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Zäher Kampf: Stuttgarts wohl ältestes Haus verkommtNeuer
Anlauf im Leonhardsviertel zur Rettung eines Baudenkmals - Das Problem
,,Sissy-Bar'' an der Hauptstätter Straße
VON GERT FACH
Es gilt als das wohl älteste Haus Stuttgarts, steht natürlich
unter Denkmalschutz, paßt keineswegs mehr in die aufwendig
sanierte Umgebung, und die Stadt kommt trotzdem nicht so recht vorwärts
- das Problem mit der ,,Sissy-Bar''.
Prangte das Schild am Haus Hauptstätter Straße 49 nicht
weithin sichtbar und würden Autofahrer wie Passanten nicht abends
Prostituierte davor stehen sehen, ließe sich die ,,Sissy-Bar''
leicht übersehen. Das Häusle mit dem steilen Giebeldach und
der unscheinbaren Fassade zwischen Weber- und Richtstraße am
Rand des Leonhardsviertels macht nichts her. Aber es verdient
Aufmerksamkeit - vor allem, weil es immer mehr herunterkommt, weniger
wegen seiner eindeutigen Nutzung als Teil des Rotlichtviertels. Im
Rathaus ist es wahrscheinlich vielen Leuten nicht bekannt, daß
es sich hier, nach Einschätzung des Schwäbischen
Heimatbundes, ,,wohl um das älteste Haus Stuttgarts''
(Vorsitzender Martin Blümcke) handelt.
Laut Denkmalliste der Stadt ist das Häusle ,,spätestens im
17. Jahrhundert am Rand der Altstadt'' erbaut worden - als Armenhaus.
Das gilt weniger für die jetzigen Eigentümer, eine
Erbengemeinschaft, die außerhalb Stuttgarts wohnt und am
Barbetrieb samt Zimmern ordentlich verdient. Der Pachtvertrag für
den ,,altstadttypischen Betrieb'' läuft bis 2006. Reinhard Schäfer,
Leiter des Amts für Stadterneuerung: ,,Wir verhandeln mit den
Leuten - eine Verkaufsbereitschaft lassen sie nicht erkennen.''
Trotzdem sei man weiter darum bemüht, eine Modernisierung des Gebäudes
zu erreichen, heißt es auf eine Anfrage der Rep-Fraktion.
Und wie steht es mit einem im Baugesetzbuch geregelten Gebot, dieses
Baudenkmal in Ordnung zu bringen und der mit großem Aufwand
sanierten Umgebung anzupassen? Schäfer: ,,Ich bin nicht sicher,
ob wir dafür eine Mehrheit im Gemeinderat bekommen.'' Aber es
gibt keinen Zweifel: ,,Das Gesetz greift, wenn eine bauliche Anlage Mißstände
aufweist.''
Wahrscheinlich war ursprünglich sogar die Stadt Bauherr dieses
Armenhauses - als Trägerin der Armenfürsorge. Damals durften
Durchreisende dort eine Nacht verbringen - heute wird der Aufenthalt höchstens
in Stunden berechnet.
Der Wert des Gebäudes ist für Wolfgang Mayer,
Denkmalpfleger der Stadt, unstrittig: ,,Wesentliche Raumstrukturen
sind im oberen Teil noch erhalten, auch ein fein ausgestaltetes
Sichtfachwerk.'' Nach Prüfung der Räume sagt Mayer:
,,Bedauerlich, daß es so heruntergewirtschaftet wird.'' Es könnte
,,ein Kleinod'' werden, sagt Amtsleiter Schäfer - auch dank öffentlicher
Mittel, um Nachteile für die Eigentümer auszugleichen.
Martin Blümcke vom Heimatbund, der wenige Meter entfernt seine
Geschäftsstelle in einem Baudenkmal eingerichtet hat: ,,Uns ist
jede Initiative recht, wenn es sich zum Besseren wendet.''
Nachbarschaftliche Probleme gebe es jedoch mit dem Altstadtlokal
nicht.
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