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StZ sonstige Kreis-Seiten 30.08.1997



Griechische Amphoren als Geschenke für pfiffige Handwerker

Hochdorf kann High-Tech-Zentrum der Kelten gewesen sein

Lehrgrabung an neu entdeckter Siedlung aus dem 5. Jahrhundert vor Christus fördert Produktionsstätten und Bierbrauanlage zutage

EBERDINGEN, Kreis Ludwigsburg. War das heutige Hochdorf im Landkreis Ludwigsburg ein High-Tech-Zentrum der Kelten, das Kunden mit reichen Gaben vom Mittelmeer an lockte? Das würde die mediterranen Grabbeigaben des Keltenfürsten und die Scherben griechischer Trinkgefäße erklären, die in der keltischen Siedlung in Hochdorf gefunden wurden. Bisher wertet Dr. Jörg Biel, Leiter der Archäologischen Denkmalpflege des Landesdenkmalamts, seine These als ,,reine Vermutung''. Die neueste Grabung in Hochdorf könnte diese Mutmaßungen bestätigen.

60 Hobbyarchäologen aus ganz Deutschland legen seit dem 4. August bei einer Lehrgrabung auf einer 50 mal 50 Meter großen Fläche zwischen dem Fürstengrab und dem heutigen Friedhof Teile einer im vergangenen Jahr entdeckten weiteren keltischen Siedlung frei. Die neue Fundstelle gehört nach Biels Worten zur gleichen Siedlung, die bereits zwischen 1989 und 1993 in der Umgebung des Keltenmuseums erforscht wurde. Der Archäologe vermutet, daß das frühgeschichtliche Hochdorf über vier Generationen von Kelten besiedelt war. Belege aus der Zeit von 500 bis 350 vor Christus sind vorhanden.

Die Auswertung der bereits erforschten Siedlung und die bisherigen Ergebnisse der Lehrgrabung zeigen den Fachleuten, daß die Hochdorfer im 5. Jahrhundert vor Christus alles andere als arme Schlucker waren. Die Gehöfte bestehen aus Haus, Grubenhäusern, die als Produktionsstätten genutzt wurden, und unterirdischen Kellern, die die Vorräte sowohl vor Frost als auch vor Hitze schützten. Systematisch rechtwinklig angeordnet, spiegeln die Gehöfte laut Biel ,,großen Reichtum'' der vermutlich 200 bis 300 Bewohner des Dorfes wieder, das als Landsitz des Keltenfürsten eingestuft wird. Jedes Gehöft war offenbar eingezäunt. Davon zeugen Spuren von Zaunpfosten, die jetzt bei der Lehrgrabung freigelegt wurden. Bisher wurde im mittleren Neckarland kein Beispiel für derartige Holzpfosten gefunden.

Der Reichtum der alten Hochdorfer kam nicht von ungefähr. Handwerk hatte wohl schon damals goldenen Boden. Im neuen Grabungsabschnitt wurden drei weitere, gut erhaltene Grubenhäuser entdeckt, in denen die Kelten Webstühle und Bronzewerkstätten eingerichtet hatten. Die Hochdorfer waren wohl nicht nur fleißig, sondern auch pfiffig. Biel nimmt an, daß ihr technisches Know-how die Händler aus dem Mittelmeerraum angelockt hat. Die Arbeit wurde offenbar auch mit Genuß belohnt. Die Grabungsteilnehmer haben etwa einen Meter tiefe Schlitze voller angekeimter Spelzgerste freigelegt. Die Anlage wurde als Getreidedarre für die Herstellung von keltischem Bier identifiziert.

Mit der Lehrgrabung kommt das Denkmalamt einen Schritt näher an sein Ziel, das Umfeld des Keltenfürsten von Hochdorf, die Handelsbeziehungen und die Siedlungsentwicklung vor zweieinhalbtausend Jahren zu entschlüsseln. Für nähere Erkenntnisse müßte die Grabungsfläche nach Biel auf ein ,,ideales Ausmaß'' von einem Quadratkilometer ausgeweitet werden. Dafür fehlt dem Landesdenkmalamt das Geld, zumal die Mittel in diesem Jahr auf 25 Prozent gekürzt wurde. Die Lehrgrabung wurde durch eine Spende des Fördervereins Keltenmuseum Hochdorf von 10.000 Mark ermöglicht. Die Teilnehmer arbeiten nicht für Geld, sie wollen wissenschaftliche Methoden der Grabungsarbeit und der Dokumentation kennenlernen. Dafür investieren sie ihren Urlaub. Lehrgrabungen sind dünn gesät. Das beweist ein Hobbyarchäologe, der eigens für 14 Tage aus Hamburg angereist ist. Die Grabung dauert bis zum 14. September. ral


© 1997 Stuttgarter Zeitung, Germany

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