Anthroposophen wehren sich gegen Verkauf der Villa
KühnDie Gründerin der Eurythmie lebte dort bis 1994 - Verein
benötigt Spenden: Gelände kostet 1,2 Millionen Mark
Köngen, Kreis Esslingen - Seit den 20er Jahren ist
Köngen ein Zentrum der Anthroposophen. Else Klink, die Gründerin der
Eurythmie-Bewegung, lebte bis zu ihrem Tod 1994 in der Villa Kühn. Der
Kulturförderungsverein will den Jüngern der Steiner-Lehre das
Baudenkmal auf Dauer erhalten. Doch der Verkauf scheint perfekt: Ein
Stuttgarter Architekt will dort einziehen und in dem Parkgelände
Reihenhäuser bauen.
VON ANNETTE MOHL
Als Emil Kühn in den 20er Jahren eine Behr-Tochter heiratete,
wurde er nicht nur Direktor der Möbelfirma, sondern auch Anthroposoph:
Seine Frau arbeitete im ¸¸Säle'' im Hochparterre der Villa
schon damals pädagogisch auf Basis der Steiner-Lehre. Als Kühn 1968
starb wurde die nach ihm benannte Stiftung gegründet. Die Villa wird bis
heute durch diese Stiftung erhalten.
Else Klink war eine beeindruckende Persönlichkeit. Bis zum
sechsten Lebensjahr wuchs sie auf Kabakada auf, einer Neuguinea-Insel. Ihr
Vater war während der Kolonialzeit dorthin ausgewandert. Doch er kehrte
nur mit Tochter Else zurück: Seine Frau, eine Ureinwohnerin der Insel,
blieb im Busch. In Stuttgart besuchte das Mädchen die erste Waldorfschule
auf der Uhlandshöhe. Dort entschied Rudolf Steiner, dass ihr bestimmte
intellektuelle Fächer erspart bleiben sollten, um sie frei zu halten
für die Bewegung.
Das von ihr später in Stuttgart gegründete
Eurythmäum wurde im Krieg geschlossen. Emil Kühn holte Else Klink
nach Köngen, damit sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte. Zunächst
unterrichtete sie in einer Baracke, bis der Verein 1974 im Parkgelände das
Eurythmie-Studio einweihte. Dort absolvierten bis heute 250 Studenten das
Einführungsseminar Sprachgestaltung und Eurythmie. Doch die Zeiten haben
sich geändert: Bundesweit gibt es mittlerweile ähnliche
Fortbildungsstätten. Das Kursangebot im Köngener Studio ist deshalb
zurückgegangen und richtet sich derzeit nur an Laien.
Das wollen der Kulturförderungsverein und die Stiftung
ändern. Allerdings auf unterschiedliche Weise. Der Stiftungsrat sieht die
Lösung im Verkauf der Villa: Von den Einnahmen soll sich das
Eurythmie-Studio tragen. Der Käufer würde allerdings drei
Reihenhäuser und später ein Mehrfamilienhaus im Parkgelände
bauen und veräußern, um die Renovierung der Villa zu
finanzieren.
Diese Bebauung will der Kulturförderkreis verhindern, indem
er selbst das Gelände kauft. Die Kosten von 1,2 Millionen Mark
übersteigen jedoch bei weitem das Vereinsbudget: Man hofft auf Spenden.
Brigitte Greiner, die zweite Vorsitzende, fände es jammerschade, den alten
Baumbestand zu opfern. Schon weil eine der derzeitigen Mieterinnen der Villa
ein anthroposophisch ausgerichtetes Baumpflegeprojekt mit Jugendlichen starten
will. Die vom Verein gegründete Initiative zur Rettung der Villa soll das
gesamte Ensemble im Park schützen: Villa, Studio und das
Otto-Rennefeld-Haus. Die Frau des blinden Dichters Rennefeld praktizierte bis
in die 60er Jahre in Köngen als Ärztin. Auch sie war Anthroposophin:
1921 besuchte sie in Berlin den Ärzekongress unter Rudolf Steiner.
|