Wo jagen die denn hin .... ?

Deutschland ist ein Land in welchem die Jagd sich aus historischer Sicht auf ein Privileg begründet, welches jahrhundertelang einem kleinen feudalen Kreis vorbehalten blieb, während die unterdrückte Mehrheit in brutaler Leibeigenschaft ums Überleben knechtete und der zwischenzeitlich mystifizierte Wilderer ein grausames Ende fand. Und ein Wilderer konnte schon damals jeder sein, der nur den Anschein erweckte es auf das herrschaftliche Wild abgesehen zu haben, nicht nur diejenigen welche auf frischer Tat ertappt wurden.

Viele Generationen und Ereignisse später leben wir Nachfahren dieser Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, einem demokratischen Rechtsstaat mit Freiheiten wie sie sich unsere Vorfahren in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnten. Das Jagd-Privileg hat die teilweise subtileren Formen eines Kults angenommen und einer/m jeden/m steht es grundsätzlich frei sich damit zu befassen und die Jagd entsprechend auszuüben, unabhängig von gesellschaftlicher Stellung und Herkunft.

Eines der Privilegien die sich nun "unser" Staat vorbehält, auch das hat "Tradition", ist der Besitz von Waffen, respektive die Handhabung und der Umgang damit. Außerdem bestimmt er was eine Waffe ist und was nicht.

Natürlich weiß jeder aufgeklärte Mensch, daß angefangen von einem simplen Stein, eine Menge Dinge oder Gerätschaften als Waffe zu verwenden sind, jedoch hält sich der Reglementierungseifer der Gesetzgeber hierbei in Grenzen, sei es durch die schiere Menge der Möglichkeiten oder auf das Vertrauen auf die Mündigkeit der Bürger/innen begründet, oder darauf daß erst etwas geschehen muß... .

Der Umstand daß Pfeil und Bogen aus historischer Sicht bei uns nicht im Bewußtsein verankert ist, sowie der über Generationen hinweg verantwortliche und vernünftige Umgang damit, hat dazu geführt, daß wir auch heute noch in ungewohnt freier Weise damit hantieren können und dazu definiert sich der Bogen aus seiner bisher einzigen bei uns üblichen Anwendung schlicht als Sportgerät, was sicherlich der freien Handhabung nicht abträglich war und ist und zu der jetzt erlebten Blüte auch des Feld- und Jagdbogensports beigetragen hat.

Wir hantieren im freien Umgang also eigentlich mit einer Jahrtausende alten Waffe und stellen uns auch der Herausforderung des jagdlichen Bogenschiessens. In neuerer Zeit am liebsten auf täuschend echt nachgemachte dreidimensionale Tierscheiben und nach neuesten Erkenntnissen hantieren auch fast alle Bogenschützen mit Sportgeräten die, siehe TB Magazin 18 Zuggewichtsartikel G. Fred Asbell, potentiell absolut ausreichende Jagdwaffen wären, besonders auf Rehwild.

Wir verwenden Begriffe wie Blatt- Kill- Todwertung, Jagdschiessen, 3D-Tier, Jagdbogen, Jagdturnier, Feld & Jagd, aber auch englische Wörter wie Superkill, Bowhunter, -unlimited oder Wortverbindungen wie z.B. Hunter-Runde, Deutsche Bowhunter Meisterschaft, es werden Landes, Europa und Welt - Bogenjägermeister gekürt, in Verwendung von englischsprachigen Ausdrücken, begründet auf die Ursprünge des neuzeitlichen Bogenschiessens.

Der Bogensport erhält immer größeren Zulauf und wird damit immer mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit finden. Diese wiederum unterliegt bei weitem mehr den Einflüssen von Interessengruppierungen, für die Begriffe wie Jagd, Tier und Tod ein rotes Tuch sind, Reizwörter - im negativen Sinn. Welche Schwierigkeiten da noch auf "Jäger" zukommen werden, kann heute niemand voraussehen, Tatsache ist, daß die Tierrechts Bewegung weltweit bedeutenden Zulauf und Unterstützung hat.

In unserer Nische haben wir uns an die entsprechenden "Fachbegriffe" so sehr gewöhnt, daß die deutlichere, sportliche Umschreibungen schon recht verkümmert ist.
Es wird immer mehr statt vom Jagdbogenschiessen nur mehr vom Jagdschiessen gesprochen, statt Jagdbogenturnier heißt es Jagdturnier und nicht nur Jugendliche lassen verlauten, es macht halt mehr Spaß auf 3D-Tiere zu schiessen - als ob es andere Tiere geben würde. Die wankelmütige Spaßgesellschaft ist eine die sich kein Blatt vor den Mund nimmt, warum auch - Spaß ist doch total geil - wenn dies oder das einmal keinen mehr macht, dann halt was anderes.
"Es macht einfach Spaß auf 3D-Tiere zu schießen, komm, laß uns jagen spielen."

Das es sich um Scheiben handelt, weiß doch jeder? Daß es sich nicht um "richtige" Möchtegernjäger oder Pseudowilderer handelt?

Nein, das wissen nur wir! Je mehr Menschen sich für unseren Sport begeistern, desto mehr werden solche unbedenklich angewandten Begriffe in die Öffentlichkeit getragen und dazu auch mit "richtiger" Jagdeuphorie verkündet. Die eigene Begeisterung macht einen da schnell etwas unsensibel. Zwischenzeitlich bezeichnen sich gar Scheibenschützen als Bogenjäger - und so mancher will denn auch wirklich ein "richtiger" Bogenjäger sein.

Bogenschützen die über den Sport auch zur Jagd gekommen sind, bzw. sich dafür interessieren, hat es immer gegeben. Bisher hat das zu keinerlei Problemen geführt, denn wer auch immer die Bogenjagd ausführen wollte, hat das dort getan wo sie möglich ist und die jagdliche Einschränkung hierzulande als gegeben und unabänderlich hingenommen. Auch ich habe mich nach ca. 3 Jahren Bogensport an der Bogenjagd versucht und in Folge der Erlebnisse eine IG mitbegründet, die das Ziel hatte Wissen, Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen, im klaren Bewußtsein einer kleinen Randgruppe von traditionellen Bogensportler/innen/n anzugehören, die sich über das sportliche Geschehen hinaus, auch für die Jagd mit traditioneller Ausrüstung interessieren. Eine Förderung der Bogenjagd war dabei in keinster Weise im Gründungsgedanken beinhaltet und Bogenjagen in "D" ? - da hätten alle nur gelacht, ein absurder Gedanke.

Im Gegenteil, die Freiheit des erlebten Jagdbogensports stand und steht im deutlichen Gegensatz zu den Auflagen und Bestimmungen, denen sich ein "richtiger" Jäger in diesem unserem Land "unterwerfen" muß, und für jeden der sich aus dem Bogensport heraus für die Bogenjagd interessiert, kann eine solche, in diesem Land, in letzter Konsequenz nur durch bewußtes Verdrängen oder Abkehr von der Faszination des frei ausübbaren Jagdbogensports einen Reiz haben - meine ich.

Wo will hier jemand überhaupt mit Pfeil und Bogen jagen, tun sich doch die "richtigen" Jäger mit immer leistungsfähigeren Feuerwaffen, Nachsichtgläsern etc., schwer genug damit. Einzelpersonen vielleicht, die wissen wo es hier und da ein Fleckchen gibt wo es möglich wäre, mehr nicht, oder vielleicht irgendein Gatter wo sie's rausschiessen könnten - was für mich allemal keine Jagd ist, sonder allerhöchstens "Distanzschlachten".

Warum auch immer, es gibt nun in neuester Zeit zusehends mehr Personen die der "richtigen" Bogenjagd in Deutschland das Wort reden und darüber Ideen verbreiten, die zu einiger Unruhe in Bogensport-Kreisen geführt hat.

Bogenjagdverbände sind gegründet worden, d.h. vor knapp einem Jahr der Deutsche Bogenjagdverband und unlängst so habe ich vernommen, der Süddeutsche Bogenjagdverband.

Eines ist sicher - die Bedenken der Bogensportler werden durchweg von dieser Seite nicht Ernst genommen, denn "richtige" Bogenjäger stehen ja auf einem ganz anderen Level, spielen ist bei Ihnen nicht angesagt.

Es ist schon richtig, daß in jagdlicher Hinsicht auch der Jagdbogensport alles andere als eben daß ist. Wertungen, Ausrüstung, Turnierabläufe, das ganze drumherum hat mit einer realen Jagd nichts oder nur in Details etwas zu tun, viele Teilnehmer an diesen Sportveranstaltungen haben auch wenig Interesse an der wirklichen Jagd, auch wenn sie noch so oft ein "Kill" schießen wollen.

Aber auf der anderen Seite und bei allem Kritikpotential den der Feld- und Jagdbogensport bietet, müssen sich doch auch diejenigen die jetzt der richtigen Bogenjagd in diesem unseren Lande ein hohes Lied singen wollen, fragen lassen - Was währen sie denn ohne die Bogensportler? Wo haben sie sich jahrelang betätigt um die Faszination des Bogenschiessens überhaupt zu erleben und zu verinnerlichen?

Spielt das alles keine Rolle? Diese Erlebnisse in einem Land wo der Bogen eben keine Waffe ist und deshalb in für unsere Verhältnisse selten freier Form gehandhabt werden kann? Kann irgend jemand glauben, daß diese farbenfrohe und interessante Sportszene in all ihrem Facettenreichtum so wie sie jetzt lebt und gedeiht, sich unter vergleichbaren Einschränkungen wie sie andere Sportschützen akzeptieren müssen, überhaupt entwickelt hätte?

Aber die einen reden von EU Rechtsreformen, meinen das Jagdrecht und was in Ländern möglich ist in welchen wir alle nun mal nicht leben und die anderen sorgen sich um das nationale Waffenrecht unter welches der Bogen als Sportgerät nicht fällt.

Auch die seltenen Sportunfälle oder der Umstand daß hin und wieder ein abgedrehter Mitmensch sogar auf Polizisten geschossen hat, ist nie zum Anlass genommen worden, hier von staatlicher Seite einzugreifen.

Ich geben dem DBJV vollkommen Recht, daß es schlechter Stil ist mit falschen Behauptungen Panik zu verursachen. Es ist allerdings auch kein guter Stil mit unbedachten Äusserungen bei wenigen Erwartungen, bei vielen Besorgnisse zu erwecken und die ganze Problematik dann zu verharmlosen.

Wir leben nun einmal nicht in Frankreich oder anderen Ländern, in welchen aus der Einführung der Bogenjagd keine Probleme für die Bogensportler entstanden sind.

Natürlich wünscht sich jeder, daß dies im Falle des Falles auch bei uns unproblematisch verläuft - aber genau daß, meinen zwischenzeitlich doch einige, wird kaum der Fall sein und gerade diejenigen denen so viel an Änderungen liegt, gehen völlig unbedarft an die Öffentlichkeit, ohne Sorge zu tragen, daß ihr Ansinnen eben keine negativen Auswirkungen auf die Freiheit des Bogensports hat.

Warum genau es in anderen Ländern keine Probleme mit der Einführung der Bogenjagd gegeben hat, wer weiß das denn - nützten würde uns dieses Wissen sowieso nichts, auch wenn diejenigen die immer von EU Rechtsgrundlagen-Änderungen und Reformen sprechen, meinen daß wäre so.

Sicherheitspolitische Entscheidungen werden ausschließlich länderhoheitlich geregelt und wer will da widersprechen, daß die Handhabung von Waffen sicherheitspolitisch nicht relevant sei?

Mit anderen Worten, sollte je einmal aus welchen Gründen auch immer der Gebrauch von Bogen und Pfeilen bei uns zu einem sicherheitspolitischen Thema werden, Jagdrecht hin oder her, und unter das Waffenrecht fallen, dann sind solche Entscheidungen von Brüssel bzw. der EU-Rechtssprechung nicht zu beeinflussen und die Regelungen anderer EU Länder hierzu sind schlichtweg irrelevant.

Dazu kommt, daß kein Land irgendwelche Kulturhoheiten abgetreten hat. Der Sport fällt also auch allein in die jeweilige Staats- bzw. Ländergesetzgebung. Und was die Jagd angeht, unter was die fällt weiß ich nicht, aber diese starke Lobby wird sich allemal nicht gern etwas vorschreiben lassen, was gegen ihre Waidgerechtigkeit und jagdliche Moral ist - ich halte dieses ganze EU Gerede für ziemlich naives und egoistisches Denken.

Aber zunächst mal stehen gewaltigere Dinge ins Haus.

Der DBJV z.B. hat sich noch andere Ziele gesteckt - und wundert sich dabei noch daß sich die Bogensportler Sorgen machen.

z.B. - man lese und staune hat dieser sich:

unter anderem das Ziel gesetzt den Bogen in der Jägerschaft als leistungsfähiges Jagdgerät vorzustellen und diese nebenbei davon zu überzeugen, daß der wiederum ein absolut untaugliches Wilderergerät sei ..... , was mir doch ein recht zweifelhaftes Unterfangen zu werden verspricht. Möglicherweise kann ich das einfach nicht begreifen da ich kein "richtiger" Jäger bin. Allerdings weiß ich was ein Zaunpfahl ist und dieser ist so groß, daß man zweifelsohne einen Verband braucht um damit zu winken....... °°!

Kann sich eine Vereinigung die so etwas veröffentlicht aus Personen zusammensetzten, die ein hinreichendes "Realitätspotential" haben um die Bedenken der Bogensportler überhaupt zu begreifen oder Ernst zu nehmen? Von welcher Seite wird ein Bogensportler wohl am ehesten des Wilderns verdächtig?

Jede Handhabung einer jeden Waffe und dazugehöriger Munition ist gesetzlich genauestens geregelt - gerade deshalb um Mißbrauch möglichst auszuschliessen.

Auch der Jagdbogensportler sieht die Problematik aus Sicht der freien Ausübung des Sports - der "richtige" Bogenjäger dagegen aus Sicht der Jagd, die eine reglementierte Handhabung von Waffen und drum und dran grundsätzlich als gegeben akzeptiert. Da liegt glaube ich der große Unterschied in der Sicht der Dinge.

Natürlich erhoffen sich manche daß die EU einheitlich ein Recht der Jagd mit Bogen und Pfeil festlegt. Das wäre die formaljuristische Legitimation die Bogenjagd in Deutschland definitiv zum Thema machen zu können, aus der Sicht eines "richtigen" Bogenjägers.

Ein weiterer Leserbrief TBMagazin 18 spricht von Güterabwägung - hört sich auch juristisch an, aber die Freiheit ist, Juristerei hin oder her, ein hohes Gut.

Eine der Forderungen unserer von Zeit zu Zeit aufbegehrenden Vorfahren war das Recht zur freien Ausübung der Jagd für alle - die Strafe ließ nie lange auf sich warten, sie war hart und grausam!

Trotzdem kann jede/r im Prinzip heute in Deutschland jagen, so wie sich die Jagd hier über Jahrhunderte entwickelt hat - warum ist das nun nicht genug, wenns auch "nur" mit einem Gewehr ist!?

Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt sie zu wiederholen - gevierteilt wird heute niemand mehr - die Freiheit ? - Wem würde es wohl noch Spaß machen sich mit einem Viertel der Freiheit zu begnügen an der wir uns jetzt im Feld- und Jagdbogensport erfreuen? Was ist im Vergleich dazu die Einschränkung einiger weniger, nicht "hinter der Haustür" Bogenjagen zu können?

Es gibt Bogenschützen die glauben jagdliche Gefühle zu haben wenn sie auf Scheiben schiessen - Phantasie ist eine wunderbare Sache. Manchmal stelle ich mir auch vor was wäre wenn ..... Aber ich trage das Erlebnis der wirklichen Bogenjagd in mir und ich bin mir bewußt wo ich lebe - und was die Freiheit auch solcher Vorstellungen ermöglicht und dazu wo ich es wirklich erleben kann und warum.

Denjenigen die davon reden es würde "einfach" mehr Spaß machen auf 3D-Tiere zu schiessen sei gesagt, es ist so einfach nicht gewesen diesen Spaß erleben zu können und es kann durchaus auch ohne "richtige" Bogenjäger mit dem Spaß ein Ende haben. Ärger kann es jetzt schon geben, siehe Leserbrief des DFBV Rechtswarts.

Diejenigen die hier mit Bogen und Pfeilen jagen wollen müssen sich die Frage gefallen lassen - ob das "Erlegen" eines Tieres mittels Pfeil und Bogen wichtiger sein kann, als die Freiheit der Menschen in diesem unseren Lande selbstverantwortlich Pfeil und Bogen zu schiessen - auch solcher die nur so tut als ob sie jagten und sich damit begnügen.

Ich denke die "richtigen" deutschen Jäger haben es schon schwer genug. Ständiger Ärger mit Land- und Forstwirten, staatliche Auflagen ohne Ende, eine Menge Arbeit und finanzielle Belastungen, Jagdgegner und radikale Tierrechtsaktivisten. Sicher gibt es auch die Sonntagsjäger oder solche die eben als Gastjäger das mal so mehr nach Lust und Laune machen, aber die sind wohl nicht das Maß der Dinge und der Laie sollte sich nicht durch Hochglanzkataloge darüber hinwegtäuschen lassen. Ich kann nicht begreifen wo da der "richtige" Bogenjäger meint hier in "D" eine Nische zu finden, ein Traditioneller schon gleich gar nicht - oder doch?

Bogenschiessen wird auch in hundert Jahren kein Kulturgut bei uns sein, so schnell geht das nicht. Aber vielleicht die Bogenjagd - ein Privileg?

e.c.r

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