Gnadenfrist für alte Weberei auf Otto-Areal Ein
Vertrag teilt die Gebäude des Wendlinger Industriedenkmals in Kategorien
ein
WENDLINGEN. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag soll die
künftige Nutzung des Wendlinger Otto-Areals erleichtern (Kreis Esslingen).
Die Vereinbarung enthält für 22 Gebäude oder Gebäudeteile
verbindliche Qualifizierungen.
Von Gunther Nething
Das 85000 Quadratmeter große Gelände hatte vor
geraumer Zeit für Schlagzeilen gesorgt, als die Eigner mit Plänen
für einen Schnäppchenmarkt (¸¸Factory outlet'') an die
Öffentlichkeit traten und in diesem Zusammenhang auch kulturelle und
gastronomische Nutzungspläne für markante, denkmalgeschützte
Gebäude entwickelt worden waren. Das Vorhaben scheiterte an der
Gesetzeslage, und als die Vermarktungsgesellschaft HOS beim Landratsamt
für insgesamt ein Dutzend Objekte Abrissanträge gestellt hatte, kam
sie mit sieben Anlagen durch, bei fünf biss sie wegen des Denkmalschutzes
auf Granit.
Prompt folgte der Widerspruch des Unternehmens, und das
Regierungspräsidium (RP) hatte zu entscheiden. Die Oberbehörde, so
gestern Regierungspräsident Udo Andriof bei der Vertragsunterzeichnung,
wollte dabei der Firma nochmals die Chance einräumen, anhand von
Wirtschaftlichkeitsberechnungen ihre Sichtweise darzustellen. Als Folge des
Widerspruchsverfahrens ist der Abbruch des Kessel- und Turbinenhauses genehmigt
worden, der Weberei hat man eine Gnadenfrist eingeräumt: Findet sich bis
Ende August kein Nutzer, so droht auch hier die Abrissbirne.
Gerade die Weberei aber ist nach Einschätzung von Professor
Dieter Planck, dem Chef des Landesdenkmalamts, das
¸¸Herzstück'' eines auch sonst
¸¸hochkarätigen Ensembles''; so trage beispielsweise die
Spinnerei, die laut Vertrag bis auf den Anbau erhalten werden muss, die
Handschrift des bekannten Industriearchitekten Manz. Planck war mit bei der
Vertragsunterzeichnung im ebenfalls zu erhaltenden Verwaltungsgebäude; von
der ¸¸Presseöffentlichkeit'' wiederum verspricht sich RP-Chef
Andriof eine große Resonanz, die dann auch der Weberei Interessenten
verschafft.
Landrat Hans Peter Braun kritisierte unüberhörbar, dass
die Firma HOS ihre Berechnungen nicht schon früher eingereicht habe,
nunmehr aber stehe man hinter der Sache. Ebenso wertete Wendlingens
Bürgermeister Andreas Hesky den Vertrag als eine ¸¸Basis,
über die man froh sein'' könne. Und auch der
geschäftsführende HOS-Gesellschafter Armin Knauer zeigte sich
¸¸froh und zufrieden mit der rechtlichen Klarstellung''. Sein
Unternehmen stelle sich ¸¸der Pflicht, ein Denkmal zu erhalten'',
aber man dürfe beispielsweise bei der Nutzung der Weberei als Galerie die
Stadt Wendlingen nicht mit Stuttgart-Mitte verwechseln.
Schmunzeln erweckte Knauer mit seiner Forderung nach einer
größeren kommunalen Einheit, einer Art Neckarstadt. Wo doch noch
nicht einmal jeder Unterboihinger selbst nach 60 Jahren den Verlust der
Selbstständigkeit verschmerzt hat. |