriften der Kirchenbücher, die in einem gesonderten Archiv bei Römerstadt aufbewahrt werden. Im günstigsten Fall beginnen sie für die Erzdiözöse Olmütz um die Jahre 1687/8 und sind teilweise älter als die Originalmatriken. Es kann davon ausgegangen werden, daß in der Regel ab ca. 1800 von allen Pfarreien Zweitschriften existieren. Zu bemerken ist allerdings, daß die Sterbematriken am Anfang recht lückenhaft sind und erst ab ca. 1740 vollständig geführt wurden.

Die Zweitschriften wurden in der Regel bis mindestens 1878 geführt (mit wenigen Lücken in einzelnen Jahren) und reichen somit teilweise über den Zeitraum der in Olmütz vorliegenden Originale hinaus. Ob diese Zweitschriften öffentlich zugänglich sind, ist mir bisher nicht bekannt. Es ist allerdings theoretisch in Einzelfällen möglich, vom Archiv in Olmütz aus Anfragen an das Zweitschriftenarchiv zu richten. Da dies bei persönlichen Forschungen vor Ort in Olmütz nur telefonisch durch das Archivpersonal erfolgen kann, kann dies nur in Ausnahmefällen bei genau eingegrenzten Fragestellungen durchgeführt werden.

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Das Alter der Kirchenbücher reicht in der Regel bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts beginnend nach dem Ende des dreissigjährigen Krieges. Lediglich die Matriken der Städte können vor die Zeit des Krieges zurückreichen. Dies ist in Nordmähren z.B. unter anderem für die Städte Sternberg, Mährisch Neustadt, Littau und Giebau der Fall.

Über die Sprache der in Olmütz vorliegenden Bücher läßt sich folgendes bemerken: Die ältesten Bücher sind bis etwa 1670/90 in der jeweiligen Muttersprache des Matrikenschreibers geführt. Danach wurde vom Olmützer Erzbischof die lateinische Sprache eingeführt. Dies geschah aber nicht überall gleichzeitig, so daß der Beginn der lateinischen Eintragungen in verschiedenen Pfarreien durchaus um etliche Jahre variieren kann. Latein bleibt dann bis ca. 1784-1800 vorherrschend, bis sich wieder die deutsche Spache durchsetzt (s.o.). Ausnahmen können sich z.B. am Grenzgebiet zur tschechischsprachigen Bevölkerung oder bei einem tschechischen Pfarrer ergeben. (So weisen z.B. die Matriken von Deutschlosen im 19. Jahrhundert über längere Zeiträume tschechische Eintragungen auf) Weiterhin kommt es vor, daß einzelne Eintragungen oder spätere Ergänzungen in tschechischer Sprache gemacht wurden (Im Taufbuch von Mährisch Hause wurde 1857 die Legitimation eines Täuflings aus dem Jahr 1852 durch die nachträgliche Heirat seiner Eltern in tschechischer Sprache vorgenommen, obwohl das Buch ansonsten für diesen Zeitraum deutsch geführt wurde)

Die Schrift erscheint in den jüngsten Büchern bis ca. 1850 in altdeutscher Schreibschrift, davor in der Regel in lateinischen Lettern. Vor 1700 kann es allerdings vorkommen, daß die Einträge in lateinischer Schreibschrift vorgenommen wurden. Diese ist normalerweise nur vom geübten Auge flüssig zu entziffern. Zum Erlernen der altdeutschen Schreibschrift und für Leseübungen gibt es mehrere Bücher, die viele geeignete Schriftproben enthalten [siehe Literatur, II]

Die Zeitangaben sind in der Regel problemlos zu verstehen, lediglich die Bezeichnung der Monate durch eine Tätigkeits- oder landwirtschaftliche Bezeichnung in einigen Pfarreien verwirrt auf den ersten Blick. Daher hier eine Auflistung der Bezeichnungen:

Jänner, Hartung --- Januar

Feber, Hornung --- Februar

Lenzing, Lenzmonat --- März

Grünmonat --- April

Wonnemonat --- Mai

Brachmonat --- Juni

Heumonat --- Juli

Erntemonat --- August

Herbstmonat --- September

Weinmonat --- Oktober

Wintermonat --- November

Christmonat --- Dezember

Zum Teil sind auch einige lateinisch Abkürzungen für den Anfänger nicht sofort ersichtlich:

7ber (VIIber) - september - September

8ber (VIIIber) - october - Oktober

9ber (IXber) - november - November

10ber (Xber) - december - Dezember

Schließlich kann es vorkommen, daß durchweg die Tausender-Dezimalstelle der Jahreszahl weggelassen wird. So wird z.B. 1778 zu 778.

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Weiterhin kann die Forschung vor Ort durch mehrere Punkte erschwert werden:

Zum einen variiert die Schreibweise der ursprünglich tschechischen Namen im Laufe der Jahrhunderte erheblich. Hauptursache ist in der Regel die Umsetzung der tschechischen Buchstaben mit diakritischen Zeichen in die deutsche Schrift. (Einfaches Beispiel: Dvorak - Dworschak)

Weiterhin wurde um 1820/30 eine Rechtschreibreform der tschechischen Sprache durchgeführt, die die Einführung der heutigen Diakrite beinhaltete.

Dies kann zu Unsicherheiten beim Verfolgen von Personen führen, die z.B. in einen Nachbarort gezogen sind. Zur Klärung derartiger Fragen kann Johann Neumanns Buch 'Tschechische Familiennamen in Wien' [siehe Literatur, IV] empfohlen werden. Es enthält eine Fülle von unterschiedlichen Namensvarianten und ordnet sie der ursprünglichen tschechischen Form zu.

Als nächstes kann bei älteren Kirchenbucheintragungen der Vorname von der deutschen zur lateinischen und auch zur tschechischen Form und umgekehrt wechseln (Beispiel: Lorenz - Laurentius - Wawran [Nebenform von Vavrinec] im Zeitraum 1671-1725 in den Matriken von Sternberg und Gnoitz für ein und dieselbe Person). Für die tschechischen Vornamen, die nur phonetisch ins Deutsche übertragen worden sind, bietet der Anhang tschechischer Vornamen in Neumanns Buch [siehe Literatur, IV] gute Ansatzpunkte.

Schließlich bereiten teilweise die aufgeführten Ortsbezeichnungen Schwierigkeiten. Die Ortsbezeichnungen wechseln zum Teil im Laufe der Jahrzehnte (z.B. Mährisch Liebau zu Böhmisch Liebau, Unter-Stephanau und Stephanau), weiterhin verändert sich die tschechische Schreibweise zum Teil erheblich und weicht deutlich von der heutigen ab. Wertvolle Hinweise bei Unklarheiten ergeben sich diesbezüglich z.B. bei Wolný [siehe Literatur, X] und insbesondere bei Hosák/Srámek [siehe Literatur, IV]. Die Registratur der Martiken in Olmütz wird in tschechischer Sprache mit den heute üblichen Bezeichnungen der Ortschaften geführt. Zur Auflösung in die ehemalige deutsche Form existiert eine tschechisch-deutsche Konkordanz. Es gibt aber viele Dorfnamen, die innerhalb der Erzdiösese Olmütz mehrfach vorkommen. Somit kann nicht immer auf Anhieb festgestellt werden, welcher der in der Konkordanz aufgeführten Verweise der richtige ist. Es empfiehlt sich daher, beim Besuch des Archives ein (älteres) Ortsverzeichnis, wie z.B. 'Ortslexikon Sudetenland' [siehe Literatur, X] in Verbindung mit aktuellen Straßenatlas der Tschechischen Republik [siehe Literatur, X] mitzuführen.


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Verbesserungen und Vorschläge bitte an:

hanacek@abacus.s.bawue.de
Stand: 07. Oktober 1995

© 1995-96 durch Andreas Hanacek