Fundamente aus dem Mittelalter entdeckt Bauarbeiten in
der Stiftskirche
Steinerne Zeugnisse vom Aufstieg der Stadt: Unter den alten
Bodenplatten der Stiftskirche sind zwei Pfeilerfundamente einer
spätromanischen Basilika zum Vorschein gekommen. Der Bauleiter
schätzt die Steinblöcke auf die Zeit um 1260.
Von Daniela Mack
Links liegt schon die neue Kiesschicht auf dem Boden, rechts
klafft ein großes Loch. Der Blick fällt auf zwei massige
Steinblöcke. Bei den Renovierungsarbeiten an Stuttgarts ältester
evangelischer Kirche sind zwei Fundamente entdeckt worden: Sie trugen einst die
Mittelschiffspfeiler des Langhauses und wurden beim Bau der
spätromanischen Basilika gelegt. Diese ersetzte die um 1175 bezeugte, zu
eng gewordene Dorfkirche und wurde ihrerseits im 15. Jahrhundert im gotischen
Stil erweitert. Anhand der Fundamente ließen sich jetzt Grundriss und
Ausmaß des Vorgängerbaus exakt feststellen, sagt der Bauleiter
Ludger Schmidt.
Bisher sind die Arbeiter nur vereinzelt auf Reste der
Vergangenheit gestoßen. Ein paar Knochen wurden auf der Südseite des
Baus gefunden, aber das ist kein Wunder, denn die Stiftskirche war eine
bedeutende Grabstätte. Weitere Entdeckungen dürften kaum zu erwarten
sein, meint Schmidt, denn die Arbeiten an der Sohle des neuen Bodens seien
bereits in vollem Gang. Mit Hartmut Schäfer vom Landesdenkmalamt sei
vereinbart worden, nicht mit großem Aufwand nach Gebeinen oder
Fundamenten zu suchen. Man beschränke sich auf jene Überreste, die im
Zuge der Sanierung ohnehin zum Vorschein kämen.
In der "ausgebeinten'' Kirche sind die Blickachsen besonders gut
zu sehen. In den 50er Jahren wurde die im Bombenhagel von 1944 zerstörte
Stiftskirche als Predigthalle wieder aufgebaut: mit den beiden Schwerpunkten
Kanzel und Altar. Während der Altar im Zuge der Renovierung in die Mitte
des Langhauses rückt, bleibt die Kanzel von 1958 bestehen - und mit ihr
die Diagonale zur über Eck angelegten Empore.
Man werde mit dem Umbau keinesfalls die 50er Jahre
auslöschen, betont Schmidt. Damals habe man ja auch nicht die Wunden des
Krieges durch einen Wiederaufbau nach dem historischen Vorbild kaschieren
wollen. Vielmehr habe man, so sein Eindruck, die Zerstörung als
"Gottesgericht'' und das neue Gotteshaus mit all seinen Brüchen als
"Buße'' gesehen. Vor einem halben Jahr hat die 17 Millionen Mark teure
Sanierung begonnen. Für die umfangreichen Maßnahmen - vor allem am
alten Dach und an der völlig neuen Decke - ist ein weiteres Jahr
veranschlagt. Bis jetzt liege man recht gut im Zeitplan, so Schmidt. Die
Asbestsanierung, die bald abgeschlossen sein soll, habe die Arbeiten etwas
zurückgeworfen.
Der leitende Architekt Bernhard Hirche aus Hamburg misst den
mittelalterlichen Pfeilerfundamenten ¸¸nicht allzu viel
Aussagekraft'' bei, wie er sagt. Dennoch überlege er, umzuplanen und
zumindest ein Fundament im ausgebauten Untergeschoss zu zeigen,
¸¸als Spur der Zeit''.
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