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Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 7.5.2003

 


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Denkmalamt in Auflösung

Kulturerbe als Treibgut?

Es hat einmal eine Zeit in Baden-Württemberg gegeben, da war das Thema Denkmalschutz in aller Politiker Munde. Das ist noch gar nicht so lange her, gut zehn Jahre. Damals nannten die tonangebenden CDU-Politiker die Pflege und den Schutz des kulturellen Erbes eine landespolitische und gesellschaftliche Aufgabe ersten Ranges. Nicht ohne Grund, immerhin ist der Südwesten hinter Bayern das Bundesland mit dem größten Denkmalbestand. Heute hat das politische Interesse daran einen Tiefpunkt erreicht. Kein Geld, keine Lobby. Das Landesdenkmalamt soll bei der von Ministerpräsident Erwin Teufel angestoßenen Verwaltungsreform aufgelöst und die Konservatoren sollen auf die vier Regierungspräsidien verteilt werden. Damit verabschiedet sich die Politik von einem landeseinheitlichen Denkmalschutz.

Dabei wird der Denkmalschutz nicht von ungefähr seit zweihundert Jahren als ein Gebiet angesehen, das aus der Tagespolitik und aus kommunalen Zwistigkeiten herauszuhalten sei. Schon der große preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel betonte den besonderen Erlebniswert des Denkmals über das wissenschaftliche Interesse hinaus. Dieser Gedanke ist keineswegs überholt, im Gegenteil. Gerade vor dem Hintergrund unwiederbringlicher Zerstörungen kulturellen Erbes durch Krieg und ungebremste Modernisierung wird man des Verlustes an eigener Geschichte gewahr. Es geht einerseits um die Stiftung von Identität und andererseits um die Erkenntnisse, die der einzelne Mensch aus Denkmälern zu ziehen vermag. Sie befördern das Bewusstsein der Zeitlichkeit und eröffnen so auch den Blick auf die Möglichkeit von Zukunft. Denkmäler, und davon gibt es 90 000 in Baden-Württemberg, stehen für das Grundrecht auf Geschichte.

Denkmäler sind aber auch beredte Zeugen von Andersartigkeit. Man staunt über die Fülle der Formensprache in anderen Zeiten und sieht die Eindimensionalität mancher Gegenwartsbauten. Doch neben der emotionalen Bereicherung hat der Umgang mit Denkmälern auch etwas mit Umweltschutz zu tun. Ihr Erhalt bedeutet Schonung der Ressourcen. Wer solche steinernen Hinterlassenschaften betrachtet, spürt, wie unverzichtbar Bauten ohne unmittelbaren Nutzen sind. Und aus all diesen Gründen kümmert sich der Staat um dieses kulturelle Erbe.

Vor 31 Jahren hat das Land Baden-Württemberg dem Denkmalschutz eine gesetzliche Form gegeben. In dieser Zeit hat sich das Landesdenkmalamt zu einem schlagkräftigen Kompetenzzentrum entwickelt, dessen Rat auch international gefragt ist. Im Zusammenspiel aller Beteiligten wurden beeindruckende Ergebnisse erzielt. Der jährlich und in ganz Europa abgehaltene Tag des offenen Denkmals lockt immer mehr Besucher an. Und man darf getrost fragen, was diese dort suchen: gewiss nicht den da investierten Steuergroschen. Das gehört zu den vornehmsten Aufgaben des Staates, er ist berufener Hüter von Kultur und Geschichte.

Überall aber, wo die Politik ins Spiel kommt, gibt es Konjunkturen. Der Denkmalschutz bleibt davon nicht ausgenommen. Politik von heute ist von einem unabweisbaren Sparzwang geprägt. Unter diesem Druck verliert manches an Bedeutung und Wichtigkeit, das die Politik zuvor besonders hoch- gehalten hat. An dem substanziellen Wert von Denkmälern für die Gemeinschaft ändert sich dadurch nichts. Allerdings verschieben sich die Prioritäten. So ist der Denkmalschutz ganz offensichtlich aus dem Blickwinkel der Landespolitiker geraten. Was auch daran liegt, dass die beamteten Denkmalpfleger sich schlecht postiert haben. Anstatt zu argumentieren und passioniert für ihre wichtige Sache zu werben, sind sie zu einem ängstlichen Sprachrohr ihrer stummen Mandanten mutiert - der Denkmäler.

Wenn die Behörde im Zuge der Verwaltungsreform nun aufgelöst wird und die Mitarbeiter auf die Regierungspräsidien verteilt werden, liegt die Gefahr der Regionalisierung des Denkmalschutzes auf der Hand. Viele Fragen bleiben offen: Wer soll in Zukunft gerecht über die Zuschüsse entscheiden, wenn es keine zentrale Schaltstelle mehr gibt? Was passiert mit den Archiven in Rastatt und Esslingen, und wie werden sie künftig betreut? Wohin wandern die Spezialisten der Restaurierungswerkstatt?

Wenn das Regierungspräsidium beispielsweise im Zuge von Stuttgart 21 für den Abbruch der alten Bundesbahndirektion mit dem bereits vorgetragenen Argument einträte, man könne das schützenswerte Gebäude ja wieder auf dem Schuttberg errichten, und die Konservatoren dagegen wären, hätte vermutlich der Denkmalschutz keine Chance. Wenn Denkmäler mehr sind als die Summe ihrer Funktionen und wenn ihr Bestand gesichert werden soll, lautet die wichtigste Frage an die Verwaltungsreformer um Erwin Teufel: Wohin führt der neue Weg?

Von Martin Geier
 
07.05.2003 - aktualisiert: 08.05.2003, 05:03 Uhr

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