Schicksal der Weberei hängt am seidenen Faden. Ein Komplex
aus der Gründerzeit mit SeltenheitswertKompromiss auf dem
Otto-Areal: Ein Teil des Industriedenkmals darf jetzt abgerissen werden
Wendlingen - Nach jahrelangem Hin und Her half nur noch ein
Kompromiss: Ein Teil der historisch überaus bedeutenden und
denkmalgeschützten Fabrikgebäude auf dem Otto-Areal darf abgerissen
werden, ein anderer Teil genießt Bestandsschutz.
VON ANNETTE MOHL
Der Präsident des Landesdenkmalamts, Professor Dieter Planck,
machte sich am gestrigen Mittwoch persönlich auf den Weg nach Wendlingen.
Schließlich wurde dort über ¸¸ein hochkarätiges
Ensemble, wie es nur wenige im Land gibt'' entschieden. Es stammt von zwei der
bedeutendsten Industriearchitekten um die Jahrhundertwende: Tafel und seinem
Schüler Manz. ¸¸Die Qualität des Gesamtkulturdenkmals ist
unbestritten'', versicherte Planck.
Dem geschäftsführenden Gesellschafter der Firma HOS
(Heinrich Otto und Söhne) ist der Wert des Denkmals aus der
Gründerzeit sehr wohl bewusst. Und doch stellte sein Unternehmen beim
Landratsamt Antrag auf Abbruch. Das neun Hektar große Gelände sei
mit der jetzigen Bebauung praktisch nicht zu vermarkten. Ein großes
Möbelhaus habe mehrfach Interesse bekundet und abgewiesen werden
müssen. Und selbst auf Debitel hätte man sich bei der hohen
Standortgunst des Duos Wendlingen/Köngen Hoffnungen machen können,
wenn das Gelände frei wäre, meint Knauer.
Das Landratsamt allerdings, über konkrete Pläne von dem
Unternehmen nicht unterrichtet, sah keinen Anlass, dem Abbruch zuzustimmen.
Ablehnende Bescheide kamen insbesondere für das Herzstück, die
Spinnerei, aber auch für die Weberei, das Kessel- und Turbinenhaus, das
Bergmann-Turbinenhaus und das alte Portierhaus. Die Firma entschloss sich
daraufhin, das Regierungspräsidium um Schlichtung zu bitten.
Das ist nun gelungen. Gestern unterzeichneten
Regierungspräsident Udo Andriof, Landrat Hans Peter Braun und die
Firmen-Gesellschafter einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, in dem die
Zukunft für jedes einzelne Gebäude geregelt ist. Einzig das Schicksal
der Weberei hängt noch am seidenen Faden: Sollte für sie bis August
kein Nutzer gefunden werden, ¸¸müssen wir auf dieses Denkmal
verzichten'' ( Braun). Der Landrat hat aber alle Hebel in Bewegung gesetzt, um
dies zu verhindern: ¸¸Wir nutzen auch alle Möglichkeiten, die
uns die Region bietet.''
Ob und wie das einst bedeutendste Textilunternehmen des mittleren
Neckarraums das Gelände künftig selbst nutzen will, ist noch offen.
Inzwischen befindet sich am Neckarufer nur noch die Verwaltung für die
produzierenden Betriebe in Offenburg/Baden und Wangen/Allgäu mit 400
Beschäftigten. Udo Andriof hofft durch den Vertrag auf eine
¸¸hochwertige, sinnvolle Nutzung auf lange Zeit''. Zumindest biete
er dem Unternehmen eine sichere Planungsgrundlage.Vor über 100 Jahren
wurde das Industrieensemble beim Wendlinger Bahnhof gebaut. Weil der gesamte
Gründerzeit-Komplex als Denkmal anerkannt war, wurden potenzielle
Investoren abgeschreckt. Jetzt genießt nur noch ein Teil Bestandsschutz.
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