Stuttgarter Zeitung Südwestdeutsche Zeitung 17.5.2000



Die wunderbare Rettung eines verfallenden Schlosses

Wertheim kauft für 1,4 Millionen Mark ehemalige fürstliche Sommerresidenz - Umbau zum Haus der Kunst geplant

Das Rokokoschlösschen im Wertheimer Eichelhofgarten gehörte jahrelang zum Treibgut des Denkmalschutzes. Niemand wollte es haben. Nun ist die Rettung der Immobilie so gut wie sicher.

Von Martin Geier

Wenn jetzt Oberbürgermeister Stefan Gläser seine Unterschrift unter den Kaufvertrag über das reichlich heruntergekommene Sommerschlösschen im Wertheimer Eichelhofgarten setzt, kann er sich in der Stadt am Main als Retter eines Kulturdenkmals von überregionaler Bedeutung feiern lassen. Gläser setzte damit mit dem Segen des Gemeinderats einem langen Tauziehen ein Ende, das streckenweise einem Trauerspiel glich.

Um den Gemeinderäten den Kauf der ungeliebten einstigen Fürstenabsteige schmackhaft zu machen, erinnerte er die Stadträte an ihre Verantwortung für das kulturhistorische Erbe und listete bei dieser Gelegenheit auf, welcher Projekte sich Wertheim in der Vergangenheit angenommen hatte: Erhalt des zisterziensischen Stadthofes und der fürstlichen Hofhaltung als neues Rathaus, Umbau des historischen Rathauses zum Museum, Förderung der Klostersanierung in Bronnbach, Umbau des Hospitalgebäudes zum Kulturhaus, Kauf der bereits von Matthäus Merian gezeichneten Burgruine für Open-Air-Events und Sanierung eines der ältesten Gebäude der Stadt, des Hauses der Vier Gekrönten. Und als bisher letztes Vorhaben der Kauf des vergammelten Lustschlösschens zum Preis von 1,4 Millionen Mark.

So gesehen könnte man die dritte Amtszeit des Oberbürgermeisters als jene bezeichnen, in der sich Gläser besonders mit den kulturellen Belangen in der Stadt auseinander setzt. Und das sind, wie zuletzt das Rokokoschlösschen, meist fürstliche Hinterlassenschaften. Doch ehe es zur wunderlichen Rettung des Schlosses kam, hatte sich auch das Stadtoberhaupt nicht sonderlich für dessen Zukunft interessiert. Erst als der Abbruchantrag des Hauses Löwenstein-Wertheim-Freudenberg auf dem Tisch lag, ging Stefan Gläser aus der Deckung und lehnte mitsamt dem Gemeinderat und dem Denkmalamt im Rücken das Gesuch ab. Seit mehr als zwei Jahren liegt es beim Regierungspräsidium zur Entscheidung und ist mit der notariellen Beglaubigung des Kaufvertrags nun zur Makulatur geworden.

Regelrecht verkommen ließ das Fürstenhaus die ganz in der Nähe ihres Stammschlosses liegende Sommerabsteige ihrer Vorfahren. Was einst versteckt hinter Bäumen in einem Park lag, grenzt heute unmittelbar an die stark befahrene Maintalstraße. Wie sauer Bier hat das Fürstenhaus das zuletzt mit Brettern vernagelte Objekt angeboten - niemand nahm sich des aus dem 18. Jahrhundert stammenden Schlösschens an.

Das Anwesen hat zwei gravierende Mängel: Es ist als Spekulationsobjekt denkbar ungeeignet, denn im Flächennutzungsplan der Stadt ist der Eichelhofgarten nicht als Baugebiet ausgewiesen, und einer privaten Nutzung stehen ungewöhnlich hohe Sanierungskosten gegenüber. Das Schlösschen weist nämlich, so stellte ein Gutachten fest, gravierende Konstruktionsmängel auf, zeigt sichtbare Verformungen und Fäulnisschäden und steht auf zu schwachen Grundmauern. Der 3,7 Hektar große Park befindet sich in einem dermaßen desolaten Zustand, dass er im Gutachten als Unland bezeichnet wird. Alles in allem kostet die Instandsetzung des Schlösschens zehn Millionen Mark.

Erst als sich der Landeskonservator Franz Meckes um das Schicksal des Lustschlösschens kümmerte, bekam das Thema Struktur. So etwas wie beruflicher Ehrgeiz spornte ihn an, alle Möglichkeiten zur Rettung durchzuspielen, ¸¸denn in 30 Jahren meiner Tätigkeit in Baden-Württemberg ist noch kein Schloss abgerissen worden''. Jenes im Wertheimer Eichelhofgarten sollte nicht das erste Beispiel vergeblicher Mühen werden. Doch die Verhandlungen der Beteiligten waren ebenso schwierig wie langwierig, weil immer wieder Zweifel über die Finanzierung und den Kaufpreis aufkamen.

Schließlich setzte Oberbürgermeister Gläser seinem Duzfreund, dem Fürsten, die Pistole auf die Brust und bot ihm 1,5 Millionen Mark für das verfallende Anwesen. Als Durchlaucht schließlich vernahm, aus welchen Quellen die Stadt Zuschüsse schöpfen kann (Sonderprogramm des Landes, deutsche und baden-württembergische Denkmalstiftung, Ausgleichsstock), wollte der Fürst das wacklige Gebäude am liebsten selbst sanieren.

Aber da spielte der Konservator Meckes, der ewigen Hinhaltetaktik müde, nicht mehr mit. Das 1777 erbaute Schlösschen sei denkmalpflegerisch gesehen der letzte große Problemfall, betonte der Wertheimer Oberbürgermeister und begründete damit die Nutzungskonzeption.

Danach wird der Fürstensitz zu einem Haus der Kunst mit 600 Quadratmeter Ausstellungsfläche umgebaut, wobei die Stadt den Neuerwerb als Stiftung einbringt. Unter der Ägide des Stadtmuseums nimmt es die Kunstschätze dreier Stiftungen auf, die eines örtlichen Mäzens und die einer Mannheimer Familie: Gemälde namhafter deutscher Künstler, die um 1900 in Berlin wirkten, und Bilder von Romantikern, die Wertheim und Umgebung gemalt haben. "Porcelaine de Paris'' heißt schließlich die Sammlung von insgesamt 750 Figuren, Tassen, Tellern und Vasen, die zwischen 1780 und 1835 entstanden sind. Die Stifterin will dann ihren Wohnsitz von Frankreich nach Wertheim verlegen.

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