Stuttgarter Zeitung sonstige Kreis-Seiten 12.11.1999



Backnangs Schultes kriecht zu Kreuze

Kleindenkmal steht wieder

BACKNANG. Jeder hat sein Kreuz zu tragen, sagt der Volksmund. Diese Erfahrung musste auch der Oberbürgermeister von Backnang (Rems-Murr-Kreis), Jürgen Schmidt, machen. Nun weiß er, dass nicht jedes Kreuz, das in der Landschaft steht, etwas mit Satanskult zu tun hat.

Von Ottmar Letzgus

Ja, ja, die etwas seltsame Geschichte mit dem Sühnekreuz im Plattenwald ist dem Backnanger Stadtschultheißen arg ins Kreuz gefahren. Man erinnert sich: Im August hatte das Verschwinden des steinernen Kreuzes für Aufsehen in der Stadt gesorgt, handelte es sich doch um ein geschütztes Kleindenkmal, das an eine grausige Bluttat vor einigen hundert Jahren erinnerte. Für den Rathausregenten Schmidt endete die Kreuzsuche zwar unblutig, aber keineswegs kreuzfidel, denn nach vielen Recherchen kreuz und quer stellte sich heraus, dass kein anderer als er selbst der Denkmal- und Kruzifixfrevler war.

Es war Sommer, und der OB schwelgte bereits in Urlaubsstimmung, als eine Bürgerin aufgeregt auf dem Rathaus anrief und von teuflischen Umtrieben im Plattenwald berichtete. Die Frau war beim Spazierengehen auf besagtes Sühnekreuz gestoßen: Es stand ganz schräg da, war beschmiert und irgendjemand hatte das Wort Satan in den Stein geritzt. Den Verdacht, dass da vielleicht schwarze Messen im städtischen Tann gefeiert wurden, wollte OB Schmidt nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schwarz gewandete Satansbrüder, die im Plattenwald einen dämonischen Ringelpiez veranstalten und dabei satanische Verse zitieren, derlei Umtriebe galt es im Keim zu ersticken. Und so schritt Schmidt, teuflisch entschlossen, zur Tat und ordnete die Beseitigung des Steinkreuzes an, um dann in der Gewissheit in den Urlaub zu fahren, Backnang vor unchristlichem Mumpitz gerettet zu haben.

Die Sache, von der nur ganz wenige wussten, wurde öffentlich ruchbar, als ein Backnanger das Fehlen des Kreuzes bemerkte und Alarm schlug. Da wurde dann auch publik, dass OB Schmidt, von Natur aus ein kreuzfideler Zeitgenosse, der eigenmächtige Initiator der Nacht-und-Nebel-Aktion war. Mit knapper Not entging das auf dem Bauhof zwischengelagerte Sühnekreuz einer endgültigen Entsorgung auf dem Müll.

OB Schmidt, der sich damit entschuldigte, nichts von der Denkmaleigenschaft des Sühnekreuzes gewusst zu haben, musste sich im Technischen Ausschuss einem hochnotpeinlichen Kreuzverhör unterziehen, denn einige Ratsherren hatten kreuznarret auf Schmidts Kreuzdemontage reagiert. Da sei wohl etwas schief gelaufen, gestand der Stadtchef etwas kleinlaut.

Mittlerweile ist das Sühnekreuz repariert worden, und es nimmt wieder seinen alten Platz im Plattenwald ein. Kreuzbrav nahm Oberbürgermeister Jürgen Schmidt an der Wiedererrichtung teil. Aber er war im roten Anorak gekommen und nicht im Büßerhemd. Das Kreuz auf sich zu nehmen und es demütig mit eigener Muskelkraft an seinen angestammten Ort zu wuchten, so weit ging Schmidts Bußfertigkeit dann doch nicht.

Atrikelübersicht


© 1999 Stuttgarter Zeitung, Germany