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Im Südwesten

Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 14.9.2002

 


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Denkmalschützer vom Besucherzuspruch überwältigt


 
Mehr als 100.000 Menschen beim Tag des offenen Denkmals im Land - Künftig werden mehr Helfer benötigt
 
STUTTGART. Das Landesdenkmalamt ist mit dem Ergebnis des Tags des offenen Denkmals "sehr zufrieden". Etwa 100 000 Baden-Württemberger haben landauf, landab Gebäude, Parks und Plätze besucht.

Von Dieter Kapff

"Wir haben noch nicht alle Rückmeldungen von den Mitarbeitern und den 215 Gemeinden bekommen, die sich in diesem Jahr an den Veranstaltungen zum Tag des offenen Denkmals beteiligt haben", erklärt die Pressesprecherin im Landesdenkmalamt, Sabine Leutheusser-Holz. Aber die Richtung sei eindeutig: Es war ein Erfolg.

Mehr noch, bei einzelnen Veranstaltungen sind die Denkmalschützer deutlich an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen. "Wir müssen uns überlegen, wie wir mit noch mehr Organisation die Besucherströme besser lenken können." Das freilich hieße, dass noch mehr Kollegen als Führer ihre Freizeit an diesem Sonntag opfern müssen (diesmal waren es schon knapp 60), was in der Urlaubszeit schwierig ist. Außerdem müsste das Land auch mehr Geld für Auskunftsmaterial und für die Anstellung zusätzlicher Hilfskräfte bereitstellen. Um den immer größer werdenden Andrang zu meistern, wird auch daran gedacht, die heimatkundlichen Verbände stärker in die Veranstaltungen einzubinden.

Die Teilnahme der Öffentlichkeit war jedenfalls ungeheuer groß. Allein in der Villa Gemmingen in Stuttgart sind 3000 Besucher gezählt worden. Die Unterwasserarchäologie am Bodensee war mit 40 Tauchern restlos ausgebucht, denn gewisse Mindestsicherheitsstandards müssen eingehalten werden. "Gigantisch" auch der Andrang in Güglingen (Kreis Heilbronn), wo eine römische Bürgersiedlung und eine gut erhaltene Kultstätte des Gottes Mithras knapp 2000 Menschen anlockten. Auch hier war die Obergrenze des Machbaren erreicht. Im nahen Vaihingen-Ensingen (Kreis Ludwigsburg), wo seit neun Jahren eine jungsteinzeitliche Siedlung ausgegraben wird, sind 900 Besucher gezählt worden, "obwohl es eigentlich nicht viel Neues zu zeigen gab", wie der Archäologe bescheiden anmerkte.

Als "Knüller" erwiesen sich auch ein Stadtdenkmalratespiel für Kinder in Bad Wimpfen und ein Rundgang durch die Gesamtanlage Weikersheim, bei dem auch Privathäuser geöffnet wurden. "Laufkundschaft", Interessenten, die mit dem Fahrrad von Ort zu Ort reisten, vermehrten noch die Besucherzahl. "Rappelvoll" waren auch die Hausführungen in einem Karlsruher Stadtviertel, die zusammen mit der Stadt veranstaltet wurden. Und selbst die mittelsteinzeitlichen Ausgrabungen im Industriegebiet Siebenlinden von Rottenburg, wo der leitende Archäologe immer behauptete, er könne "eigentlich gar nichts zeigen", erlebten einen ziemlichen Andrang. Die Besucher sahen dies eben offenbar ganz anders.

Die Arbeit der Fotogrammetrie, am Beispiel der Leonberger Stadtkirche, hätte aus Sicherheitsgründen keinen Neugierigen mehr vertragen als die 200, die gekommen waren. Auch aus Bad Buchau am Federsee meldeten die Führer bei den bronzezeitlichen Ausgrabungen in den Teichwiesen und im Museum "volles Haus".

Der Trend bei den 543 angemeldeten Besichtigungsobjekten in Baden-Württemberg ist in anderen Ländern ähnlich gewesen. In Sachsen etwa melden die Dresdener Denkmalschützer, dass sich selbst die vom Flutunglück Geschädigten zu tausenden für die Kulturdenkmäler interessierten. Auch dort gab es das Problem, dass manche verärgert die Führungen verließen, weil sie, ganz hinten stehend, nicht mehr alles verstanden, was der Vortragende vorne erklärte.

Dem Aufruf der Denkmalschützer, auch an die Flutschäden in Ostdeutschland zu denken, sind viele gefolgt. Bei einer Spendenaktion in der Villa Gemmingen, dem Sitz des Landesdenkmalamts, sind insgesamt 1500 Euro zusammengekommen, die für die Wiederherstellung der bis zum Bauch im Wasser stehenden Holzfiguren eines Altars in der Kirche von Priesitz/Sachsen-Anhalt verwendet werden.
 
14.09.2002 - aktualisiert: 16.09.2002, 06:33 Uhr

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