Stadt schützt architektonisches Kleinod
Schnödenecksiedlung: Gestaltungssatzung soll
Umbausünden vermeiden
Sindelfingen - Was für Stuttgart der Weißenhof, ist
für Sindelfingen die Schnödenecksiedlung. Die Wohnanlage mit 80
Doppel- und Reihenhäusern ist ein architektonisches Schmuckstück, wie
es das nur noch selten gibt. Doch das Erbe aus den 20er Jahren kann mehr Last
denn Lust sein. Vor allem der Erhalt der Häuser ist schwierig.
VON GABRIELE KIUNKE
Gegenüber der Stadthalle zwischen Schiller- und
Uhlandstraße reihen sich die kleinen eingeschossigen Häuschen
aneinander. Viele sind liebevoll hergerichtet mit Sprossenfenstern und
Fensterläden. Die Gärten fallen für heutige
Reihenhausverhältnisse ungewöhnlich groß aus. Doch in den 20er
Jahren des 20. Jahrhunderts, als die Siedlung gebaut wurde, dienten sie vor
allem der Selbstversorgung. Damals herrschte in Sindelfingen große
Wohnungsnot als Folge der Industrialisierung der Stadt nach dem Ersten
Weltkrieg. Die Gründung des Bau- und Sparvereins Sindelfingen 1919 sollte
einfachen Bürgern und Arbeitern einen Hauskauf am Schnödeneck
ermöglichen.
Entworfen wurde die Siedlung von dem Stuttgarter
Architekturprofessor Paul Schmitthenner, der zur so genannten Stuttgarter
Schule gehört. Neben den einfachen Hausformen mit etwa 100 Quadratmetern
sind die Walm- und Schopfwalmdächer, Fledermausgauben und die als
Biberschwänze bezeichneten Dachziegel typisch für diesen
heimatverbundenen Baustil.
In ihrer Gesamtheit hat die Anlage die Jahre ohne Abrisse und
Neubauten überstanden. Von der Ursprünglichkeit der Häuser ist
indes vieles verloren gegangen. Großflächige dunkle Fenster,
hässliche An- und Umbauten im Dach und im Garten zeugen von den
Modernisierungssünden in den 60er und 70er Jahren. Seit die Häuser
1982 unter Denkmalschutz gestellt wurden, blieben größere
Entgleisungen zwar aus, doch der Teufel steckt im Detail. Für viele Fragen
wie etwa die Fassadenfarbe oder Fensterform fehlten bisher die Vorgaben. So kam
es, dass der eine Rollläden installierte, der andere eine
Satellitenschüssel brauchte und der dritte ein Markise anbrachte. Um hier
einheitliche Richtlinien zu bekommen, hat die Stadt jüngst eine
Gestaltungssatzung beschlossen, die solche Detailfragen für künftige
An- und Umbauten regelt. Doch diese Satzung ist umstritten. "Manche wollen
einen Schutz, andere lieber die Freiheit, über ihr Haus verfügen zu
können'', berichtet Eberhard Scheel vom städtischen Planungsamt
über den "schwierigen und langwierigen Arbeitsprozess'', an dem auch
engagierte Bewohner beteiligt waren.
Mit der Satzung will die Stadt auch Ausrutschern, wie es sie in
der Vergangenheit gab, einen Riegel vorschieben. Manch ein Bewohner setzte sich
in den vergangenen Jahren einfach über die Auflagen des Denkmalamtes
hinweg. Besonders ärgerlich war für die Nachbarn, dass solche
Vergehen "für den Verursacher keine Konsequenzen hatten'', kritisiert ein
Anwohner die fehlende Kontrolle durch Stadt und Denkmalamt.
Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt für
Renovierungen wird es wohl nicht wieder geben. "Ich habe wenig Hoffnung'',
dämpft Scheel entsprechende Erwartungen. Bis Mitte der 90er Jahre zahlte
Sindelfingen noch bis zu 50 Prozent der Kosten. |