Stuttgarter Zeitung Südwestdeutsche Zeitung 29.01.1999



Suche nach unterirdischen Schätzen

Archäologen wollen in 306 Kommunen im Land nach Resten der Vergangenheit fahnden

WEINSBERG, Kreis Heilbronn. Das Landesdenkmalamt hat ein ehrgeiziges Ziel: Sämtliche baden-württembergischen Gemeinden mit mittelalterlicher oder sogar römischer Vergangenheit sollen ein "Archäologisches Stadtkataster'' bekommen.

Von Wieland Schmid

Für den Weinsberger Bürgermeister Walter Kuhn war gestern ein ¸¸bedeutsamer Tag''. Ein Archäologen-Team des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg überreichte dem Verwaltungschef feierlich ein dickes Dokument, das Kuhn und seinen Kollegen die historische Bedeutung ihrer Kommune bestätigt. Jetzt wissen sie genau, unter welchen Straßen und Häusern mit ¸¸archäologisch relevanten'' Funden aus der langen Geschichte der Weibertreu-Kommune zu rechnen ist und wo bei Baumaßnahmen Vorsicht walten muß. Bisher verfügte nur ein Dutzend Kommunen im Land über ein derartig detailliertes ¸¸Archäologisches Stadtkataster'', aber jetzt soll die Liste schnell länger werden.

¸¸Am Anfang gab es schon Widerstand'', erinnert sich Andrea Bräuning, ¸¸aber heute rufen die Städte von sich aus bei uns an.'' Die Referentin für Stadtarchäologie beim baden-württembergischen Landesdenkmalamt will mit vier Kollegen dafür sorgen, daß es in Zukunft ¸¸weniger Konflikte'' zwischen Stadtplanern, Bauherren und Denkmalpflegern gibt, wenn die Bagger irgendwo im Boden auf Zeugnisse der Vergangenheit stoßen.

Ravensburg war vor vier Jahren die erste Stadt im Land, die solche archäologische Schutzzonen ausgewiesen hat. Inzwischen haben Friedrichshafen, Ulm, Radolfzell, Konstanz, Buchen, Walldürn, Offenburg, Staufen im Breisgau, Vaihingen/Enz, Bönnigheim und Überlingen die Lage möglicher unterirdischer Schätze kartographieren lassen. Bald folgen Waldkirch, Hardheim und Schweinberg. In Arbeit sind Ladenburg, Esslingen, Pforzheim, Biberach, Nürtingen, Aalen, Bad Säckingen, Rottweil und Schwäbisch Gmünd.

Insgesamt haben die Archäologen des Landesdenkmalamts 306 Städte im Land registriert, die alle schon im Mittelalter oder zur Römerzeit besiedelt waren. Unter ihrer Oberfläche werden noch zahlreiche Zeugnisse der Vergangenheit vermutet. Um ein Kataster zu erstellen, müssen allerdings auch die Rathäuser mitarbeiten: Bauakten müssen gewälzt, sämtliche alten Fundstellen aufgelistet und neue mit alten Stadtplänen verglichen werden. ¸¸Wenn die Städte kooperativ sind, geht es schneller'', sagt die promovierte Archäologin Andrea Bräuning.

Hinterher sollen alle Vorteile davon haben. Die Verwaltungen bekommen ¸¸mehr Planungssicherheit'', die Bauherren erwarten ¸¸weniger unliebsame Überraschungen'', und die Archäologen verfügen über ein ¸¸Instrument der Kontrolle''. Die Profigräber wollen zwar ¸¸nicht behindern'', wie Andrea Bräuning betont, aber Baumaßnahmen in den ausgewiesenen Schutzzonen benötigen eine Genehmigung. Der Trost für die Bürger: Bei zufälligen Funden kann eine Baumaßnahme allenfalls vier Tage lang gestoppt werden.

Bis alle 306 Historien-Städte ein Bodendenkmal-Kataster haben, werden nach Ansicht des Expertenteams ¸¸noch Jahrzehnte'' vergehen. Auf einer ¸¸Schwerpunktliste'' stehen deshalb vorerst nur achtzig weitere Kommunen, die vorrangig bearbeitet werden sollen. Stuttgart allerdings wird nie ein Kataster erhalten. Nach den Kriegsverwüstungen ist die Landeshauptstadt für die Fachleute ¸¸archäologisch nicht mehr interessant''.

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