Stuttgarter Zeitung Stuttgart 3.2.2000



Fundamente aus dem Mittelalter entdeckt

Bauarbeiten in der Stiftskirche

Steinerne Zeugnisse vom Aufstieg der Stadt: Unter den alten Bodenplatten der Stiftskirche sind zwei Pfeilerfundamente einer spätromanischen Basilika zum Vorschein gekommen. Der Bauleiter schätzt die Steinblöcke auf die Zeit um 1260.

Von Daniela Mack

Links liegt schon die neue Kiesschicht auf dem Boden, rechts klafft ein großes Loch. Der Blick fällt auf zwei massige Steinblöcke. Bei den Renovierungsarbeiten an Stuttgarts ältester evangelischer Kirche sind zwei Fundamente entdeckt worden: Sie trugen einst die Mittelschiffspfeiler des Langhauses und wurden beim Bau der spätromanischen Basilika gelegt. Diese ersetzte die um 1175 bezeugte, zu eng gewordene Dorfkirche und wurde ihrerseits im 15. Jahrhundert im gotischen Stil erweitert. Anhand der Fundamente ließen sich jetzt Grundriss und Ausmaß des Vorgängerbaus exakt feststellen, sagt der Bauleiter Ludger Schmidt.

Bisher sind die Arbeiter nur vereinzelt auf Reste der Vergangenheit gestoßen. Ein paar Knochen wurden auf der Südseite des Baus gefunden, aber das ist kein Wunder, denn die Stiftskirche war eine bedeutende Grabstätte. Weitere Entdeckungen dürften kaum zu erwarten sein, meint Schmidt, denn die Arbeiten an der Sohle des neuen Bodens seien bereits in vollem Gang. Mit Hartmut Schäfer vom Landesdenkmalamt sei vereinbart worden, nicht mit großem Aufwand nach Gebeinen oder Fundamenten zu suchen. Man beschränke sich auf jene Überreste, die im Zuge der Sanierung ohnehin zum Vorschein kämen.

In der "ausgebeinten'' Kirche sind die Blickachsen besonders gut zu sehen. In den 50er Jahren wurde die im Bombenhagel von 1944 zerstörte Stiftskirche als Predigthalle wieder aufgebaut: mit den beiden Schwerpunkten Kanzel und Altar. Während der Altar im Zuge der Renovierung in die Mitte des Langhauses rückt, bleibt die Kanzel von 1958 bestehen - und mit ihr die Diagonale zur über Eck angelegten Empore.

Man werde mit dem Umbau keinesfalls die 50er Jahre auslöschen, betont Schmidt. Damals habe man ja auch nicht die Wunden des Krieges durch einen Wiederaufbau nach dem historischen Vorbild kaschieren wollen. Vielmehr habe man, so sein Eindruck, die Zerstörung als "Gottesgericht'' und das neue Gotteshaus mit all seinen Brüchen als "Buße'' gesehen. Vor einem halben Jahr hat die 17 Millionen Mark teure Sanierung begonnen. Für die umfangreichen Maßnahmen - vor allem am alten Dach und an der völlig neuen Decke - ist ein weiteres Jahr veranschlagt. Bis jetzt liege man recht gut im Zeitplan, so Schmidt. Die Asbestsanierung, die bald abgeschlossen sein soll, habe die Arbeiten etwas zurückgeworfen.

Der leitende Architekt Bernhard Hirche aus Hamburg misst den mittelalterlichen Pfeilerfundamenten ¸¸nicht allzu viel Aussagekraft'' bei, wie er sagt. Dennoch überlege er, umzuplanen und zumindest ein Fundament im ausgebauten Untergeschoss zu zeigen, ¸¸als Spur der Zeit''.

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