Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 18.5.2001
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"Die Leute rennen uns die Bude ein''

Leitstelle für Kleindenkmale

STUTTGART. Zum 1. April hat die Leitstelle für die Erfassung von Kleindenkmalen im Land ihre Arbeit aufgenommen. Seitdem herrscht Hochbetrieb. Viele Heimatfreunde wollen ihr Wissen mitteilen.

Von Dieter Kapff

"Vor Anrufen kann ich mich fast nicht retten'', sagt Martina Blaschka. Seit gut einem Monat sitzt die Kulturwissenschaftlerin in einem kleinen Büro in der Silberburgstraße in Stuttgart und soll die Anfragen bearbeiten, die Hinweise und Arbeitsergebnisse entgegennehmen, Tipps geben und Informationen verarbeiten, die Daten fachlich prüfen und in den Computer eintippen, schließlich alles so aufbereiten, daß es für Behörden, Kommunen und Vereine nutzbar ist. Die Ordner an der Wand füllen sich mit Notizen, Karten, Zeichnungen, Exposés über Kleindenkmale. Archivierung und Vernetzung des Wissens ist das Motto.

Die gebürtige Nürtingerin ist für vier Jahre beim Landesdenkmalamt angestellt. Sie ist die Leitstelle für die Erfassung der Kleindenkmale, das Bindeglied zwischen ehrenamtlichen Mitarbeitern und Behörden. Für ihr Gehalt kommen das Landesdenkmalamt (zu 60 Prozent) und drei Vereine (zu 40 Prozent) auf. Es sind der Schwäbische Heimatbund, der Schwarzwaldverein und der Schwäbische Albverein. Die vier Partner haben einen förmlichen Vertrag geschlossen.

Das Vorhaben ist ein Modellprojekt und "etwas ganz Neues'', nämlich, "dass eine Behörde mit Privatinstitutionen zusammenarbeitet'', betont Volker Osteneck, Abteilungsleiter im Denkmalamt und Blaschkas Chef. Immerhin sei die vom Schwäbischen Heimatbund (SHB) ins Leben gerufene Bürgerinitiative "Rettet die Kleindenkmale'' vom Land so wichtig genommen worden, daß es dabei mitmache. Allerdings, dass die "Aktion in der Bevölkerung auf so großen Widerhall stößt'', überrascht Osteneck dann doch. Ostenecks Bitte an die Bürger, die ihm die Bude einrennen: "Leute, wir nehmen alles ernst, aber bitten um Geduld.''

Kein Wunder, die Heimatfreunde im Land scharren seit langem ungeduldig mit den Hufen. Sie wollen endlich an geeigneter Stelle loswerden, was sie in vielen Jahren aus eigener Initiative erkundet und oft vorbildlich und fast immer kundig in Wort und Bild festgehalten haben. Kleindenkmale sind wichtige Bestandteile der Kulturlandschaft. Ein Grenzstein hier, ein Feldkreuz dort und noch hundert andere Arten von Kleindenkmalen warten auf ihre "Entdecker''. Die Erfassung und Dokumentation - an sich eine staatliche Aufgabe, aber das Landesdenkmalamt kann sie personell niemals schultern - ist die Voraussetzung für einen besseren Schutz und für die Sicherung und Pflege der Kleindenkmale sowie ihre wissenschaftliche Bearbeitung. Nur ein Teil von ihnen gilt amtlich als Kulturdenkmale, alle aber sind sie wertvolle Geschichtszeugen, auch wenn sich ihr Zweck manchmal nur noch dem Kundigen erschließt.

Es ist ganz offenkundig eine reizvolle Aufgabe, die Spaß macht, auch wenn sie mit Arbeit verbunden ist und Zeit kostet. Immer mehr Bürger interessieren sich für Kleindenkmale. Aus Esslingen meldet sich der Geschichts- und Altertumsverein zur Mitarbeit, aus Tuttlingen der Heimatgeschichtsverein, aus Stuttgart und Heidenheim Ortsgruppen des Albvereins, aus Friedrichshafen eine Gruppe, aber auch Einzelne. Die Beispiele stehen für viele. Auch Landkreise und Städte haben schon angefragt, wie sie mittun können. Dabei haben die öffentlichen Informationsabende noch gar nicht stattgefunden.

Damit das Suchen und Kartieren, Beschreiben und Fotografieren der Kleindenkmale in Wald und Flur (innerorts sind die meisten schon bekannt und erfasst) nach Mindeststandards erfolgt, damit auch unnötige Doppelarbeit vermieden wird, sollen ehrenamtliche Koordinatoren die Organisation in die Hand nehmen. Sie kommen aus den einzelnen beteiligten Vereinen, sind vor Ort näher dran und kennen wohl auch die meisten "Kleindenkmalfreunde''. Sie haben den Überblick, welche Objekte schon erfasst sind, wer an was arbeitet. Die Ergebnisse geben sie geordnet an die Leitstelle weiter.

Ein Lenkungsausschuss, paritätisch von den Vertragspartnern besetzt, wählt die Schwerpunktlandkreise aus, in denen die Kleindenkmale vorrangig und systematisch erforscht werden sollen. Der Heimatbund hat dabei den Landkreis Ludwigsburg im Auge, der Albverein die Kreise Sigmaringen und Alb-Donau (wo die Arbeit schon fast fertig ist), der Schwarzwaldverein die Stadt Baden-Baden und die nördliche Ortenau.

Die Beispielkreise sollen die Verschiedenheit der Kulturlandschaften widerspiegeln. Zum Teil hängt ihre Auswahl aber auch davon ab, wo viele Heimatfreunde zur Mitarbeit bereit sind. Aber natürlich, betont Martina Blaschka, wird auch die Arbeit aus allen anderen Kreisen angenommen. Oft sei es ja auch so, dass sich eine engagierte Gruppe nur für die Kleindenkmale in ihrer unmittelbaren Umgebung interessiere oder nur für eine der zahlreichen Denkmalarten. Zumindest in den Auswahlkreisen wird aber Vollständigkeit angestrebt.

Nähere Informationen und eine Anleitung zur Erfassung und Dokumentation von Kleindenkmalen gibt eine Broschüre, die beim Landesdenkmalamt oder den drei Vereinen angefordert werden kann. Sie enthält auch Muster für Erfassungsbögen.

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