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Millionen Mark teurer Umbau abgeschlossen
Hundertjähriger Bahnhof bewegt sich in ganz neuen Gleisen
Zum Vereinsdomizil umgestalteter denkmalgeschützter
Personenbahnhof wird am 13. September seiner neuen Bestimmung übergeben
KORNWESTHEIM. In den hundert Jahre alten Personenbahnhof von
Kornwestheim kehrt neues Leben ein. Sieben Vereine und Institutionen
haben jetzt in dem Kulturdenkmal ihr ständiges Domizil. Anstelle
von Billetts gibt es im zweiten Bahnhof von Kornwestheim nun Ballett
einer Tanzschule. Das Städtische Orchester, der griechische
Kulturverein, die Kornwestheimer Filmamateure, die Egerländer
Gmoi, der Fasnetsverein Krähenhexen und der städtische
Streetworker nutzen in friedlicher Koexistenz die 600 Quadratmeter auf
vier Stockwerken als ständige Quartiere. Die Übergabe des für
2,6 Millionen Mark von der Stadt umgebauten Komplexes wird am Samstag,
13. September gefeiert. Die neuen Nutzer stellen sich und ihre Räume
am Einweihungstag und dem folgenden Sonntag der Öffentlichkeit
vor.
Großen Bahnhof ist das Gebäude von jeher gewohnt. Bei
der Einweihung am 30. September 1896 hatte sich immerhin der württembergische
König Wilhelm II. die Ehre gegeben. Mit der Umgehungsbahn Untertürkheim-Kornwestheim
mauserte sich die einstige Haltestation am Langen Feld um die
Jahrhundertwende schnell zu einem bedeutenden Bahnhof. Schon im Geschäftsjahr
1909/1910 nahm Kornwestheim im Personenverkehr unter den 590
Bahnstationen Württembergs den 15. Platz ein. 547660 Personen
reisten von Kornwestheim an und ab. Im gleichen Zeitraum wurden 58073
Tonnen Güter umgeschlagen, hat Stadtarchivar Marco Nimsch
erforscht. Der Ort Kornwestheim hatte damals gerade mal 4000
Einwohner. Der Bahnhof dehnte sich aus. Im Süden wurde eine
Gaststätte angebaut, ein nördlicher Anbau beherbergte
Diensträume, die inzwischen abgerissen worden sind.
Erst mit dem Bau des neuen Bahnhofs (des dritten in Kornwestheim),
der am 10. Oktober 1992 eingeweiht wurde, rückte das Gebäude
des Personenbahnhofs vorübergehend aufs Abstellgleis. Im Gespräch
war der Ziegelbau jedoch immer geblieben. 1989 kaufte die Stadt das
Gebäude von der Bahn, die im geplanten Bahnhofscenter ein
Reisezentrum einrichten sollte. Bürgermeister Günther Bareis
erinnert sich an langwierige Gespräche. ,,Es ging um viel Geld
und viel Technik.'' Die gesamten Fernmeldesysteme und die
Signalsteuerung mußten verlegt werden. Fragen nach dem
Nebeneinander von privater Nutzung und Bahn mußten geklärt
werden. Problematisiert wurde die Nähe zu den Gleisen und den
Hochspannungsleitungen. Schließlich wechselte der Bahnhof für
zwei Millionen Mark den Besitzer, und die Stadt suchte Nutzer. Für
einigen Wirbel sorgte die Verwaltung, als sie per Inserat
Interessenten suchte.
Lange war im Gespräch, ob in dem historischen Gebäude das
Museum der Eisenbahnerstadt eingerichtet werden sollte. Für die
Stadt war die Anlage laut Bareis ,,bei vertretbarem finanziellen
Aufwand nicht mit einer Museumskonzeption in Einklang zu bringen''.
Große Ausstellungsräume ließ die Statik des hohen
schmalen Hauses nicht zu. In fünf Meter Entfernung rauschen
regelmäßig die Schnellzüge vorbei. Damit waren die
Museumspläne vom Tisch, und die Vereine traten auf den Plan.
Ihnen stellt die Stadt die Räumlichkeiten zum ersten Mal nicht
umsonst zur Verfügung. Die Clubs müssen zwei Mark Miete im
Monat für den Quadratmeter bezahlen.
Der Umbau zur Anlaufstation für Vereine war nicht zum
Nulltarif zu haben. Allein die denkmalgerechte Reinigung des
Ziegelmauerwerks habe Summen im sechsstelligen Bereich verschlungen,
rechnet der Kämmerer vor, der froh ist, daß der
Kostenrahmen von 2,6 Millionen Mark eingehalten wurde. Im
Umbaufahrplan kam es jedoch zu erheblichen Verzögerungen. Ursprünglich
sollte die gelungene Renovierung mit dem hundertsten Geburtstag des
Bahnhofs gefeiert werden. Jetzt kommt sie halt mit einjähriger
Verspätung. ral
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