Stuttgarter Zeitung Südwestdeutsche Zeitung 18.3.2000



Limes wird Kulturerbe der Welt

UNESCO entscheidet erst 2004

 

Das größte Bodendenkmal Europas, den obergermanisch-rätischen Limes, der vor 1800jahren die Grenze des Römerreiches markiert hat, wollen vier Bundesländer als Weltkulturerbe unter den besonderen Schutz der UNESCO stellen. Die Koordination des Projekts obliegt dem Land Baden-Württemberg.

Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sind übereingekommen, im Jahr 2003 bei der UNESCO in Paris gemeinsam einen Antrag zu stellen, Europas größtes Bodendenkmal in die Liste der Weltkulturdenkmäler aufzunehmen. Den Anstoß hatte Hessen gegeben, wo man auf die Hadriansmauer in Großbritannien schielte, die bereits seit 13 Jahren zum Weltkulturerbe gehört. Es sei zudem an der Zeit, dass auch in Deutschland ein archäologisches Denkmal in die Liste der Weltkulturgüter von »außergewöhnlichem universellem Wert« aufgenommen wird, argumentieren die Archäologen.

Der obergermanisch-rätische Limes ist in seinem Endausbau, als das Römerreich die größte Ausdehnung hatte, 550 Kilometer lang. Die gewaltigen Dimensionen mindern aber die Chancen nicht, denn der Trend geht weg von der Auszeichnung eines Einzeldenkmals und hin zur Kulturlandschaft. Voraussetzung für den Eintrag als Weltkulturerbe ist aber eine genaue Zustandsbeschreibung des Kulturdenkmals und eine Wertung seiner Bedeutung.

Die vier Bundesländer haben deshalb beschlossen, mit eigens angestellten Kräften den ganzen obergermanisch-rätischen Limes und den Grenzbereich mit den zugehörigen Kastellen und Wachtürmen Meter für Meter abzugehen. In Karten bis hinab zu einem Maßstab von 1: 10.000 werden Bestand, exakter Verlauf und Zustand der Limesreste dokumentiert. Beschreibungen und Fotos ergänzen das Werk, das später auch in Buchform erscheinen soll. Die Arbeiten, die im Sommer beginnen werden, orientieren sich an dem großen wissenschaftlichen Standardwerk »Der Obergermanisch-Rätische Limes«, das freilich bis zu hundert Jahre alt und damit in großen Teilen überholt ist.

Koordinationsstelle ist das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, das auch federführend für das Vorhaben ist. Seit dem 1. März ist dort der Archäologe Andreas Thiel tätig. Er wird gemeinsam von allen vier Ländern bezahlt. Die Kosten am Gesamtprojekt tragen die Länder gemäß ihrem Anteil am Limes. Insgesamt soll es mehr als 700.000 Mark kosten. Eine knappe Dreiviertelmillion Mark, das ist eine bescheidene Summe, wenn man sie mit den mehr als zwei Millionen Pfund Sterling vergleicht, die für den viel kürzeren Hadrianswall aufgewandt wurden.

Die Limesstrecke in Baden-Württemberg ist die längste, 164 Kilometer, was einem Anteil von 29,8 Prozent entspricht. Bayern mit seinen 158 Kilometer Limes beteiligt sich mit 28,7 Prozent an den Kosten. Hessen hat 152 Kilometer Limes und kommt damit auf einen Anteil von 27,8 Prozent. Nur 75 Kilometer lang ist der römische Grenzwall in Rheinland-Pfalz, das deshalb nur etwa 13,7 Prozent der Kosten trägt.

Das entstehende Limeswerk ist von bleibendem Wert. Die Länder erwarten von der Auszeichnung zudem eine massive Förderung des Tourismus. Das Prädikat Weltkulturerbe hatte dem Hadrianswall einen wachsenden Strom von Touristen gebracht und ebenso Maulbronn, als die Klosteranlage 1993 in die Liste aufgenommen wurde. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Verein Deutsche Limesstraße ist vorgesehen. In Baden-Württemberg und Bayern und streckenweise auch in Hessen sind die Wanderwege entlang des Limes bereits ausgeschildert. In Hessen und in Baden-Württemberg liegen besonders gut erhaltene Streckenabschnitte.

Schließlich erwarten sich die Länder einen zusätzlichen Schutz des Kulturdenkmals. Das UNESCO-Prädikat ist von gewissem Gewicht, gerade in den Ländern, deren Denkmalschutzgesetze sonst einen großzügigen Umgang mit dem Kulturerbe erlauben. Schließlich hat Deutschland 1976 die Konvention zum Schutz des Kulturerbes unterzeichnet und sich verpflichtet, die in der World Heritage List eingetragenen Denkmäler zu erhalten.


Der Limes

Der obergermanisch-rätische Limes hat das römische Weltreich zur Zeit seiner größten Ausdehnung gegen das freie Germanien hin abgegrenzt. Dieser Limes hatte eine Länge von 550 Kilometern, besass rund 100 Kastelle und noch einmal so viele Feldwachen, sowie etwa 900 Wachtürme. Der obergermanische Limes beginnt bei Rheinbrohl, wo der Vinxtbach in den Rhein mündet. Der Bachlauf bildete die Grenze zwischen den römischen Provinzen Nieder- und Obergermanien. Im Rotenbachtal bei Schwäbisch Gmünd, wo die Provinzen Obergermanien und Rätien aneinander stießen, beginnt der rätische Limes. Er endet nahe Regensburg, bei Hienheim an der Donau.

Mit dem Bau des Limes ist in seinen nördlichen Teilen bereits Ende des 1. Jahrhunderts begonnen worden. Die Grenzlinie südlich des Mains bis zur Donau ist im Endausbau erst nach der Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden. Sie hatte rund 100 Jahre Gültigkeit. Begonnen hatte es mit einer Schneise durch den Wald, und wo der Grenzweg verlief. Grenzweg ist die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Limes. In Abständen, die eine Sichtverbindung ermöglichten, wurden hölzerne, später steinerne Wachtürme errichtet. Schließlich schützte noch eine Palisade vor einem Graben und einem Erdwall den Grenzweg am obergermanischen Limes.

Der Limes war Demarkationslinie und zugleich Kulturscheide, das ein Gebiet mit hoch stehender antiker Kultur vom »barbarischen« freien Germanien, einem kulturellen Entwicklungsland trennte. Nicht nur die schiere Größe des Limes ist beeindruckend. Auch die technischen Meisterleistungen faszinieren bis heute. Etwa die der römischen Landvermesser, die ohne Theodolith oder Satellitenortung den Grenzwall auf 80 Kilometer Länge (zwischen Walldürn und dem Haghof bei Welzheim) bolzengerade gezogen haben - quer durch die Landschaft, ohne Rücksicht auf die Topographie.

... zum Projekt »Limes in Deutschland«
...über den Fortgang der Arbeiten...
 

Atrikelübersicht


© Stuttgarter Zeitung online - Stuttgart Internet Regional GmbH, 2000