Erster Einstellungsbescheid von Staatsanwalt Trauthig vom 21.5.1996



                                            Staatsanwaltschaft Koblenz

                                            Karmeliterstraße 14
                                            56068 Koblenz
Staatsanwaltschaft 56065 Koblenz
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  Herrn
  Knut Briel                                Postgiroamt Ludwigshafen
  Südallee 14                               Kto Nr.: 8778670 (BLZ 54510067)

  53501 Grafschaft Esch                     Datum:        21.5.1996 -fu-
                                            Aktenzeichen: 2104 Js 37915/94


Betr.: Todesermittlungssache z. N. Joachim Scheffler in
       Bonn und z. N. Guido Rübhausen in Bonn

Bezug: Dortiges Schreiben vom 11. Mai 1995 unter der
       dortigen Geschäftsnummer 55 ke-2985-



Sehr geehrter Herr Briel!

Das vorbezeichnete Ermittlungsverfahren habe ich gemäß §
170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil weder bei den Bedienste-
ten der örtlich zuständigen Polizeidienststellen Adenau und
Bad Neuenahr-Ahrweiler, noch bei den Bediensteten der zu-
ständigen Straßenmeisterei in Altenahr Feststellungen zu
treffen waren, die im Rahmen der jeweiligen behördlichen
Aufgaben ein Mißachten oder ein Außerachtlassen der bei
Erfüllung der Dienstpflichten erforderlichen Sorgfalt be-
gründen könnten.

Unstreitig sind die Unfälle, die zum Tode der Kradfahrer
Joachim Scheffler und Guido Rübhausen geführt haben, auf
die an der Unfallstelle bei feuchter Witterung für Zweirad-
fahrer gefährlich gewordene Straßendecke zurückzuführen.
Denn nach einer Straßenreparatur im sog. "Anspritzen und
Absplitten" an der Unfallstelle sind dort aufgrund des star-
ken Lkw- und Kfz-Verkehrs im heißen Sommer 1994 die Roll-
splittanteile des Belages in die Bitumenmassen eingesunken,
so daß an dieser Stelle bei Feuchtigkeit die erforderliche
Griffigkeit des Straßenbelages nicht mehr vorhanden war.

Gleichwohl ist hierfür strafrechtlich eine Verantwortlich-
keit weder der örtlich zuständigen Polizeidienststellen,
noch der Bediensteten der Straßenbauverwaltung in Altenahr
nachweisbar.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das an der Unfallstel-
le selbst, wie auch an anderen nahegelegenen Stellen der
Bundesstraße B 257 angewendete Verfahren zur Reparatur des
schadhaften Straßenbelages durch "Anspritzen und Absplit-
ten" ein zulässiges Reparaturverfahren darstellt.
Darauf, ob andere Verfahren möglicherweise für den Verkehr
insgesamt oder für Teile der Verkehrsteilnehmer sicherer
sind, kommt es hierbei strafrechtlich nicht an.

In den Monaten vor dem September 1994, indem die Herren
Scheffler und Rübhausen mit ihren Krädern tödlich verun-
glückten, ist den Polizeidienststellen in Altenahr und Bad
Neuenahr-Ahrweiler die Unfallstelle, an der die beiden Her-
ren zu Tode kamen, nicht als unfallträchtige Stelle bekannt
geworden. Dies würde im Falle erkennbarer Unfallhäufigkeit
während eines kurzen Zeitabschnittes zu einer Meldepflicht
an die vorgesetzte Dienststelle geführt haben. Hierfür aber
haben die Voraussetzungen nie vorgelegen.

Auch hat eine Überprüfung der seitens der Zeitschrift "Mo-
torrad, Reisen und Sport" benannten Namen von Zeugen für
die Gefährlichkeit dieses Straßenabschnittes ergeben, daß
sich offensichtlich keiner dieser Zeugen die Mühe gemacht
hat, bei den örtlich erreichbaren Polizeidienststellen in
Altenahr und Bad Neuenahr-Ahrweiler die für sie aus dem
unzureichenden Straßenbelag entstandene Gefährdung zu mel-
den.
Dies ergab die Überprüfung der Wachbücher und Schmierklad-
den bei den örtlich zuständigen Polizeidienststellen sowohl
in Altenahr, als auch in Bad Neuenahr-Ahrweiler, die inso-
weit sowohl hinsichtlich anonymer Meldungen, als auch hin-
sichtlich der durch die vorbezeichnete Zeitschrift mitge-
teilten Zeugennamen überprüft worden sind.

Auch Sie, sehr geehrter Herr Briel sind trotz der durch
Ihre Äußerungen über die Ihnen bekannte Gefährlichkeit der
Unfallstelle im vorliegenden Verfahren ebenfalls in den
polizeilichen Unterlagen als Informant bezüglich der Gefah-
renstelle nicht festzustellen gewesen.

Da auch die durch Zeitungsinteressenten geschilderte Häufig-
keit von Wrackteilen an den Unfallstellen weder vor Ort bei
den Unfallaufnahmen im Falle der verunglückten Herren
Scheffler und Rübhausen durch die Polizei wahrgenommen wer-
den konnte, zudem aber auch aufgrund der zahlreichen in der
Sachakte vorhandenen Lichtbilder der Unfallstelle nicht zu
erkennen sind, liegen keine Umstände vor, die es den zustän-
digen Polizeidienststellen hätten nahelegen müssen, auf-
grund behördenseits erkannter Gefährlichkeit der Unfallstel-
le Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen.

Ähnliches gilt bezüglich einer strafrechtlichen Verantwort-
lichkeit von Bediensteten der Straßenmeisterei in Altenahr
hinsichtlich der Todesfälle Scheffler und Rübhausen.

Auch der Straßenmeisterei in Altenahr wurden von dritter
Seite keine Hinweise auf den an der Unfallstelle bestehen-
den Gefahrenpunkt aufgrund unzureichender Griffigkeit der
Fahrbahnoberfläche erteilt.

Der nach der für die Straßenmeistereien vorgegebenen Dienst-
anweisung vorgeschriebenen Pflicht zu Kontrollbereisungen
des in ihrer Zuständigkeit liegenden Straßennetzes wurde
hinsichtlich der Unfallstelle, an der die Herren Scheffler
und Rübhausen zu Tode kamen, erkennbar Genüge getan.
Seit August 1994 wurde dieser Streckenabschnitt durch den
zuständigen Streckenwart acht mal hinsichtlich der Verkehrs-
sicherheit in Augenschein genommen, wobei auch noch am Un-
falltage selbst eine Kontrollfahrt erfolgte. Der Leiter der
Straßenmeisterei Altenahr führte Kontrollfahrten über die
Unglücksstelle nicht nur am 7. 8. und 9. September 1994
durch, sondern befand sich am 12. September 1994 in der
Kfz-Schlange, die sich aufgrund der Unfallaufnahme im Un-
glücksfalle Scheffler gebildet hatte. Bei dieser Fahrt fiel
diesem Beamten eine sich aus dem optischen Erscheinungsbild
der Unfallstelle ergebende Gefährdungslage nicht auf.

Dies erklärt sich letztlich aus dem Umstand, daß sich die
ungenügende Griffigkeit des Straßenbelages letztlich op-
tisch verläßlich nicht feststellen läßt, sondern von mecha-
nischen Griffigkeitsmessungen abhängig ist.
Dies ergab sich aufgrund der nach dem tötlichen Unfall des
Herrn Rübhausen durch die Baustoffprüfstelle Bingen durchge-
führten mechanischen Messungen der Griffigkeit vor, an und
hinter der Unfallstelle.
An beinahe allen dieser überprüften Stellen der Fahrbahn
waren längere Zeit vorher Reparaturen der Fahrbahnoberflä-
che durch das Verfahren "Anspritzen und Absplitten" er-
folgt. Während - wie aus den bei den Akten befindlichen
Lichtbildern zu erkennen ist - praktisch das gleiche äußere
Erscheinungsbild herrscht, haben die mechanischen Messungen
der Baustoffprüfstelle Bingen ergeben, daß bei den reparier-
ten Straßenstellen vor und nach der Unfallstelle ausreichen-
de Reibungswerte vorlagen und nur der Griffigkeitswert an
der Unfallstelle selbst ungenügend war.

Bei unvoreingenommener Sicht der Dinge wird daher die Tatsa-
che, daß die für die Instandhaltung und Erhaltung der Ver-
kehrssicherheit zuständige Dienststelle mit ihren Bedienste-
ten selbst bei vorgeschriebener Begehung der späteren Un-
fallstelle den Gefahrenabschnitt nicht zu erkennen vermoch-
te, angesichts der Erkenntnisse aus der mechanischen Grif-
figkeitsmessung den Vorwurf der Fahrlässigkeit bei der Er-
haltung der Verkehrssicherheit im unfallträchtigen Ab-
schnitt der Bundesstraße B 257 nicht begründen können. We-
der die hierfür erforderlichen Informationen, noch die zu
mechanischen Überprüfung erforderlichen Maschinen waren
vorhanden.

Dabei ist im Falle des am Abend des 24. September 1994 töd-
lich verunglückten Herrn Rübhausen zudem festzustellen, daß
für ihn die seitens der am Nachmittag des 24. September
1994 durch die Redaktion der Zeitschrift "Motorrad, Reisen
und Sport" veranstaltete Demonstration und die dabei aufge-
stellten Warnschilder kein Anlaß waren, seine für diese
Regenfahrt gefahrene Geschwindigkeit von zwischen 80 und
100 km/h der Warnung gemäß herabzusetzen. Dies ergibt sich
aus dem eingeholten Sachverständigengutachten, das über die
in rechnerischem Wege festgestellte Fahrgeschwindigkeit vor
dem Unfall bei Herrn Rübhausen zudem auch eine ungenügende
Profiltiefe der Hinterradbereifung feststellte.

Bei den vorstehend geschilderten Ergebnissen der Ermittlun-
gen bieten diese keinen Anlaß, strafrechtlich gegen Bedien-
stete entweder der Polizeidienststellen Adenau und Bad
Neuenahr-Ahrweiler, oder Bedienstete der Straßenmeisterei
Altenahr wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung gemäß §
222 StGB zum Nachteil der Herren Scheffler und Rübhausen
vorzugehen. Im Falle einer Anklageerhebung könnte mit einer
gerichtlichen Verurteilung nicht gerechnet werden, weil der
Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung nicht geführt
werden kann.


Mit freundlichen Grüßen
gez.: Trauthig
Oberstaatsanwalt
Beglaubigt:
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