Ulm wirbt mit Riesenplakaten für ein Bauprojekts
Stadtverwaltung will die Bürger beteiligen - Im
Herbst beginnen die Archäologen, an der Neuen Straße zu
graben
1990 war die Neue Straße in Ulm Thema eines
Bürgerentscheids. Zurzeit liegt erneut ein Rahmenplan für die
Neugestaltung aus. Mit einer Werbeaktion buhlt die Stadt um die Zustimmung der
Bürger.
Von Annegert Bock
Normalerweise liegt ein vom Gemeinderat gefasster
Auslegungsbeschluss über einen Bebauungsplan auch in Ulm reichlich
unbeachtet im Stadtplanungsamt herum. Doch wenn es um die Neue Straße
geht, ist alles anders. Mit einem Riesenplakat an der Rathausfront, einem
Extrablatt mit "Momentaufnahmen über die Neue Straße von 1972 bis
2001'' und Stelen mit der Aufschrift "Die Zukunft der Neuen Straße'' hat
die Stadtverwaltung eine Aufsehen erregende Werbeaktion gestartet. "Das war nur
die Warmlaufphase'', berichtet der für diese Form der
Öffentlichkeitsarbeit zuständige Referent des Baubürgermeisters
Alexander Wetzig, Max Stemshorn. Am Wochenende wird in einem eigens aufgebauten
Pavillon zwischen Neuer Straße und Münsterplatz in einer Ausstellung
mit Plänen und Texten im Detail erläutert, was im November geschieht,
wenn die Archäologen anrücken und aus der Neuen Straße die
größte Grabungsstätte in ganz Baden-Württemberg
machen.
Das Landesdenkmalamt will vier Jahre lang nach den Resten der
Stauferstadt suchen. Dreizehn Millionen Mark sind für diese Grabung
veranschlagt. Parallel dazu wird drei Jahre lang eine Tiefgarage unter der
Neuen Straße gebaut. Mit Baukosten von mehr als 40 Millionen Mark
für 520 Stellplätze wird diese Tiefgarage die bisher teuerste in Ulm
sein. So viel Werbeaufwand wegen einer Tiefgarage hätte sich die Ulmer
Stadtverwaltung trotzdem kaum geleistet, wenn es nicht um das Reizthema Neue
Straße ginge. Tunnel und Tiefgarage unter der Neuen Straße waren
1990 bei einem Bürgerentscheid von 81,5 Prozent der mitstimmenden
Bürger abgelehnt worden. Fast 52 Prozent aller stimmberechtigten Ulmer
waren zur Wahl gegangen.
Sehr vorsichtig hat die Stadtverwaltung deshalb seit 1990
versucht, über Vorschläge nachzudenken, wie die in der Nachkriegszeit
in die Innenstadt geschlagene Autoschneise wieder zu schließen sei.
Zunächst beschäftigte sich ein Innenstadtforum mit dem Thema.
Freiwillig setzten sich zehn Teams von Architekten und Stadtplanern zusammen,
um über eine Neubebauung nachzudenken. Schließlich wurde ein
Städtebauwettbewerb ausgeschrieben, der 1999 von einem Ulmer
Architektenteam gewonnen wurde.
Inzwischen freilich bröckeln die Fronten. Die CDU
verweigerte bereits ihre Zustimmung zum Auslegungsbeschluss und wird vermutlich
auch beim Satzungsbeschluss, der erst im Oktober auf der Tagesordnung des
Gemeinderats steht, mit Nein stimmen.
Leserbriefschreiber plädieren bereits wieder für einen
Tunnel unter der Neuen Straße. Irritationen und neue Gerüchte
über einen Bürgerentscheid hat die Computersimulation einer
möglichen Bebauung ausgelöst. "So wird die Neue Straße
garantiert nicht aussehen'', verspricht Max Stemshorn. Erst wenn die Tiefgarage
gebaut ist und konkrete Anfragen auf dem Tisch liegen, wird über die
Einzelheiten der Bebauung entschieden.
Zahlreiche private Investoren hätten bereits Interesse
für die Filetgrundstücke in der Ulmer City angemeldet. Das Plakat an
der Rathausfassade wird aber bald wieder abgehängt: Es hat das Trauzimmer
im Standesamt verdunkelt.
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