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Die wunderbare Rettung eines verfallenden Schlosses
Wertheim kauft für 1,4 Millionen Mark ehemalige fürstliche
Sommerresidenz - Umbau zum Haus der Kunst geplant
Das Rokokoschlösschen im Wertheimer Eichelhofgarten
gehörte jahrelang zum Treibgut des Denkmalschutzes. Niemand wollte es
haben. Nun ist die Rettung der Immobilie so gut wie sicher.
Von Martin Geier
Wenn jetzt Oberbürgermeister Stefan Gläser seine
Unterschrift unter den Kaufvertrag über das reichlich heruntergekommene
Sommerschlösschen im Wertheimer Eichelhofgarten setzt, kann er sich in der
Stadt am Main als Retter eines Kulturdenkmals von überregionaler Bedeutung
feiern lassen. Gläser setzte damit mit dem Segen des Gemeinderats einem
langen Tauziehen ein Ende, das streckenweise einem Trauerspiel glich.
Um den Gemeinderäten den Kauf der ungeliebten einstigen
Fürstenabsteige schmackhaft zu machen, erinnerte er die Stadträte an
ihre Verantwortung für das kulturhistorische Erbe und listete bei dieser
Gelegenheit auf, welcher Projekte sich Wertheim in der Vergangenheit angenommen
hatte: Erhalt des zisterziensischen Stadthofes und der fürstlichen
Hofhaltung als neues Rathaus, Umbau des historischen Rathauses zum Museum,
Förderung der Klostersanierung in Bronnbach, Umbau des
Hospitalgebäudes zum Kulturhaus, Kauf der bereits von Matthäus Merian
gezeichneten Burgruine für Open-Air-Events und Sanierung eines der
ältesten Gebäude der Stadt, des Hauses der Vier Gekrönten. Und
als bisher letztes Vorhaben der Kauf des vergammelten Lustschlösschens zum
Preis von 1,4 Millionen Mark.
So gesehen könnte man die dritte Amtszeit des
Oberbürgermeisters als jene bezeichnen, in der sich Gläser besonders
mit den kulturellen Belangen in der Stadt auseinander setzt. Und das sind, wie
zuletzt das Rokokoschlösschen, meist fürstliche Hinterlassenschaften.
Doch ehe es zur wunderlichen Rettung des Schlosses kam, hatte sich auch das
Stadtoberhaupt nicht sonderlich für dessen Zukunft interessiert. Erst als
der Abbruchantrag des Hauses Löwenstein-Wertheim-Freudenberg auf dem Tisch
lag, ging Stefan Gläser aus der Deckung und lehnte mitsamt dem Gemeinderat
und dem Denkmalamt im Rücken das Gesuch ab. Seit mehr als zwei Jahren
liegt es beim Regierungspräsidium zur Entscheidung und ist mit der
notariellen Beglaubigung des Kaufvertrags nun zur Makulatur geworden.
Regelrecht verkommen ließ das Fürstenhaus die ganz in
der Nähe ihres Stammschlosses liegende Sommerabsteige ihrer Vorfahren. Was
einst versteckt hinter Bäumen in einem Park lag, grenzt heute unmittelbar
an die stark befahrene Maintalstraße. Wie sauer Bier hat das
Fürstenhaus das zuletzt mit Brettern vernagelte Objekt angeboten - niemand
nahm sich des aus dem 18. Jahrhundert stammenden Schlösschens an.
Das Anwesen hat zwei gravierende Mängel: Es ist als
Spekulationsobjekt denkbar ungeeignet, denn im Flächennutzungsplan der
Stadt ist der Eichelhofgarten nicht als Baugebiet ausgewiesen, und einer
privaten Nutzung stehen ungewöhnlich hohe Sanierungskosten gegenüber.
Das Schlösschen weist nämlich, so stellte ein Gutachten fest,
gravierende Konstruktionsmängel auf, zeigt sichtbare Verformungen und
Fäulnisschäden und steht auf zu schwachen Grundmauern. Der 3,7 Hektar
große Park befindet sich in einem dermaßen desolaten Zustand, dass
er im Gutachten als Unland bezeichnet wird. Alles in allem kostet die
Instandsetzung des Schlösschens zehn Millionen Mark.
Erst als sich der Landeskonservator Franz Meckes um das Schicksal
des Lustschlösschens kümmerte, bekam das Thema Struktur. So etwas wie
beruflicher Ehrgeiz spornte ihn an, alle Möglichkeiten zur Rettung
durchzuspielen, ¸¸denn in 30 Jahren meiner Tätigkeit in
Baden-Württemberg ist noch kein Schloss abgerissen worden''. Jenes im
Wertheimer Eichelhofgarten sollte nicht das erste Beispiel vergeblicher
Mühen werden. Doch die Verhandlungen der Beteiligten waren ebenso
schwierig wie langwierig, weil immer wieder Zweifel über die Finanzierung
und den Kaufpreis aufkamen.
Schließlich setzte Oberbürgermeister Gläser
seinem Duzfreund, dem Fürsten, die Pistole auf die Brust und bot ihm 1,5
Millionen Mark für das verfallende Anwesen. Als Durchlaucht
schließlich vernahm, aus welchen Quellen die Stadt Zuschüsse
schöpfen kann (Sonderprogramm des Landes, deutsche und
baden-württembergische Denkmalstiftung, Ausgleichsstock), wollte der
Fürst das wacklige Gebäude am liebsten selbst sanieren.
Aber da spielte der Konservator Meckes, der ewigen Hinhaltetaktik
müde, nicht mehr mit. Das 1777 erbaute Schlösschen sei
denkmalpflegerisch gesehen der letzte große Problemfall, betonte der
Wertheimer Oberbürgermeister und begründete damit die
Nutzungskonzeption.
Danach wird der Fürstensitz zu einem Haus der Kunst mit 600
Quadratmeter Ausstellungsfläche umgebaut, wobei die Stadt den Neuerwerb
als Stiftung einbringt. Unter der Ägide des Stadtmuseums nimmt es die
Kunstschätze dreier Stiftungen auf, die eines örtlichen Mäzens
und die einer Mannheimer Familie: Gemälde namhafter deutscher
Künstler, die um 1900 in Berlin wirkten, und Bilder von Romantikern, die
Wertheim und Umgebung gemalt haben. "Porcelaine de Paris'' heißt
schließlich die Sammlung von insgesamt 750 Figuren, Tassen, Tellern und
Vasen, die zwischen 1780 und 1835 entstanden sind. Die Stifterin will dann
ihren Wohnsitz von Frankreich nach Wertheim verlegen. |