Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 178.8.2001
Südwestdeutsche Zeitung



Ulm wirbt mit Riesenplakaten für ein Bauprojekts

Stadtverwaltung will die Bürger beteiligen - Im Herbst beginnen die Archäologen, an der Neuen Straße zu graben

1990 war die Neue Straße in Ulm Thema eines Bürgerentscheids. Zurzeit liegt erneut ein Rahmenplan für die Neugestaltung aus. Mit einer Werbeaktion buhlt die Stadt um die Zustimmung der Bürger.

Von Annegert Bock

Normalerweise liegt ein vom Gemeinderat gefasster Auslegungsbeschluss über einen Bebauungsplan auch in Ulm reichlich unbeachtet im Stadtplanungsamt herum. Doch wenn es um die Neue Straße geht, ist alles anders. Mit einem Riesenplakat an der Rathausfront, einem Extrablatt mit "Momentaufnahmen über die Neue Straße von 1972 bis 2001'' und Stelen mit der Aufschrift "Die Zukunft der Neuen Straße'' hat die Stadtverwaltung eine Aufsehen erregende Werbeaktion gestartet. "Das war nur die Warmlaufphase'', berichtet der für diese Form der Öffentlichkeitsarbeit zuständige Referent des Baubürgermeisters Alexander Wetzig, Max Stemshorn. Am Wochenende wird in einem eigens aufgebauten Pavillon zwischen Neuer Straße und Münsterplatz in einer Ausstellung mit Plänen und Texten im Detail erläutert, was im November geschieht, wenn die Archäologen anrücken und aus der Neuen Straße die größte Grabungsstätte in ganz Baden-Württemberg machen.

Das Landesdenkmalamt will vier Jahre lang nach den Resten der Stauferstadt suchen. Dreizehn Millionen Mark sind für diese Grabung veranschlagt. Parallel dazu wird drei Jahre lang eine Tiefgarage unter der Neuen Straße gebaut. Mit Baukosten von mehr als 40 Millionen Mark für 520 Stellplätze wird diese Tiefgarage die bisher teuerste in Ulm sein. So viel Werbeaufwand wegen einer Tiefgarage hätte sich die Ulmer Stadtverwaltung trotzdem kaum geleistet, wenn es nicht um das Reizthema Neue Straße ginge. Tunnel und Tiefgarage unter der Neuen Straße waren 1990 bei einem Bürgerentscheid von 81,5 Prozent der mitstimmenden Bürger abgelehnt worden. Fast 52 Prozent aller stimmberechtigten Ulmer waren zur Wahl gegangen.

Sehr vorsichtig hat die Stadtverwaltung deshalb seit 1990 versucht, über Vorschläge nachzudenken, wie die in der Nachkriegszeit in die Innenstadt geschlagene Autoschneise wieder zu schließen sei. Zunächst beschäftigte sich ein Innenstadtforum mit dem Thema. Freiwillig setzten sich zehn Teams von Architekten und Stadtplanern zusammen, um über eine Neubebauung nachzudenken. Schließlich wurde ein Städtebauwettbewerb ausgeschrieben, der 1999 von einem Ulmer Architektenteam gewonnen wurde.

Inzwischen freilich bröckeln die Fronten. Die CDU verweigerte bereits ihre Zustimmung zum Auslegungsbeschluss und wird vermutlich auch beim Satzungsbeschluss, der erst im Oktober auf der Tagesordnung des Gemeinderats steht, mit Nein stimmen.

Leserbriefschreiber plädieren bereits wieder für einen Tunnel unter der Neuen Straße. Irritationen und neue Gerüchte über einen Bürgerentscheid hat die Computersimulation einer möglichen Bebauung ausgelöst. "So wird die Neue Straße garantiert nicht aussehen'', verspricht Max Stemshorn. Erst wenn die Tiefgarage gebaut ist und konkrete Anfragen auf dem Tisch liegen, wird über die Einzelheiten der Bebauung entschieden.

Zahlreiche private Investoren hätten bereits Interesse für die Filetgrundstücke in der Ulmer City angemeldet. Das Plakat an der Rathausfassade wird aber bald wieder abgehängt: Es hat das Trauzimmer im Standesamt verdunkelt.

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