Der Denkmalpflege fehlt die Lobby
Fachbehörde soll in Zukunft von Streitfällen
ferngehalten werden - Landtag ändert Gesetz
Weil es CDU und FDP in ihrem Koalitionspapier vor viereinhalb
Jahren so festgeschrieben haben, soll noch kurz vor der Landtagswahl das
Denkmalschutzgesetz geändert werden. Die Verwaltung soll schlanker werden.
Das ist eine tiefe Zäsur in der bisherigen Politik.
Von Martin Geier
Die Denkmale im Land gehen schlechten Zeiten entgegen. 30 Jahre
Denkmalpolitik in Baden-Württemberg - hauptsächlich getragen von der
Regierungspartei CDU - werden Makulatur. Wenn der Landtag Ende Februar in
zweiter und dritter Lesung das so genannte Dissensverfahren abschafft, dann hat
Baden-Württemberg endgültig seine Vorreiterrolle in Sachen
Denkmalschutz in Deutschland eingebüßt. Der Südwesten galt
bisher als Bastion gegen alle Bestrebungen, die staatliche Oberaufsicht
über die Kulturgüter zu unterlaufen. Mit der Gesetzesänderung
drohen die Denkmale genau das zu werden, was das Parlament vor 30 Jahren zu
verhindern wusste: ein Spielball der Kommunalpolitik.
Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes von 1972 basierte auf
dem Gutachten einer Wirtschaftsprüfergesellschaft zur Verwaltungsreform in
den Ministerien. Angelpunkt waren die Dissensverfahren, also strittige
Verfahren, die quasi schiedsrichterlich und durch Spruch des
Regierungspräsidiums als höherer Denkmalschutzbehörde
entschieden werden. Damals wies das Landesdenkmalamt nach, dass es
überhaupt nur 0,76 Prozent dieser Fälle gibt; auf das
Untersuchungsjahr bezogen lediglich fünf im gesamten Regierungsbezirk
Tübingen, allerdings 20 in Südbaden (Freiburg). Diese
Streitfälle, so die Gegner des Denkmalschutzes, dauerten zu lange,
würden zu viel Personal binden und seien das glatte Gegenteil von
Bürgernähe. Deshalb fordern sie die Abschaffung des
Dissensverfahrens.
Die Regierung rechtfertigt die Gesetzesänderung damit, dass
"die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg es
erforderlich macht, alle Maßnahmen zur Straffung und Beschleunigung von
Verfahren zu ergreifen. Künftig sollen generell die unteren
Denkmalschutzbehörden in die Lage versetzt werden, in eigener
Verantwortung die erforderlichen denkmalrechtlichen Entscheidungen zu
treffen.'' Um den Machtverlust der Fachbehörde abzumildern, wurde dem
Präsidenten des Landesdenkmalamts das Recht eingeräumt, "in
Ausnahmefällen bei einer drohenden schwer wiegenden Beeinträchtigung
des Kulturdenkmals'' zu intervenieren.
Ist die Denkmalnovelle nötig und was bedeutet sie in der
Praxis? Aus fachlicher Sicht ist die Aufhebung des Dissensverfahrens
unnötig. Denn der Schutz des kulturellen Erbes ist eine hoheitliche
Aufgabe und Verfassungsauftrag. Er obliegt damit einer Behörde, die sich
erstens durch Kompetenz und zweitens dadurch auszeichnet, dass sie nicht in die
kommunalpolitischen Auseinandersetzungen eingebunden ist. Die Deregulierung
aber gibt das Denkmal der Tagespolitik preis. Die rechtlichen Entscheidungen
werden künftig in den knapp 200 städtischen Bauämtern
entschieden. Ob diese fachlich in der Lage sind, die denkmalrelevante Seite
abzudecken, darf man bezweifeln. Ist dennoch Kompetenz vor Ort, wird sie - wie
man am Beispiel Schwäbisch Hall sieht - nicht in Anspruch genommen. In der
Vergangenheit waren es immer schon die den Dissensgesprächen vorgelagerten
Verhandlungen, die zu brauchbaren Ergebnissen führten. Die finden nicht
mehr statt. Natürlich wird auch in Zukunft nicht Hand an die Zollernburg
oder das Breisacher Münster gelegt. Höchst gefährdet sind
allerdings die kleinen, die unscheinbaren Zeugnisse der Alltagsgeschichte,
kulturelle Erbstücke von lokaler Bedeutung.
Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes hat ihre Ursache in
einem Wechsel der Politikergenerationen. Die das Gesetz bis jetzt getragen
haben, ziehen sich aus der Politik zurück. Ihre Nachfolger, die heute
Vierzigjährigen, haben nicht die Erfahrung der Denkmalzerstörung
durch Wiederaufbau in den 60er Jahren. Sie tendieren zu einer neoliberalen
Weltsicht. Sie sprechen vor allem von schlanker Verwaltung und Effizienz. Dass
das Denkmal eines Schutzwalls bedarf und politischer wie fachlicher
Fürsprecher, diese Erkenntnis ist mittlerweile ziemlich in den Hintergrund
getreten.
Wie hoch der Stellenwert der Denkmalpflege derzeit ist,
lässt sich an dem gescheiterten Sonderprogramm des
Wirtschaftsministeriums, aber auch anlässlich der ersten Lesung im Landtag
ermessen. Bis auf die SPD hat keine Fraktion für die Beibehaltung einer
recht erfolgreichen Denkmalpolitik eine Lanze gebrochen. Kann man aber das
Desinteresse der Abgeordneten beklagen, wenn nicht einmal der Präsident
des Landesdenkmalamtes gegen die Demontage Sturm läuft?
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