StZ Rems-Murr-Kreis 15.09.1997



Tag des offenen Denkmals

Wo die Römer einst Wache schoben

Beinahe wäre die Türe des römischen Wachturms beim Murrhardter Ortsteil Grab am Tag des offenen Denkmals zu geblieben, irgendjemand hatte das Schloß verstopft. Ein Bolzenschneider half schließlich aus der Bredouille, so daß jung und alt wie geplant am Sonntag einen Blick ins Innere werfen konnten. Fast 400 Kulturdenkmale im ganzen Ländle hatten gestern ihre sonst verschlossenen oder nur schwer zu öffnenden Türen für Besucher weit offen.

Im Rems-Murr-Kreis war die Besichtigung von historischen Ortskernen und Gebäuden in Schorndorf und Waiblingen im Angebot. An römischer Historie Interessierte fanden auf den Höhen des schwäbischen Waldes ihr Mekka, bei Führungen durch das Ortskastell in Welzheim oder eben bei der Besichtigung des römischen Grenzwalls samt rekonstruiertem Wachturm bei Grab.

Dort herrscht um die Mittagszeit Stille. Ähnlich dürften wohl auch die Soldaten, die auf dem steinernen Turm ihren Dienst versahen, die Gegend meist erlebt haben. Ein Quartett, das den Turm schon im Oktober 1982 bei der Eröffnung bestiegen hat, ist eigentlich auf der Suche nach dem Vesper, das der schwäbische Albverein hier kredenzen soll. Schon wollen sich die vier enttäuscht davon machen, da knirscht der Kies unter Siegfried Häfeles forschem Schritt. Die Einladung des Forstamtsdirektors zu einem Streifzug durch die Frühgeschichte nehmen die Wanderer gerne an. Steinturm, Palisadenzaun, Wall und Graben, wie sie auf den 536 Meter hohen Heidbuckel bei Grab nachgebaut sind, seinen vor allem in der Zeit nach 100 nach Christus entstanden. Damals wurde der Limes noch einmal ein Stück nach Westen verschoben, um den lebensnotwendigen Zugang zu den Nahrungsquellen an der unteren Donau zu sichern.

80 beinahe schnurgerade Kilometer zwischen Miltenberg und Lorch waren von etwa 900 Wachtürmen, ähnlich jenem in Grab, gesichert. Etwa sieben Mann hätten so einen Turm jeweils für ein bis zwei Wochen bewohnt, weiß Siegfried Häfele, immer Ausschau haltend nach umherstreifendem, germanischem Gesindel. Der Blick sei damals freilich freier gewesen, bis zum Nachbarturm hätte man gucken können. Das war schließlich auch für die Kommunikation äußerst wichtig. Verteidigt wurde das Bauwerk wohl nur selten von seiner Besatzung, vermutet der Fostamtsdirektor. Zwar sei die Mannschaft mit Lanzen bewaffnet gewesen, allerdings, so Häfele, habe man ,,doch fast mehr Werkzeug gefunden''. Im Ernstfall waren Holz- und Reisigstöße, die neben dem Turm aufgeschichtet waren, weitaus wichtiger. Per Rauchzeichen konnte damit Verstärkung aus dem nahegelegenen Murrhardter Kastell herbeigerufen werden. - Inzwischen hat Günter Henschels selbstgebautes Modell die Aufmerksamkeit der merklich angewachsenen Zuhörerschaft auf sich gezogen. Vor und hinter den Palisaden hat er kämpfende Plastikfiguren aufgestellt. ,,Wie 260, als die Alemannen den Limes überrannten'', merkt ein Besucher an. Siegfried Häfele weiß auch da mehr: Von ,,einer einzigen Schlacht'' könne da keine Rede sein. Die Römer seien wohl eher verdrängt worden, vor allem auch weil sie intern mehr mit Korruption und Machtkämpfen beschäftigt waren. Vorbei war es mit den Römern im schwäbisch-fränkischen Wald. Und so hätten sie es schließlich auch den Germanen zu verdanken, wenn sie heute hier Pilze sammeln könnten, bemerkt der Forstamtsdirektor augenzwinkernd. Weg, Weide, Wald und Wasser seien bei ihnen nämlich gemeinschaftliche Güter gewesen im Gegensatz zum römischen Recht. ,,Dann müssen sie uns jetzt nur noch sagen, wo die Pilze sind'', kommentiert lachend eine aufmerksame Zuhörerin mit Weidenkörbchen. fee

Atrikelübersicht


© 1997 Stuttgarter Zeitung, Germany