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Sonntag
ist Tag des offenen Denkmals: Busrundfahrt zu Beispielen der
Nachkriegsarchitektur
Liebevoller Blick auf Romeo und Julia Stadtkonservator
Mayer zeigt Baudenkmale aus den 50er Jahren: Rathaus, Villen, Kirchen
und Siedlungen
Achtlos geht man an ihnen vorbei, oft werden sie abgetan,
manchen drohte und droht Umbau oder Abriß - und doch sind es
Denkmale. Gemeint sind Bauwerke aus den 50er Jahren. Die
Nachkriegsarchitektur steht im Mittelpunkt des Tages des Denkmals am
Sonntag in Stuttgart.
Auf einer Busrundfahrt, die um 10, 12.30 und 15 Uhr am Marktplatz
beginnt und etwa zwei Stunden dauert, wird Stadtkonservator Wolfgang
Mayer einige Beispiele der Nachkriegsarchitektur erläutern. Die
Fahrten sind kostenlos, allerdings ist eine Anmeldung erforderlich
(Telefon 216 - 6939 beim Stadtplanungsamt).
,,Die Stuttgarter Nachkriegsarchitektur ist für den süddeutschen
Raum eine wichtige Bauepoche'', sagt Mayer. Gerade in der
Landeshauptstadt werde die Spannung zwischen den Traditionalisten und
den Vertretern des neuen Bauens sichtbar wie an sonst kaum einem
anderen Ort. Mayer: ,,Von den Baudenkmalen aus der Nachkriegszeit im
Land stehen zwei Drittel in Stuttgart. Sie sind aber vielen nicht
bekannt''. Ein weiterer Grund für die Wahl dieses ungewöhnlichen
Themenschwerpunkts ist für Mayer die Tatsache, daß ,,gerade
heute an diesen Bauten viel verändert wird''. Und außerdem
habe die Stadt in den vergangenen Jahren am Tag des Denkmals eher
traditionelle Bauwerke wie die Hedelfinger Kirche, das Cannstatter Klösterle
oder den Marmorsaal vorgestellt. Mayer: ,,Wir wollen auf die
Nachkriegsarchitektur aufmerksam machen und manchem Vorurteil
begegnen.'' Bei vielen nämlich seien die Stuttgarter Häuser
aus den 50er Jahren als ,,Billigbauten'' verschrien - sieht man einmal
von herausragenden Beispielen wie den Fernsehturm und die Liederhalle
ab.
Am Startpunkt wird der Marktplatz und das 1953 bis 1956 entstandene
neue Rathaus von Paul Schmohl und Paul Stohrer erläutert. Weitere
Stationen der Rundfahrt sind das Loba-Haus von Rolf Gutbrod in der
Charlottenstraße, eines der ersten Büro- und Geschäftshäuser
nach 1945, die von Max Bächer gebaute Villa Windstoßer an
der Neuen Weinsteige, die Waldsiedlung in Rohr und die
Versuchssiedlung Rotweg von Richard Döcker. Dazu kommen die
Wohnhochhäuser Romeo und Julia von Hans Scharoun, die
Salvatorkirche in Giebel (Hans und Jörg Herkommer) und die
Auferstehungskirche in Rot (Erwin Rohrberg) sowie das Stohrer-Bürohaus
im Herdweg. ,,Wir fahren nicht nur vorbei, sondern werden die Bauwerke
besichtigen'', sagt Mayer, der damit deutlich machen will, daß
die 50er Jahre eine ,,Epoche mit einem ausgeprägten Stil'' waren:
in Musik, Kleidung, Möbeln - und eben auch in der Architektur.
Kritik am städtischen Programm zum Tag des offenen Denkmals übt
derweil die Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Bürgervereine (ABS).
Vorsitzender Gerhard Viel bezeichnet das Angebot der Stadt als beschämend.
In einem Brief an Oberbürgermeister Wolfgang Schuster fordert er,
daß sich die Stadt 1998 stärker beteiligen müsse. Der
ABS regt an, öffentlichen Gebäuden wie das Mühlhausener
Schloß, die Villa Reitzenstein, den Mittelbau des Neuen
Schlosses, alte Trafostationen, die Kellergewölbe des
Fernsehturms und den ehemaligen Rosensteintunnel der Bahn zu öffnen.
Viel: ,,Das sind Objekte, die von den Bürgervereinen an einem
solchen Tag gerne besichtigt würden.'' dud
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