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Sie helfen, aber sie machen auch Arbeit
Landesarchäologen diskutieren in Kempten über die
notwendige Mitarbeit von Ehrenamtlichen
Im "Internationalen Jahr der Freiwilligen'', das die Vereinten
Nationen ausgerufen haben, liegen die Landesarchäologen mit ihrem
Kemptener Kolloquium über "Das Ehrenamt in der Archäologischen
Denkmalpflege'' goldrichtig. Unwidersprochen hat der Vorsitzende des Verbands
der Landesarchäologen in der Bundesrepublik, der Stuttgarter
Denkmalamtspräsident Dieter Planck, festgestellt, dass die
Archäologische Denkmalpflege auf ehrenamtliche Mitarbeit nicht verzichten
könne. Das ist so, weil eine flächendeckende Beobachtung von
Fundstellen, eine Überwachung der Baustellen, bei denen
archäologische Funde und Befunde zutage treten können, aus
zeitlichen, vor allem aber aus personellen Gründen den staatlichen
Denkmalpflegern gar nicht möglich ist.
So sind die Wissenschaftler also auf der Suche nach freiwilligen
Helfern, die ihnen einen Teil der Routinearbeit abnehmen können. Ein
Raunen ging durch die Reihen der Zuhörer, als ihnen Adrian Olivier aus
London die Verhältnisse in Großbritannien schilderte. England, du
hast es besser! Amateure und freiwillige Helfer, von den Pfadfindern bis zu den
Rentnern, sind dort in zum Teil gigantische archäologische Projekte
eingebunden. Engagierte Vereine zählen bis zu zehntausend Mitglieder. Zum
Vergleich: die ehrenamtlichen Mitarbeiter in ganz Deutschland werden auf etwa
zweitausend geschätzt.
Flemming Rieck aus Roskilde berichtete über Dänemark,
wo die heimische Vorgeschichte in der Schule gelehrt und im Radio und Fernsehen
zur besten Sendezeit einen festen Platz habe. "Archäologie ist
Volkseigentum'', erklärte Rieck, und daher gebe es zahllose einzelne oder
in Clubs organisierte freiwillige Helfer.
Hier zu Lande ist das mühsamer. Mit
Informationsveranstaltungen, Vorträgen, Vorführungen sowie Aktiv-
oder Erlebnisurlaub bei Ausgrabungen müssen Interesse geweckt und
Interessierte gefunden werden. Über entsprechende Projekte berichteten
Referenten aus Sachsen-Anhalt, Freising und Thüringen. "Archäologie
als sinnvolle Freizeitgestaltung für Jugendliche und Kinder'' komme gut
an. Freilich wurden auch Warnungen laut: "Archäologie ist kein
Kinderspiel.''
Deutsche Studien, die Stephanie d'Huc-Rudolph vorstellte, machen
den Archäologen Hoffnung. Jeder dritte oder fünfte Bundesbürger
sei bereit, ehrenamtlich mitzuarbeiten. Allerdings nur befristet und nach
eigenem Gutdünken. In den Dienst einer Sache wollen sich nur wenige
stellen. Und schon gar nicht nachhaltig und zuverlässig. Die
Fun-Generation setzt andere Prioritäten. So können sie mal als
Grabungshelfer gewonnen werden, aber kaum als ehrenamtlicher Beauftragter des
Denkmalamts.
Zu den "klassischen Aufgaben'' eines Ehrenamtlichen gehört
nicht das Ausgraben, sondern "die Beobachtung bekannter und die Entdeckung
neuer Fundplätze'', sagt Bayerns Landesarchäologe Erwin Keller, also
die Prospektion, das Auflesen von Oberflächenfunden und das Weitermelden
des Entdeckten sowie die Kontrolle von Bodendenkmalen. Die Ehrenamtlichen sind
vor allem "die Augen des Landesdenkmalamts'', das nicht immer und überall
präsent sein kann.
Bei den Ehrenamtlichen, referierte Helmut Bender aus Passau,
"beherrscht der Einzelgänger die Szene'', der Individualist, der - wie
Walter Joachim aus Stuttgart, ein mit dem Württembergischen
Archäologiepreis ausgezeichneter "Vorzeige-Ehrenamtlicher'' ergänzte
- "von Begeisterung bis Leidenschaft'' für die Archäologie
angetrieben wird.
Solche Menschen sind Chance und Risiko zugleich. Die Risiken
wurden beim Kolloquium kaum angesprochen: Hobbyarchäologen, die sich nur
für ihr Spezialgebiet interessieren und Funde unterschlagen; rasch
beleidigte Besserwisser und Spintisierer, die den Facharchäologen viel
unnötige Arbeit machen; Selbstherrliche, die sich Befugnisse
anmaßen, Illoyale und Unzuverlässige. Auch dürfe die Mitarbeit
nicht "in Beliebigkeit abgleiten'' (Kemptens Stadtarchäologe Gerhard
Weber), sondern müsse "Ausdauer und Biss'' (Joachim) haben. Die Chancen
liegen im weder Zeit noch Arbeit scheuenden Engagement der Helfer, in ihrer
lokalen Orts- und Personenkenntnis und in der Bereitschaft, sich
fortzubilden.
Schulung in Theorie und Praxis ist nötig. Diese sieht dank
der Kulturhoheit der Länder recht verschieden aus, ist aber meist
unzureichend. Denn die Arbeit mit den Ehrenamtlichen kostet die
Facharchäologen viel Zeit und Geduld. Friedrich Lüth,
Chefarchäologe von Mecklenburg-Vorpommern, und der Freiburger Rolf Dehn
betonten, wie wichtig es ist, einen engen menschlichen wie fachlichen Kontakt
zu den Mitarbeitern zu pflegen. Das kann meist nur nach Feierabend geschehen,
was zu vielen Überstunden führt.
So nehmen die ehrenamtlichen Kräfte den hauptamtlichen
Archäologen zwar manche Aufgabe ab, sie bereiten ihnen aber auch viel neue
Arbeit. Ehrenamtliche können die hauptamtlichen Archäologen nicht
ersetzen, Einsparmöglichkeiten für den Staat ergeben sich nicht
daraus, resümierte Planck. Die Finanz- und Personalausstattung der
Ämter muss vielmehr noch verbessert werden.
Von Dieter Kapff
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