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Region Stuttgart

Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 17.09.2003

 


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Neues Interesse an alten Gemäuern


 
Massenandrang am Tag des offenen Denkmals stellt Organisatoren vor wachsende Probleme
 
STUTTGART. Der Tag des offenen Denkmals hat landesweit 120 000 Menschen auf die Beine gebracht. 15 000 waren in der Region unterwegs, wie die gestern veröffentlichten Zahlen belegen. Der Erfolg ist "überwältigend", so der Präsident des Landesdenkmalamts, Dieter Planck.

Von Dieter Kapff

"Halligalli in Esslingen", wo am vergangenen Samstag die Eröffnungsveranstaltung zum Tag des offenen Denkmals wegen großen Zulaufs umorganisiert werden musste. Am Sonntag war dann die Altstadt voll. So etwas, urteilen der städtische Denkmalpfleger Peter Hövelborn und der Landesarchäologe Jörg Biel übereinstimmend, habe man noch nie gesehen. Allein in der archäologischen Ausstellung im Alten Rathaus sind an diesem Tag 1200 Besucher gezählt worden, bei drangvoller Enge. Ungefähr 60 Stadtführer und Privatleute nahmen sich der auf 4000 Besucher geschätzten Wissensdurstigen in der Altstadt an. Nicht nur Altesslinger sahen dabei Neues. Auch viele Ausländer, so Hövelborn, stellten Fragen und zeigten damit, dass die Integration Fortschritte macht.

Dem bundesweit vorgegebenen Thema "Geschichte hautnah - Wohnen im Baudenkmal" entsprechend sind zahlreiche historische Häuser zur Besichtigung offen gestanden. Der Altertumsverein besorgte unter anderen die Führungen, bei denen ein privater Hausbesitzer sogar Kaffee und Kuchen anbot. Aber auch auf dem Land, zum Beispiel in Nusplingen auf der Schwäbischen Alb, war Hochbetrieb. Das ganze Dorf war auf den Beinen. Mit einem Festumzug feierten Einwohner und Gäste die Wiedereröffnung der Friedhofskirche Sankt Peter und Paul.

In Ludwigsburg hat Norbert Bongartz vom Landesdenkmalamt die Gelegenheit genutzt, zusammen mit der Stadt und den betroffenen Architekten durch den Mathildenhof zu führen, in den Eigentumswohnungen eingebaut werden. Er konnte dabei konkret demonstrieren, wo Eingriffe in die historische Substanz nötig waren und wie man manches Problem denkmalschonend gelöst hat. Auch die Weißenhofsiedlung in Stuttgart war Ziel zahlreicher Besucher. So viele, dass manche wieder frustriert abzogen, weil alle Führungen ausgebucht waren. Knallvoll war es auch in Kernen-Stetten, wo die Besucher zunächst staunten, dass die 1954 erbaute Heilig-Kreuz-Kirche ein Baudenkmal ist.

In diesen modernen Zeiten scheinen sich immer mehr Menschen auf das Alte zu besinnen. Als Attraktion hat sich wieder die Ausgrabung einer ungewöhnlichen römischen Siedlung samt einem gut erhaltenen Mithräum bei Güglingen erwiesen. Rund tausend Besucher, so die Pressesprecherin des Denkmalamts, Sabine Leutheusser-Holz, ließen sich ohne Pause von zwei Archäologen durch das Gelände führen. Für den Schau-Tag waren eigens Kulissen aufgebaut worden, die einen Eindruck vom einstigen Aussehen des Heiligtums für den persischen Lichtgott Mithras vermitteln sollten. Vor dem Steiger standen nicht nur Kinder in langer Schlange, um einmal das Ganze aus 20 Meter Höhe zu betrachten, so die Archäologin Andrea Neth.

"Am Abend völlig fertig" war der Leiter der Pfahlbauarchäologie am Bodensee und in Oberschwaben, Helmut Schlichtherle. 1500 Besucher wollten die Grabungen am Federsee und bei Öhningen sowie das Federseemuseum in Bad Buchau besichtigen. Als besondere Attraktion sind Tauchgänge zum historischen "Lehmschiff", einem in 18 Meter Tiefe vor Ludwigshafen liegenden Lastensegler, angeboten worden. 75 Kinder und Erwachsene nahmen daran teil, 450 schauten zu. Mehr ging nicht, aus Sicherheitsgründen.

Der von Jahr zu Jahr sich steigernde Zuspruch stellt das Denkmalamt als Hauptorganisator vor wachsende Probleme. Druck und Versand des Programmhefts haben 20 000 Euro gekostet. Die 15 000 Exemplare reichten nicht. Die Personalkosten werden auf rund 100 000 Euro geschätzt. 70 Mitarbeiter waren an dem "Großkampftag" freiwillig im Einsatz. Auch der organisatorische Aufwand nimmt zu. Für 2004 (Thema: Wasserbauten) hat man sich vorgenommen, alle Termine ins Internet zu stellen und sich bei allen Denkmalbesitzern als Hauptansprechpartner in Erinnerung zu rufen.

Der Denkmaltag ist zu einem festen Bestandteil im Kulturleben des Landes geworden. Der enorme Zuspruch aus der Bevölkerung ist dabei besonders wichtig, wenn die Politiker den Rotstift ansetzen. Und deshalb nehmen die Mitarbeiter des Denkmalamts auch die zusätzliche Arbeit gerne in Kauf.
 
17.09.2003 - aktualisiert: 18.09.2003, 05:03 Uhr

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