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Backnangs Schultes kriecht zu Kreuze Kleindenkmal steht
wieder
BACKNANG. Jeder hat sein Kreuz zu tragen, sagt der Volksmund.
Diese Erfahrung musste auch der Oberbürgermeister von Backnang
(Rems-Murr-Kreis), Jürgen Schmidt, machen. Nun weiß er, dass nicht
jedes Kreuz, das in der Landschaft steht, etwas mit Satanskult zu tun hat.
Von Ottmar Letzgus
Ja, ja, die etwas seltsame Geschichte mit dem Sühnekreuz im
Plattenwald ist dem Backnanger Stadtschultheißen arg ins Kreuz gefahren.
Man erinnert sich: Im August hatte das Verschwinden des steinernen Kreuzes
für Aufsehen in der Stadt gesorgt, handelte es sich doch um ein
geschütztes Kleindenkmal, das an eine grausige Bluttat vor einigen hundert
Jahren erinnerte. Für den Rathausregenten Schmidt endete die Kreuzsuche
zwar unblutig, aber keineswegs kreuzfidel, denn nach vielen Recherchen kreuz
und quer stellte sich heraus, dass kein anderer als er selbst der Denkmal- und
Kruzifixfrevler war.
Es war Sommer, und der OB schwelgte bereits in Urlaubsstimmung,
als eine Bürgerin aufgeregt auf dem Rathaus anrief und von teuflischen
Umtrieben im Plattenwald berichtete. Die Frau war beim Spazierengehen auf
besagtes Sühnekreuz gestoßen: Es stand ganz schräg da, war
beschmiert und irgendjemand hatte das Wort Satan in den Stein geritzt. Den
Verdacht, dass da vielleicht schwarze Messen im städtischen Tann gefeiert
wurden, wollte OB Schmidt nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schwarz
gewandete Satansbrüder, die im Plattenwald einen dämonischen
Ringelpiez veranstalten und dabei satanische Verse zitieren, derlei Umtriebe
galt es im Keim zu ersticken. Und so schritt Schmidt, teuflisch entschlossen,
zur Tat und ordnete die Beseitigung des Steinkreuzes an, um dann in der
Gewissheit in den Urlaub zu fahren, Backnang vor unchristlichem Mumpitz
gerettet zu haben.
Die Sache, von der nur ganz wenige wussten, wurde öffentlich
ruchbar, als ein Backnanger das Fehlen des Kreuzes bemerkte und Alarm schlug.
Da wurde dann auch publik, dass OB Schmidt, von Natur aus ein kreuzfideler
Zeitgenosse, der eigenmächtige Initiator der Nacht-und-Nebel-Aktion war.
Mit knapper Not entging das auf dem Bauhof zwischengelagerte Sühnekreuz
einer endgültigen Entsorgung auf dem Müll.
OB Schmidt, der sich damit entschuldigte, nichts von der
Denkmaleigenschaft des Sühnekreuzes gewusst zu haben, musste sich im
Technischen Ausschuss einem hochnotpeinlichen Kreuzverhör unterziehen,
denn einige Ratsherren hatten kreuznarret auf Schmidts Kreuzdemontage reagiert.
Da sei wohl etwas schief gelaufen, gestand der Stadtchef etwas kleinlaut.
Mittlerweile ist das Sühnekreuz repariert worden, und es
nimmt wieder seinen alten Platz im Plattenwald ein. Kreuzbrav nahm
Oberbürgermeister Jürgen Schmidt an der Wiedererrichtung teil. Aber
er war im roten Anorak gekommen und nicht im Büßerhemd. Das Kreuz
auf sich zu nehmen und es demütig mit eigener Muskelkraft an seinen
angestammten Ort zu wuchten, so weit ging Schmidts Bußfertigkeit dann
doch nicht. |