Wieshof - Traditional Bowhunter Rendezvous '99
Im Rahmen meines Studiums der Geographie verbrachte ich ein Jahr in Südafrika, sechs Monate davon auf der privaten, auf die Bogenjagd spezialisierten Jagdfarm Melorani. Dort schrieb ich meine Diplomarbeit über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Naturschutz im südafrikanischen Bushveldbecken, wobei ich auch die Bedeutung der Jagd in diesem Bereich erforschte. Neben Bogenjägern lernte ich dabei auch Gewehrjäger kennen - ich stellte jedoch bald fest, daß Bogenjäger, und darunter vor allem Schützen mit traditionellem Equipment, mehr meiner Einstellung entsprachen. Ich war beeindruckt von deren Geduld bei der Jagd, ihrem umfangreichen Wissen in Bezug auf Fauna und Flora und ihrer Gelassenheit. Gerade letztere zeigte sich darin, daß Bogenjäger viel weniger Wert auf die Größe der Trophäen legten als Gewehrjäger. Auch nach erfolglosen Tagen, die sie pirschend oder in einem Versteck wartend verbracht hatten, ohne zum Schuß zu kommen, waren sie keineswegs unzufrieden. Ich lernte, daß auch Vogelbeobachtungen oder das Fotographieren von Tieren einen Bogenjäger unterhalten konnten. Ihr Bewußtsein für die Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts und vor allem ihr Einsatz, Schußtechniken durch ständige Übung im Sinne schneller, sicherer und damit humaner Jagd zu perfektionieren, war für mich besonders bemerkenswert. Beeinflußt vom Enthusiasmus der zahlreichen internationalen Jagdgäste, entwickelte ich bald Interesse am traditionellen Bogensport - wieder in Deutschland zurück, wartete schon ein Recurvebogen auf mich. Via e-mail blieb ich auch weiterhin in Kontakt mit einigen der Bogenjäger, so auch mit T.J. Conrads, dem Herausgeber des "Traditional Bowhunter"-Magazins aus den USA.
In diesem Jahr wurde T.J. Conrads nun nach Deutschland eingeladen, um als internationaler Experte für die traditionelle Bogenjagd beim "6. Traditional Bowhunter Rendezvous" der Traditionellen Jagdbogenschützen Deutschland (TJBD) auf dem Wieshof teilzunehmen. Darauf machte er mir den Vorschlag, ihn vom 3. bis zum 6. Juni 1999 in den Bayrischen Wald begleiten - ich sagte sofort zu, schließlich freute ich mich sowohl auf ein Wiedersehen, als auch darauf, vielleicht die Chance wahrnehmen zu können, etwas mehr über den traditionellen Bogensport zu erfahren und Gleichgesinnte kennenzulernen. Bis dato wußte ich schließlich noch nicht einmal, daß es auch in Deutschland, wo die Jagd mit dem Bogen bisher noch verboten ist, Bogenjäger gibt. Auf jeden Fall war ich gespannt diese Leute kennenzulernen - schließlich müssen sie eine besondere Begeisterung für ihre Sache aufbringen, der sie ja letztendlich nur selten und wenn, dann nur im Ausland nachgehen können. So wurde auch ich, ein "Greenhorn" in der Bogenszene, zu der Veranstaltung eingeladen. Nachdem ich T.J. vom Flughafen in München abgeholt hatte, fuhren wir beide erwartungsvoll nach Teublitz. Am Donnerstag, dem 3. Juni 1999 trafen die ersten der 131 teilnehmenden Schützen auf dem Wieshof ein und bauten ihre Zelte und Tipis auf. Dabei wurde Bayern zum Treffpunkt für Bogenjäger und -schützen aus ganz Deutschland und Österreich, Wikinger aus Kiel kampierten neben bayrischen Indianern, Schwaben tauschten das Neueste aus der Bogenszene mit Franken aus, und alle Altersklassen vertreten waren. Im Laufe der vier Tage wurden diverse Workshops und Vorführungen angeboten, an denen jeder teilnehmen konnte. So führte Uli König einen Kurs zur Herstellung von verschiedenen Lederarbeiten durch. K. Griening zeigte das Schmieden von Damaststahl und stellte Speer- und Pfeilspitzen her. Desweiteren stellte Werner Scholz, der erfahrenste deutsche Holzbogenbauer, seine englischen Langbogen, edlen Pfeile und diverses Zubehör aus und stand für Fragen zur Verfügung.
Besonders beeindruckend war für viele sicher die Vorstellung der Beizjagd von Richard Katzelmeier, in der auch Parallelen zur Bogenjagd gezogen wurden. Er brachte einen jagdtauglichen Adlerterzel mit, wodurch einige das Gefühl einen dieser starken faszinierenden Vögel auf dem Arm zu haben, erfahren konnten. Von praktischer Bedeutung für jeden Bogenschützen war der Workshop von Christian Lux über den Bau von Pfeilen, wobei der Schwerpunkt auf das Tapern der Pfeile gelegt wurde. Natürlich ist eine Maxime eines jeden traditionellen Bogenjägers, das von ihm erlegte Wild auch zu essen. Jedoch sollte er auch im Falle des jagdlichen Mißerfolgs in der Lage sein, in der Natur zu überleben. Diese Fähigkeit vermittelte Sabine Leue im Workshop "Wildnisküche", wo verschiedene Kräuter und Pflanzen als Lebensmittel vorgestellt wurden. Wie gut gerade aber Wild und auch andere Gerichte schmecken können, stellten im Übrigen während der ganzen Veranstaltung die beiden professionellen Köche Michael Wendtland und Reinhold. Dohnke sowie deren tatkräftigen Mitarbeiter, wie u.a. Ludwig und Irmgard Himmelstoß, immer wieder unter Beweis. So wurde beispielsweise ein von Hubert Schlamminger angeliefertes Reh vor Ort gehäutet, zerlegt und zu einem schmackhaften Rehragout verarbeitet.
Bogenjäger sind offensichtlich meist auch Outdoormenschen, Kenntnis ihrer Umgebung und Überlebenstechniken in der Wildnis liegen daher in ihrem Interesse. Diesem kamen Birger Piechotta und Winfried Lauber in einem Erfahrungsaustausch von Gleichgesinnten nach. Ein Höhepunkt war schließlich die Multimedia-Show über die Arktis von Michel Arztberger. Der österreichische Fernsehsenders ORF stellte die Reise nach, die einst zur Entdeckung von Franz-Josef-Land geführt hatte. Die dabei entstandenen faszinierenden Aufnahmen von ewigem Eis und atemberaubenden Landschaften wurden von stimmungsvoller Musik untermalt an zwei Abenden gezeigt und von Michel Arztberger kommentiert. Die Diashow "Pigs around the world" von T.J. Conrads stellte einen weiteren Höhepunkt dar, dabei wurden die Bogenjagd auf verschiedene Schweinarten sowie die jeweiligen Jagdbedingungen vorgestellt. Er zeigte Wildschweine in Frankreich, Warzen- und Buschschweine in Südafrika und Zimbabwe sowie Feral hogs und Javelina in den USA. Begleitet wurde die Vorführung durch Anekdoten von Conrads Jagdreisen und es konnten durchgehend Fragen gestellt werden. T.J. Conrads zeigte sich beeindruckt von dem Einsatz der Bogenjäger in einem Land, wo die Bogenjagd verboten ist und legte deshalb besonderen Wert auf motivierende Worte bezüglich der Bemühungen um Legalisierung dieses Sports in Deutschland. Dabei berichtete er beispielhaft über seine Erfahrungen in Frankreich, wo die Bogenjagd auch erst vor einigen Jahren aufgrund der Bemühungen weniger legalisiert werden konnte. Auch an den anderen Tagen stand Conrads mit seiner Erfahrung als Herausgeber des "Traditional Bowhunter" und als langjähriger Bogenjäger für weitere Fragen zu traditioneller Bogenjagd, Ausrüstung, Schußtechniken etc. zur Verfügung, u.a. auch im Rahmen der Bowhunter Education. Die Bowhunter Education wurde in diesem Jahr zum ersten Mal eigenverantwortlich von Alois Hofherr durchgeführt, der von Tom Pole, dem Koordinator der Bowhunter Education in den Vereinigten Staaten, zum Instructor ernannt worden war -herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle. An seinem mehrtägigen Kurs nahmen 26 Bogenschützen teil, die alle den Kurs erfolgreich mit einer Prüfung abschlossen. Zur Ausbildung konnte erstmalig die deutsche Ausgabe des "Bowhunter Educations Manuals" genutzt werden - es war von Max Christ mit Erlaubnis der Bowhunter Education Fondation übersetzt worden. Über die ganze Zeit hinweg wurden u.a. von Wolfhart Evers, Uli König, Steffi König und Jürgen Fischer verschiedene Funschüsse angeboten. So war z.B. beim Schießen auf Dartscheiben ein Jackpot zu gewinnen. Eine Herausforderung besonderer Art stellte der mittlerweile berühmt berüchtigte Odysseusschuß dar, bei dem die Ösen von zwölf hintereinander installierten Äxten durchschossen werden mußten - hierbei verlor so mancher seine Pfeile. Auch eine Scheibe für Wurfäxte stand zur Verfügung. Am Wochenende teilten die Organisatoren des Treffens schließlich verschiedene Gruppen ein und schickten sie auf zwei unterschiedliche 3D-Jagdparcours. An einem Tag wurden dabei zwei mal 14 Scheiben mit Scheibenpfeilen geschossen, am anderen zwei mal 18 Scheiben mit Jagdpfeilen, wobei acht Scheiben von den Schützen selbständig als "Nonshots" zu erkennen waren. Dadurch sollten reelle Jagdsituationen simuliert werden, die Schützen hatte viel Spaß bei der "Pirsch" durch den Wald. Natürlich gab es sowohl Bogen als auch Zubehör zu erstehen, außerdem war der Hudson´s Bay - Indian Trading Post, der sich auf dem Wieshof befindet, geöffnet und bot sowohl Bücher als auch die unterschiedlichsten Indianer-Utensilien an. Insgesamt ist das "6. Traditional Bowhunter Rendezvous" als voller Erfolg zu bezeichnen. Was mir persönlich - gerade als Anfängerin im Bogensport - besonders gefiel, war die Tatsache, daß die Veranstaltung bewußt nicht in Form irgendwelcher Wettkäpfe oder Turniere durchgeführt wurde. So konnten sich auch weniger geübte Schützen ohne Scheu beteiligen. Auf der anderen Seite verdeutlichte sich hierdurch die Einstellung, die jeder Bogenjäger meiner Ansicht nach verfolgen sollte - Bogenjagd kann nicht ein Kräftemessen unter den Schützen bedeuten, sondern ist eine Sache allein zwischen dem Jäger und dem Tier. Außerdem ist ein guter Schütze noch lange kein guter Jäger, das wird jeder Bogenjäger bestätigen können. Diese Ansicht wurde auch noch dadurch betont, daß die Parcours am Ende nicht anhand von Punkten bewertet wurden, vielmehr fand als Abschluß einfach eine Tombola statt, bei der jeder beteiligte Schütze etwas gewinnen konnte - von Pfeilen bis zu T-Shirts, unabhängig vom Erfolg als Schützen. Was mich auch, gerade als Außenstehende, positiv beeindruckte war, daß neben dem Schießen ansich die Aus- und Weiterbildung der Schützen für einen eigenverantwortlichen Umgang mit der Natur und den Tieren in unterschiedlichster Form nicht zu kurz kam, denn nur durch diese Bewußtseinsbildung läßt sich die Natur und damit die Grundlage der Bogenjagd erhalten. Diese Art von Veranstaltung kann vielleicht eines Tages auch dazu beitragen, daß die Bogenjagd in Deutschland zugelassen wird, da so auch Kritiker überzeugt werden können. Abschließend sei gesagt, daß allen an der Organisation beteiligten Mitgliedern des TJBD zu danken ist, die die Veranstaltung in ehrenamtlicher, harter Arbeit erst möglich gemacht haben. Es ist heute nur noch selten ein solcher Einsatz zu finden. Bis zum nächsten Jahr! Birgit Bass T.J. Conrads + Birgit Bass |