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Ein Kampf um Troia
Im Tübinger Gelehrtenstreit hat Korfmann bessere
Karten
Auch langjährige Beobachter der
Eberhard-Karls-Universität in Tübingen können sich nicht daran
erinnern, dass je ein Professor derart brüsk einen Kollegen angegriffen
hätte. Dass der von dem Tübinger Althistoriker Frank Kolb attackierte
Tübinger Troia-Forscher Manfred Korfmann zudem einer der profiliertesten
und populärsten Wissenschaftler der Universität ist, hat dem Fall
überregionales Aufsehen beschert.
Ausgangspunkt waren Kolbs Zitate in der "Berliner Morgenpost'',
die von anderen Blättern und Agenturen aufgegriffen worden sind. "Viele
Archäologen wissen, dass das Troia-Bild Korfmanns eine Fiktion ist'', so
Kolb markig. Wenn Manfred Korfmann Troia als bedeutenden Handelsknotenpunkt
zwischen Ägäis und Schwarzem Meer präsentiere, so sei dies
"völlig absurd''. Kolb seinerseits hat einige Jahre vor dem Beginn der
korfmannschen Ausgrabungen einige Texte über Troia veröffentlicht.
Nun wirft er Korfmann "Irreführung der Öffentlichkeit'' vor, und es
soll der Satz gefallen sein, der Tübinger Professor sei der "Däniken
der Archäologie''.
Wer so etwas sagt, wird im Jahr der von Korfmann initiierten
Stuttgarter Troia-Ausstellung, die 250000 Besucher zum riesigen Erfolg werden
ließen, nicht ungehört bleiben. Gut möglich, dass sich mancher
Professorenkollege von diesem strahlenden Ereignis in den Schatten gestellt
fühlt. Als Korfmann persönlich von der türkischen Regierung die
Grabungslizenz für Troia erhielt, waren ihm daheim in Tübingen auch
kritische Stimmen entgegengehallt. "Der kann doch mit seinem Troia der
Heuneburg nicht das Wasser reichen'', meinten Kollegen im Institut für Ur-
und Frühgeschichte.
Inzwischen ist Korfmann einer der führenden Archäologen
in Deutschland, das Thema "Troia - Mythos und Wirklichkeit'' fasziniert mehr
Menschen als alle anderen Gegenstände in diesem Bereich. Das schafft Neid
und Eifersucht - wohl nicht zuletzt, weil Korfmanns Grabungskampagnen seit 1988
Sponsorengelder binden, die sonst womöglich anderen Projekten zugeflossen
wären. Dass Korfmann schließlich stets mahnt, alle seit Schliemanns
Zeiten ausgegrabenen Funde von den Instituten in aller Welt der Türkei
zurückzugeben, hat ihm nicht nur Zustimmung eingebracht. Manches aus Troia
findet sich auch in Tübinger Schatzkammern.
Korfmann hat dem sagenumwobenen Troia zu neuer Popularität
verholfen, obwohl er gerade nicht behauptet, Belege für Homers
Troianischen Krieg gefunden zu haben. "Die Ilias' ist in gewisser Hinsicht als
Quelle ihrer Zeit bestätigt'', erklärt Korfmann mitunter, "Homer oder
seine Informanten haben um 720 vor unserer Zeitrechnung die Ruinen von Troia
gesehen oder gute Informationen zu ihnen gehabt. Dafür gibt es
mittlerweile sehr viele Hinweise wie zum Beispiel die ausgedehnte Unterstadt.''
Gerade jene Grundmauern gräbt das Team derzeit aus. Frank Kolb bezweifelt
dennoch, dass es diese Mauern überhaupt gibt.
Bei allem öffentlichen Aufsehen - kann man dem
Archäologen Korfmann vorwerfen, wie Kolb es tut, dass er
unwissenschaftlich arbeitet? Wenn Frank Kolb Recht hätte, würde sein
Schlag sehr viele treffen, nicht nur den Kollegen der Universität. In den
13 von Korfmann geleiteten Grabungskampagnen forschen bis zu achtzig Experten
aus einem Dutzend Nationen drei Monate im Jahr am Ort in Troia. Das ist eine
internationale Mannschaft und setzt sich keineswegs aus willfährigen
Korfmannschülern zusammen. Korfmann stellt seine Funde und die daraus
gefolgerten Schlüsse Jahr für Jahr in den umfangreichen Bänden
der "Studia troica'' vor. Auf wissenschaftlichen Kongressen werden seine
Troia-Forschungen beraten. Jedes Jahr wird das Unternehmen Troia auch von den
Gutachtern der Deutschen Forschungsgemeinschaft diskutiert, die die Grabungen
finanziell unterstützt. Und viele Stuttgarter hatten in einer
umfangreichen Vortragsreihe Gelegenheit, viele bekannte Wissenschaftler
über das Thema Troia referieren zu hören.
Keiner wird sich an Kritik erinnern, die Manfred Korfmanns Thesen
grundsätzlich erschüttern wollte. Diese lassen sich so
zusammenfassen, dass Troia dem anatolischen und nicht dem hellenistischen
Kulturkreis zugehörte, dass Troia mit seiner ausgedehnten Unterstadt viel
größer war als vermutet und deswegen einen bedeutenden Handelsplatz
zwischen dem Mittelmeer und den reichen Städten am Schwarzen Meer
darstellte.
Frank Kolb stellt dies grundsätzlich in Frage. Zu seiner
Unterstützung kann er nur vage vorbringen, dass "viele Kollegen Korfmann
nicht öffentlich kritisieren''. Das ist viel zu wenig, um jene harte
Kritik im Ansatz zu rechtfertigen. Auch in den Tagen nach Kolbs Affront
("Rufmord unter Kollegen'', wie die FAZ es nannte) ist ihm, soweit bekannt,
kein Kollege zur Seite gesprungen. Geradezu absurd ist der ebenfalls laut
gewordene Vorwurf, Korfmann würde sich der türkischen Regierung
"liebedienerisch'' anbiedern, um sich mit einem Museum am Rande der Ruinen ein
Denkmal zu setzen. Nicht wenige der vielen hunderttausend Besucher Troias sind
enttäuscht, dass sie vor Ort von den berühmten Funden nichts
besichtigen können. Dem würde ein Museumsbau in Troia abhelfen. Das
Gelände steht bereit. Manfred Korfmann hat den immer wieder verschleppten
Baubeginn einerseits kritisiert, andererseits aber auch Verständnis
dafür geäußert, dass der Türkei die Beseitigung der
Erdbebenschäden von 1999 näher lag, als ein Museum zu errichten.
Vor Ort in der Türkei ist Manfred Korfmann nicht
unumstritten. Kritisiert wird er von Zementwerken und Hotelbetreibern, die
diese von Homer beschriebene Landschaft für ihre Zwecke nutzen und somit
für immer zerstören wollen. Korfmann hat einen ausgedehnten
Nationalpark durchgesetzt, ohne dessen Beschränkungen die Küste vor
Troia wohl inzwischen genauso von Häusern entstellt wäre wie so viele
andere Küstenstreifen der Türkei. Insofern hat nicht nur der
Archäologe Manfred Korfmann viel erreicht. Fast überall wird ihm
dafür gedankt. Heftige Kritik hallt ihm nur aus einer Ecke der
Tübinger Uni entgegen. Korfmanns Kommentar zu Kolbs Kritik: "Einen neuen
Krieg um Troia ist das nicht wert.'' Von Michael Petersen
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