Die "gute Stube'' liegt in
Trümmern
Besigheims Kameradschaftshaus wird abgerissen - Investor baut Wohn- und
Geschäftshaus BESIGHEIM. Über den Namen ist nach dem Krieg in
der Stadt viel gestritten worden. Eines freilich stand fest: das
Kameradschaftshaus war der Besigheimer Veranstaltungsort schlechthin. Jetzt ist
der Abrißbagger am Werk.
Von Daniela Mack
Von der ¸¸guten Stube'' der Stadt Besigheim stehen mittlerweile
nur noch wenige Mauerreste. Die Fenster, Böden und Balken werden sortiert
und abgefahren. Die Stadt will das geräumte Grundstück an einen
privaten Bauträger aus dem benachbarten Ottmarsheim verkaufen. Der Vertrag
wird in diesen Tagen unterzeichnet. Gegenüber dem Bahnhof wird ein Wohn-
und Geschäftshaus mit eigener Tiefgarage entstehen. Im Erdgeschoß
werden zwei Läden eröffnen, ins Obergeschoß ziehen das
Planungsbüro sowie eine Arztpraxis ein. Außerdem sollen insgesamt
sieben Eigentumswohnungen entstehen. Das ebenfalls neue Nebengebäude wird
die Diakoniestation der evangelischen Kirche erwerben und hier ihre Zentrale
für die ganze Region einrichten.
Der Vorgängerbau aus dem Jahr 1878 hat eine wechselvolle Geschichte
hinter sich. Er diente als Gasthaus ¸¸Zum Bahnhof'', beherbergte die
Württembergische Tabakfabrik und wurde als Gewerbeschule genutzt. In den
70er Jahren zogen Arztpraxen und Notariate ein. Zuletzt waren in den Wohnungen
der oberen Etagen Asylbewerber untergebracht.
Die ¸¸große Zeit'' des Gebäudes begann 1936, als im
ersten Stock ein Veranstaltungsraum mit Bühne eingebaut wurde - und der
nationalsozialistisch gefärbte Name Kameradschaftshaus entstand. Von den
30er Jahren an wurde der Saal fleißig genutzt: die
Theateraufführungen und Konzerte prägten das Besigheimer Kulturleben.
Auch Vereine und Hochzeitsgesellschaften fanden hier Platz zum Feiern für
bis zu 500 Personen. Die Einweihung der Stadthalle Alte Kelter im Jahr 1989
besiegelte dann den Niedergang des Kameradschaftshauses. Der Veranstaltungssaal
wurde nicht länger gebraucht.
Eine Beurteilung des Landesdenkmalamtes ergab, daß eine Sanierung
nicht sinnvoll ist. Das Gutachten habe ¸¸eindeutig'' empfohlen,
daß das Gebäude abgerissen werden sollte, sagt Besigheims
Stadtbaumeister Alfred Saussele. Also habe die Stadt das ihr gehörende
Grundstück zum Verkauf ausgeschrieben. Da das Gebäude im
Sanierungsgebiet liegt, kann das Rathaus für die Abrißkosten mit
einem Zuschuß aus dem Sanierungstopf des Landes rechnen.
Am Mittwoch sind die Bagger angerückt, die noch einige Zeit
beschäftigt sein werden. Im Besigheimer Rathaus schaut man mit Sorge auf
den Kalender. Der Bau soll laut Saussele schon im Februar beginnen:
¸¸Wir wollen, daß der Bauträger gleich loslegt.'' Bis
September soll der Rohbau stehen. Denn der Festzug zum Winzerfest stellt sich
traditionell vor dem Kameradschaftshaus auf.
Der Neubau wird auch ein aufpoliertes Umfeld bekommen. Gleich im
Anschluß an das Winzerfest will die Stadt mit dem Umbau des
Bahnhofsplatzes beginnen. Hier soll ein zentraler Omnibusbahnhof entstehen, an
dem künftig alle Stadtlinien und die Busse in die Umgebung halten und
abfahren werden. Die Gesamtkosten summieren sich auf weit mehr als zwei
Millionen Mark, wobei wiederum Sanierungzuschüsse fließen werden.
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