Stadt will Villa Gemmingen versilbernDenkmalamt zieht im
Jahr 2002 aus - Noch kein Konzept für künftige Nutzung
Der Wegzug des Landesdenkmalamtes ins ehemalige
Schelztor-Gymnasium in Esslingen ist beschlossene Sache. Was von 2002 an mit
der Villa Gemmingen in der Mörikestraße, bisheriges Hauptdomizil der
Behörde, geschieht, steht dagegen in den Sternen.
VON CLAUS HAUENSCHILD
Bis zum Sommer will Wirtschaftsbürgermeister Dieter Blessing
ein Nutzungskonzept für die größte und schönste noch in
städtischem Besitz befindliche Villa aus der Gründerzeit vorlegen.
Die Verwaltung liebäugelt mit einem Verkauf dieses
¸¸Tafelsilbers''. Schon seit vielen Jahren lässt es sich die
Stadtverwaltung angelegen sein, Villen in schöner Lage
¸¸behördenfrei'' zu machen. Blessing: ¸¸Es gibt
Anfragen, aber wir können uns noch Zeit lassen.'' Allerdings will sich die
Stadt eine Nutzung für bestimmte Veranstaltungen vertraglich vorbehalten.
Die letzte Entscheidung fälle freilich der Gemeinderat. Zuvor allerdings
sollen die betroffenen Ausschüsse in die Überlegungen der Verwaltung
einbezogen werden.
Stadtrat Michael Kienzle von Bündnis 90/Die Grünen sieht
die Verhandlungen dagegen schon ziemlich weit fortgeschritten. Eigentlich warte
er schon seit Januar darauf, dass das Thema im Wirtschaftsausschuss auf der
Tagesordnung erscheine. Der Grünen-Stadtrat schätzt, dass sich der
Wirtschaftsbürgermeister erst dann aus der Deckung begibt, wenn er einen
handfesten Vorschlag machen kann.
Kienzle und seine Fraktion haben denn auch vorsorglich den Antrag
gestellt, die Villa, das Torhaus und den Park nicht zu veräußern
oder auf Dauer gewerblich zu vermieten. Ihnen schwebt vielmehr eine museale
Nutzung vor, zusammen mit dem in der Nachbarschaft angesiedelten
städtischen Lapidarium. Kulturelle Veranstaltungen der Innenstadtbezirke
könnten ebenfalls in der Villa stattfinden. Auch könnte die
Stadtgeschichtliche Sammlung, bisher im Tagblatt-Turm der Öffentlichkeit
zugänglich, an der Mörikestraße eine Bleibe finden, lässt
Kienzle seinen Gedanken freien Lauf. Da im Tagblatt-Turm kein Platz mehr
für die Ausstellung ist und im Wilhelmspalais frühestens dann, wenn
die Stadtbücherei den geplanten Neubau auf dem Stuttgart-21-Areal bezogen
hat, würde die ausstellungslose Zeit durch einen Umzug in die Villa
wesentlich verkürzt.
Schon gleich gar nicht wollen die Grünen, dass der zur Villa
gehörende Park der Öffentlichkeit durch einen Verkauf vorenthalten
wird. Über einen Zugang und eine Bewirtschaftung müsse man reden.
Viele Vorschläge sind in den letzten Jahren für die
Nutzung der 1856 für den Stuttgarter Bankier und Kaufmann Friedrich Kapff
erbauten Villa gemacht worden: Das Literaturhaus, das im Bosch-Areal einziehen
wird, war ebenso im Gespräch wie ein Museum, das der Stuttgarter
Auktionator und Kunstsachverständige Gert K. Nagel für seine eigene
Sammlung sucht. Denn es war von Anfang an klar, dass der Mietvertrag mit dem
Landesdenkmalamt nicht über das Jahr 2002 hinaus verlängert wird.
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