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Jugendstil zum Tag des offenen Denkmals Am 14. September
präsentieren sich in Baden-Württemberg 380 Objekte
mag. STUTTGART. Von der Bauernkate bis zur mächtigen Höhenburg,
von der archäologischen Grabung bis zur Fabrikhalle reicht in
diesem Jahr das Spektrum zum Tag des offenen Denkmals, der jetzt zum fünften
Mal veranstaltet wird. Mit 1900 Städten und Gemeinden in
Deutschland ist die Beteiligung um 400 Kommunen höher als letztes
Jahr, betont die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in Bonn, die das 1991
vom Europarat ins Leben gerufene Ereignis auf nationaler Ebene
organisiert. Allein in Baden-Württemberg können an diesem
14. September 380 Kulturobjekte, hundert mehr als im Vorjahr,
besichtigt werden, von denen viele sonst gar nicht zugänglich
sind. Erstmals wird das Programm über Internet
(www.denkmalschutz.de) und per Videotext in allen dritten
Fernsehprogrammen angeboten.
Als ,,wichtiges bundesweites Kulturereignis'' bezeichnet die
Stiftung den Tag des offenen Denkmals. Deren Vorsitzender Gottfried
Kiesow warnt gleichzeitig davor, in Zeiten knapper Finanzmittel, den
,,Denkmalschutz für ein kulturpolitisches Zierat zu halten'', auf
das man als erstes verzichten könne. Rudolf Schübert, zuständig
für den Denkmalschutz bei der Stadt Baden-Baden, geht es in aller
erster Linie darum, den Leuten die Augen zu öffnen und sie zu
sensibilisieren für die vielen kleinen Dinge, die ein Denkmal zum
Denkmal machen. Nach dem Motto, ,,wehret den Anfängen'', will Schübert
in seinem kulturpolitischen wie didaktischen Ansatz zeigen, daß
die Veränderung von kleinen Dingen oftmals große Wirkung
hat und ein Denkmal seiner einzigartigen Eigenschaften berauben kann.
Weil er den European Heritage Day als eine Chance begreift, um eine
Botschaft mitzuteilen, überläßt er ihn nicht der
Beliebigkeit: er stellt ihn unter ein Thema.
Bereits letztes Jahr sorgte Baden-Baden für überregionale
Aufmerksamkeit, als es Kulturdenkmale der letzten Jahrzehnte präsentierte.
Dabei war die Privatvilla des verstorbenen Nachkriegsarchitekten Egon
Eiermann, der auch als Lehrer für eine ganze Generation prägend
geworden war. Besuchergruppen aus allen Teilen Deutschlands hatten
sich eingefunden. Nun faßt Schübert unter der
programmatischen Namenszeile ,,Billing, Linde, Riemerschmid'' die
Jugendstilwerke dieser Architekten in Baden-Baden zusammen. Innerhalb
spezieller Führungen werden sowohl die Kunsthalle in der
Lichtentaler Allee als auch die katholische St. Bernhardkirche als
eine der letzten Beispiele des Jugendstils (1912) vorgestellt. In der
Vincenti- und Bernardstraße dann die Villen der Architekten,
Billing, Linde und Riemerschmid.
Zum Thema Jugendstil präsentiert sich zweihundert Kilometer
entfernt im Hohenloheschen ein außergewöhnliches Denkmal:
die von dem in München wie Stuttgart ebenso bekannten Architekten
Theodor Fischer erbaute Kirche in Gaggstatt. Innen wie außen ist
noch alles original. Bei keinem anderen Gotteshaus aus dieser Zeit läßt
sich deshalb so deutlich das ganzheitliche Konzept ablesen, das
Fischer in dem heutigen Teilort der Stadt Kirchberg (Kreis Schwäbisch
Hall) 1904 verwirklicht hat.
Auch die Stadt Ettlingen gibt sich an diesem 14. September einen
Rahmen und zeigt Gebäude aus der Zeit der frühen
Industrialisierung im Albtal, die sonst für die Öffentlichkeit
nicht zugänglich sind. Besucht werden kann die Buhl'sche Papiermühle,
die im 15. Jahrhundert erstmals genannt ist, 1791 in Massivbauweise
wiedererrichtet und ein paar Jahre später samt Mühlkanal
trockengelegt wurde. Zu sehen auch die Ettlin-Spinnerei, eine
sechsgeschossige Fabrikanlage mit Wohnhäusern aus dem frühen
19. Jahrhundert sowie die Kochmühle.
Eine Besonderheit dürfte die Besichtigung des Fernsehturms auf
dem Feldberg sein. Er war 1955 der erste Fernsehsender im Schwarzwald
und gilt in seiner Konstruktion als einzigartig. In Heitersheim,
ebenfalls im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, wird durch die Villa
urbana, einen römischen Achsenhof, geführt (2. Jahrhundert
n. Chr.), einem sonst in Baden-Württemberg unbekannten Bautyp. Für
die Eisenbahnfreunde wird es in Calw nostalgisch, wo am Südbahnhof
das älteste erhaltene mechanische Hebelstellwerk der ehemaligen Württembergischen
Staatsbahn (1889) bewundert werden kann.
Tübingen bietet neben seinem auch sonst geöffnetem Museum
auf Schloß Hohentübingen einen Blick in das schon legendäre
Evangelische Stift (1536), der Brutstätte württembergischer
Pfarrer und vielzitierter Geistesgrößen wie Hegel, Hölderlin,
Schelling, Mörike. Es handelt sich dabei um das ehemalige
Augustiner-Eremitenkloster am Klosterberg 2. Auch das Verbindungshaus
der Normannia in der Stauffenbergstraße ist außerhalb des
Tags des Denkmals für jedermann nicht zugänglich.
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