|
Bezaubernde Wallfahrt Literarischer Spaziergang im
Stuttgarter Lapidarium
¸¸Man lernt Stuttgart neu kennen'', so hat sich eine
Besucherin gefreut und erntete zustimmendes Kopfnicken der
Umstehenden. Sie war ebenso wie sechzig weitere Interessierte der
Einladung des Stadtarchivs und des Studio Gesprochenes Wort zum ¸¸Literarischen
Spaziergang im Lapidarium'' gefolgt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung
stand die naturnahe Dichtkunst schwäbischer Dichter und Denker
wie Schiller, Hauff und Mörike und ihre Liebe zur Heimat, zu
Stuttgart. Samt Texten und Gedichten von Goethe, Rilke, Ovid und
anderen wurden sie in der Regie von Tillmann Braun zu einer poetischen
Collage verknüpft.
Über elf romantische Stationen schlängelte sich der
Besucherzug unter alten Bäumen vorbei an efeuüberwucherten
Mauern, über Rasenflächen mit moosbewachsenen Skulpturen,
den fast hundert Jahre alten terrassierten Park mitten im brodelnden
Stadtkessel empor bis zur Karlshöhe: eine bezaubernde Wallfahrt
zu Uhland, Kerner und Schwab, die in fast klösterlicher
Abgeschiedenheit lediglich durch penetrante Lebenswirklichkeitsgeräusche
gestört wurde.
Die Studentinnen und Studenten der Hochschule für Musik und
Darstellende Kunst schufen beim ¸¸Verweilen im glückhaften
Lustgarten'' eine entspannte Atmosphäre durch die Melange von
heiteren und besinnlichen Passagen. An einigen Stellen wurde direkter
Bezug zum Denkmal genommen, etwa mit Hauffs ¸¸Schustertor'',
vorgetragen vor dem Portal vom Russen-Schuster aus dem Jahr 1764, das
den Dichter am ehemaligen Standort, in der Weinstraße 3,
inspiriert haben soll. Auszüge aus Rilkes Naturschilderung ¸¸Die
Parke I - VII'' rückten das Portal des Baumeisters Heinrich
Schickard ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Hauch von Vergänglichkeit
und Melancholie durchzog mit Goethes ¸¸Iphigenie auf
Tauris'' den klassizistischen Bereich der Wandelhalle.
Ein anonymer Text lobte ¸¸die Schönheit und Tüchtigkeit''
der Stuttgarterin, und Griesinger schwärmte in den hellsten Tönen
vom schönen und geschmackssicheren ¸¸Königstraßenlöwen''.
Im abschließenden, ambivalenten ¸¸Gruß an
Stuttgart'' wurde das Publikum mit Pfarrer Karl von Geroks Lob und
Lenaus Mäkeln am abscheulichen Klima des ¸¸verdammten
Kloakentals'' wieder in das zwanzigste Jahrhundert entlassen. Einziger
Kritikpunkt: nicht alle Dichter waren auf dem Programmzettel
verzeichnet, was die Zuordnung erschwerte.Petra Bail
|