Stuttgarter Zeitung Südwestdeutsche Zeitung 12.11.1999



Ein Bronzeschatz aus der Kiesgrube

Jahrhundertfund am Oberrhein - Schmuckstücke sind im Badischen Landesmuseum zu sehen

Eine ¸¸Rarität ersten Ranges'' weiß das Badische Landesmuseum im Karlsruher Schloss seit wenigen Tagen in seinem Besitz. Es handelt sich um zwei Fundstücke, die, 3000 Jahre alt, auf die Bronzezeit zurückgehen.

Von Martin Baumgärtner

Anfang 1988 erhielt das Landesdenkmalamt einen anonymen Anruf, ein Arbeiter einer Kiesgrube nördlich von Karlsruhe unterschlage einen Bronzeschatz. Rolf-Heiner Behrends, Oberkonservator für archäologische Denkmalpflege in Karlsruhe, beschlagnahmte tatsächlich im Zuge seiner Nachforschungen neben einem ¸¸gewöhnlichen'' Mammutzahn zwei sensationell anmutende Stücke: ein fast unversehrtes, 280 Gramm schweres Kettengehänge aus Bronze sowie einen prachtvoll verzierten 20 Zentimeter langen Keilerhauer. Das Alter des Bronzeschatzes, der nach Abschluss der Forschungen im Badischen Landesmuseum der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wird vorsichtig auf immerhin 3000 Jahre geschätzt.

Die Wissenschaft nennt diese Epoche des Bronzezeitalters ¸¸Urnenfelderzeit'' oder auch ¸¸Ältere Hallstattzeit''. Sie umfasste den Zeitraum von 1300 bis 750 vor Christus. Es war die Zeit der Pharaonen Ramses II. und Ramses III., der Gründung Karthagos und der Seevölkerbewegung. Im alten Griechenland fanden die ersten Olympischen Spiele statt.

Die Urnenfelderleute waren sesshaft, lebten von Ackerbau und Viehzucht, der Jagd und dem Fischfang. Sie kannten einfache Holzwagen und Schiffe. Bronzewaffen schmolzen sie aus englischem Zinn. Ihr Siedlungszentrum, das sich heute nur noch durch Spuren ihrer Brandbestattungen kennzeichnet, hatte seinen Schwerpunkt am Oberrhein. Von dort breiteten sich die Stämme entlang der Donau bis in den Balkanraum aus. Im Süden erreichten sie die Iberische Halbinsel, und im Nordosten überquerten sie den Ärmelkanal zwischen dem europäischen Festland und den Britischen Inseln.

Wie Grabungen in der Nähe von Wiesloch bei Heidelberg belegen, hatten ihre Dörfer zum Teil über hundert Jahre Bestand. Im Elsass wurden Grabfunde aus der Bronzezeit in der Rheinebene um Hagenau entdeckt, aber Siedlungen waren auch in der Höhe auf dem Hohlandsberg bei Colmar angelegt. In Südbaden fand man 1990 bei Lauchringen im Landkreis Waldshut ein Hügelgrab mit acht Bestattungen, denen bronzene Nadeln, Armreife und Dolche beigelegt waren. Solche Entdeckungen sind selten. Die meisten Spuren von den Menschen der Bronzezeit haben die Hochwasser des Rheins hinweggespült, oder sie wurden im Laufe der Zeit durch die Erosion des Bodens vernichtet.

¸¸Es handelt sich wohl um einen Opfer- oder Weihefund'', erzählt Behrends über die nach dem Erhaltungszustand weltweit einmaligen Bronzearbeiten. Nach den Umständen des Fundes gehören sie zur Gruppe der ¸¸Flussfunde'', die absichtlich als Opfergabe an den Ufern deponiert oder im Wasser versenkt wurden.

Beide Stücke stellen für Baden-Württemberg Raritäten ersten Ranges dar. Fragmente ähnlicher Kettengehänge fand man zwar schon 1837 am Abhang des Hohenneuffen bei Nürtingen, im südbadischen Bad Säckingen-Wallbach und zuletzt bei Offenburg. Doch wie eine solche Kette komplett aussieht, weiß man erst seit dem Fund aus der Kiesgrube nördlich von Karlsruhe.

Die exakte Tragweise der 280 Gramm schweren Kette, die mit kreuzförmigen Endstücken versehen ist, konnten die Archäologen ebenso wenig ermitteln, wie die Verwendung des 20 Zentimeter langen Keilerhauers. Vermutlich waren es Schmuckstücke, worauf ähnliche Gegenstände aus französischen Gräbern hindeuten. Eine direkte Parallele für die prächtige Fassung des mächtigen Keilerhauers ist weltweit nicht bekannt: Er ist teilweise mit einer Manschette aus Bronzeblech eingehüllt und mit einem kunstvollen Rahmenwerk aus Bronzedrähten verziert. 17 Anhänger aus Bronzeblech, die an der Unterseite befestigt sind, könnten Menschengestalten darstellen. ¸¸Ein Fund, den ein Archäologe im Berufsleben nur einmal macht'', sagte Behrends, der in drei Wochen pensioniert wird, bei der Übergabe an das Badische Landesmuseum in Karlsruhe.

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