Stuttgarter Zeitung Stuttgart 29.1.2000



"Würde des Platzes nicht beeinträchtigen''

Ein Diskussionsbeitrag zum Umgang mit dem Neuen Schloss, seinem Innenhof und der Umgebung

Herbert Fecker, 76, war fast zwei Jahrzehnte lang als Ministerialdirigent und Leiter der Bauabteilung des Finanzministeriums oberster Bauherr des Landes. Hier seine Meinung zum Schlossplatz.

Stuttgart 21 findet am Schlossplatz neben der Absicht, endlich die Lücke zum Kleinen Schlossplatz baulich zu schließen, auch sonst seinen Niederschlag:

>OB Schuster meint, dass nach den Erfahrungen mit dem ¸¸Event'' an Silvester wohl keine neue Fete mehr stattfinden sollte.

>Die Eislauf-Veranstalter in der Westallee streben eine größere Bahn an.

>Martin Hohnecker spricht sich gegen das ¸¸Kleine Spiel'' im Königsbau aus und hofft, dass sich OB Schuster und das für den Königsbau zuständige Land Sinn für die Pietät und das Passende bewahrt haben.

Ich möchte die Quintessenz von Hohnecker aufgreifen und auf den ganzen Bereich ausdehnen. Belebung durch ¸¸Events'' ist heute die Parole. Darüber vergisst man, dass wir mit Schlossplatz und Schillerplatz ¸¸Dauerevents'' haben, um die uns viele beneiden.

Wie stolz waren die Stuttgarter, als der Schlossplatz und das Neue Schloss im Zusammenhang mit der Bundesgartenschau 1977 wieder ihr historisches Gepräge erhielten und gemeinsam mit dem Schillerplatz für die Bürger und Besucher als öffentliche Räume ¸¸Highlights'' der Stadt geworden waren.

Die Leistungen des Gemeinwesens über die Jahrhunderte hinweg, seine Baukultur, seine öffentliche Funktion, die Noblesse des Ganzen erschließen sich im Gegensatz zur Geschäftigkeit der City in fast einmaliger Weise. Wahrlich - als ¸¸Sachgesamtheit'' ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung.

Die Generation der Macher heute hat dafür keinen Sinn. Stadtqualität ist für sie allein die Möglichkeit der Vermarktung. Aktivitäten jeder Art sollen Aufwertung bewirken. Begonnen hat dies bereits 1993 mit dem Containerdorf des Künstlers Flatz im Schlosshof, der seither primär als Kulisse herhalten muss. Es ist ein Glück, dass wenigstens der Gemeinderat die Innovationskugel der Wirtschaft verhindert hat. Die Geschäfte im Königsbau quellen immer weiter auf den Vorraum hinaus, und nun endet das Spektakel zunächst mit der Preisgabe des empfindlichsten öffentlichen Raumes der Landeshauptstadt an Privatunternehmer für deren Eislaufbahn. Kein Verantwortlicher nahm Anstoß an dem Budenauftakt und dem Betriebszubehör, das die Baumrabatte beansprucht und in unerträglicher Weise die Bedeutung der Allee und die Würde des Platzes beeinträchtigt.

Es ist höchste Zeit, dass die Mahnung Martin Hohneckers insgesamt aufgegriffen wird und die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung veranlasst, bei öffentlichen Anlagen und Gebäuden die Grenzen des Zulässigen zu fixieren. Dafür sollten strenge Maßstäbe angelegt werden, welche auch Politiker anerkennen sollten. Die Entscheidung darf nicht den PR-Strategen und den Vermarktern überlassen werden.

¸¸Kulturdenkmale hat, wer Kultur hat'', postulierte ein italienischer Referent bei seinem Auftritt im Kongress Stadt, Kultur, Natur. Und Goethe hat im ¸¸Faust'' gemahnt: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!

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