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Suche nach unterirdischen
Schätzen
Archäologen wollen in 306 Kommunen im Land nach Resten der
Vergangenheit fahnden WEINSBERG, Kreis Heilbronn. Das
Landesdenkmalamt hat ein ehrgeiziges Ziel: Sämtliche
baden-württembergischen Gemeinden mit mittelalterlicher oder sogar
römischer Vergangenheit sollen ein "Archäologisches
Stadtkataster'' bekommen.
Von Wieland Schmid
Für den Weinsberger Bürgermeister Walter Kuhn war gestern ein
¸¸bedeutsamer Tag''. Ein Archäologen-Team des Landesdenkmalamts
Baden-Württemberg überreichte dem Verwaltungschef feierlich ein
dickes Dokument, das Kuhn und seinen Kollegen die historische Bedeutung ihrer
Kommune bestätigt. Jetzt wissen sie genau, unter welchen Straßen und
Häusern mit ¸¸archäologisch relevanten'' Funden aus der
langen Geschichte der Weibertreu-Kommune zu rechnen ist und wo bei
Baumaßnahmen Vorsicht walten muß. Bisher verfügte nur ein
Dutzend Kommunen im Land über ein derartig detailliertes
¸¸Archäologisches Stadtkataster'', aber jetzt soll die Liste
schnell länger werden.
¸¸Am Anfang gab es schon Widerstand'', erinnert sich Andrea
Bräuning, ¸¸aber heute rufen die Städte von sich aus bei
uns an.'' Die Referentin für Stadtarchäologie beim
baden-württembergischen Landesdenkmalamt will mit vier Kollegen dafür
sorgen, daß es in Zukunft ¸¸weniger Konflikte'' zwischen
Stadtplanern, Bauherren und Denkmalpflegern gibt, wenn die Bagger irgendwo im
Boden auf Zeugnisse der Vergangenheit stoßen.
Ravensburg war vor vier Jahren die erste Stadt im Land, die solche
archäologische Schutzzonen ausgewiesen hat. Inzwischen haben
Friedrichshafen, Ulm, Radolfzell, Konstanz, Buchen, Walldürn, Offenburg,
Staufen im Breisgau, Vaihingen/Enz, Bönnigheim und Überlingen die
Lage möglicher unterirdischer Schätze kartographieren lassen. Bald
folgen Waldkirch, Hardheim und Schweinberg. In Arbeit sind Ladenburg,
Esslingen, Pforzheim, Biberach, Nürtingen, Aalen, Bad Säckingen,
Rottweil und Schwäbisch Gmünd.
Insgesamt haben die Archäologen des Landesdenkmalamts 306 Städte
im Land registriert, die alle schon im Mittelalter oder zur Römerzeit
besiedelt waren. Unter ihrer Oberfläche werden noch zahlreiche Zeugnisse
der Vergangenheit vermutet. Um ein Kataster zu erstellen, müssen
allerdings auch die Rathäuser mitarbeiten: Bauakten müssen
gewälzt, sämtliche alten Fundstellen aufgelistet und neue mit alten
Stadtplänen verglichen werden. ¸¸Wenn die Städte kooperativ
sind, geht es schneller'', sagt die promovierte Archäologin Andrea
Bräuning.
Hinterher sollen alle Vorteile davon haben. Die Verwaltungen bekommen
¸¸mehr Planungssicherheit'', die Bauherren erwarten
¸¸weniger unliebsame Überraschungen'', und die Archäologen
verfügen über ein ¸¸Instrument der Kontrolle''. Die
Profigräber wollen zwar ¸¸nicht behindern'', wie Andrea
Bräuning betont, aber Baumaßnahmen in den ausgewiesenen Schutzzonen
benötigen eine Genehmigung. Der Trost für die Bürger: Bei
zufälligen Funden kann eine Baumaßnahme allenfalls vier Tage lang
gestoppt werden.
Bis alle 306 Historien-Städte ein Bodendenkmal-Kataster haben, werden
nach Ansicht des Expertenteams ¸¸noch Jahrzehnte'' vergehen. Auf
einer ¸¸Schwerpunktliste'' stehen deshalb vorerst nur achtzig weitere
Kommunen, die vorrangig bearbeitet werden sollen. Stuttgart allerdings wird nie
ein Kataster erhalten. Nach den Kriegsverwüstungen ist die
Landeshauptstadt für die Fachleute ¸¸archäologisch nicht
mehr interessant''.
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