aus den Veröffentlichungen des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg


Dokumentation und Restaurierung der mittelalterlichen Glasfenster aus St. Dionys in Esslingen


Untersuchung und Befund

Es konnte, mit Ausnahme der Rand- und Bordürenstreifen, ein besonders großer Bestand an mittelalterlichem Farbglas festgestellt werden. Die Palette der Farbföne ist groß. Alle Scheiben weisen ihre ursprüngliche Schwarzlotbemalung mit einem für das Mittelalter typischen Malaufbau - bestehend aus Konturen und ursprünglich feucht aufgetragenen Überzügen auf. Außenseitige Bemalung ließ sich nur noch in Einzelfällen erkennen. Übermalungen wurden nicht festgestellt.

Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, daß die Scheiben seit Ende des letzten Jahrhunderts keine extremen Eingriffe oder übertriebenen Reinigungsmaßnahmen erfahren haben. Positiv auf den Erhaltungszustand hat sich auch die Schutzverglasung aus den Jahren 1978-79 ausgewirkt.

Aufgrund der unterschiedlichen Formen der Bleiruten und ihrer Alterungserscheinungen konnten vier verschiedene Phasen der Bleiverarbeitung festgestellt werden:

  1. Mittelalterliche Entstehungszeit: ausschließlich an der Ornamentscheibe aus der Franziskanerkirche
  2. 19. Jahrhundert (1899/1900): aus dieser Zeit stammt die hauptsächliche Verbleiung der übrigen fünf Scheiben.
  3. 1947-1952: Rand- und Bordürebereich aller Scheiben, Doublierungsmaßnahme am Stainhövel-Fenster.
  4. 1978-1979: Neueinfassung der Ränder mit Blei-U-Profil und Änbringung von Bleilaschen. Diese Maßnahme erfolgte in Zusammenhang mit dem Einbau einer Außenschutzverglasung.

An allen Fenstern zeigen sich Verwitterungsspuren, dies jedoch in sehr unterschiedlicher Form und Intensität. Korrosionsablagerungen, die infolge der Glasverwitterung entstanden sind, befinden sich, mit Ausnahme einer Scheibe, hauptsächlich auf den Außenseiten. Diese Ablagerungen führen in der Durchsicht zu unterschiedlichen Abdunkelungen der Glasstücke. Dazu befinden sich auf allen Scheiben Schmutzbeläge.

Am stärksten verschmutzt sind die Innenseiten der beiden Scheiben des Nordfensters. Die Scheibe des Mittelfensters ist wenig verschmutzt, und die geringsten Ablagerungen zeigen sich an den beiden Scheiben der Südfenster. Hier ist sicherlich ein Zusammenhang mit der seit langem bestehenden Kirchenheizung zu sehen, deren mittlerweile stillgelegter Ausgangsschacht sich an der Nordseite des Chores befindet.

Ob die Einbauhöhe der Scheiben einen entscheidenden Einfluß auf die Verschmutzung hat, konnte noch nicht eindeutig geklärt und muß an den übrigen Scheiben des Fensters weiter untersucht werden.

Bezüglich des Zustandes der Bemalung ist zu differenzieren zwischen intakter Bemalung - was in der Regel der Fall ist -, Bemalung, die bei Berührung gefährdet sein würde, und extrem gefährdeten Bemalungspartien, wo die Farbe bald abzufallen droht. Letzteres trat an den Ornamentscheiben aus dem Christus-Fenster fast generell auf.

An allen Feldern haben zu früheren Zeiten Veränderungen des Glasbestandes, besonders in den Randstreifen und Bordüren stattgefunden. Als Hinweis darauf können die teils sehr unterschiedlichen Glassorten und Farbtöne sowie die verschiedenen Breitenmaße der Randabschlüsse angeführt werden.

Ein Teil der Felder weist leichte Ausbauchungen auf, was wohl auf geringes Absacken des Bleiverbundes zurückzuführen ist. Zudem zeigen sich am unteren Bleiprofilrand der sechs Felder Stauchungen an den Stellen, wo diese (seit 1978-79) auf Gewindestäben aufgesetzt waren. Dies führte folglich stellenweise zu Zugbrüchen im Bleiverband, da die Scheiben in der eingebauten Situation am oberen Rand durch die Deckschiene arretiert waren. Eine Besonderheit zeigte sich an der Scheibe des Bibelfensters. Der Ausschnitt des Medaillons wurde 1947-52 innenseitig mit Gläsern im Abstand von 5 mm doubliert. Es zeigte sich, daß durch das Eigengewicht dieser zusätzlich angebrachten Gläser und ihrer Bleieinfassung es ebenfalls zu Veränderungen das Bleiverbundes und daraus resultierend auch zu Bleibrüchen kam.

Beispiele: [Papageienfenster] - [Johannes d. T.]


Dokumentation

Die exemplarische Dokumentation der sechs Scheiben ist bis auf einige Nachträge abgeschlossen. Aufgrund der Zielsetzung, eine sehr detaillierte Dokumentation durchzuführen, fiel der Aufwand hierzu relativ groß aus. So besteht diese Dokumentation aus einem photographischen, einem graphischen und einem schriftlichen Teil.

Mit der jetzt ausgearbeiteten umfangreichen Dokumentation werden zum ersten Mal für die Scheiben von St. Dionys der Zustand und alle durchgeführten Konservierungs - und Restaurierungsmaßnahmen detailliert erfaßt. Damit sind für die Zukunft bei Wartungs- und Pflegemaßnahmen alle notwendigen Informationen verfügbar.


[Das Maßnahmenkonzept] - [Das Vorhaben]


Die hier vorgestellten Scheiben stehen im Mittelpunkt der Internet-Ausstellung:

"Von der Ordnung der Welt"
Mittelalterliche Glasmalereien


Literatur:

  • Hans Wentzel: Die Glasmalereien in Schwaben von 1200-1350 (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland Band 1, 1), Berlin 1958, S. 11 -1 76, Farbtafeln 1-6, Abb. 1-401.
  • Sensorstudie zur Überprüfung von Außenschutzverglasungen am Objekt Stadtkirche St. Dionys, Esslingen. Fraunhofer Institut Würzburg, 18. 3.1991.

Text: Peter Berkenkopf (Köln), Otto Wölbert (Stuttgart) - Redaktion: W.M. Werner - 15. Dezember 1997


Für Anregungen oder Fragen:

Wolfgang M. Werner wmwerner@web.de