Es stand in der »Stuttgarter« ... am 19.8.1997
|
|
|||||
2600
Röntgenbilder abgezeichnetDie Statussymbole der Alamannen im Land untersuchtBenno Urbon hat frühmittelalterliche Einlegearbeiten dokumentiert - Katalog erleichtert Datierung von Fundstücken mit TauschierungLEONBERG, Kreis Böblingen. Der schmale, ockerfarbene Band, den Benno Urbon in Händen hält, ist ein Schatzkästchen für Alamannenforscher. Insgesamt 2600 Tauschierungen, also frühmittelalterliche Einlegearbeiten, aus Württemberg und Hohenzollern hat der Leonberger in dem Buch dokumentiert. Der in seiner Art bisher einmalige Katalog ist die Quintessenz einer fast 30jährigen Arbeit des ehemaligen Leiters der Restauratorenwerkstatt am Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart. Schon 1969 hat Urbon in der Werkstatt im Alten Schloß begonnen, die Röntgenaufnahmen sämtlicher Tauschierungen aus der gesamten Region zu sammeln und nach Merkmalen zu sortieren. Ein Tag seiner wöchentlichen Dienstzeit stand ihm dafür zur Verfügung. Urbon wollte einerseits die Technik der filigranen Verzierungen, bei denen ein Edelmetall in Eisen eingearbeitet wird, nachvollziehen. Andererseits hoffte er, einzelne Werkstätten durch ein Verzeichnis der Funde lokalisieren zu könnnen. Ihn fasziniere die hohe Kunstfertigkeit der alamannischen und keltischen Tauschierungen, erklärt er seinen Arbeitseifer. ,,Die Einlegearbeiten waren die Statussymbole der Alamannen'', sagt der 70jährige. ,,Nur Wohlhabende konnten sie finanzieren.'' Seit seiner Pensionierung 1990 hat sich der Leonberger ganz auf die Intarsien, die man auf Gürtelschnallen, Schwertgriffen oder Sporen findet, konzentriert. Alle 2600 Röntgenaufnahmen hat er abgezeichnet und von der Zeichnung jeweils einen Kontaktabzug machen lassen. Wissenschaftler können nun neue Fundstücke durch den Vergleich mit den Abbildungen leichter einordnen und datieren. Außerdem konnte Urbon durch Werkstoffuntersuchungen zeigen, daß die alamannischen Handwerker nicht, wie bisher angenommen, mit einem Stichel die Rillen für die Intarsien in das Eisen schnitten. Vielmehr wurden die Vertiefungen oft mit einer Punze, einem stumpfen Meißel, in das Metall geschlagen. ,,Das ging viel schneller'', berichtet der Leonberger. In seinem Spätwerk sieht Urbon nicht den Höhepunkt seines Schaffens. Den habe er schon 1978 erlebt, als das berühmte keltische Fürstengrab von Hochdorf entdeckt wurde. ,,In 366 Arbeitstagen habe ich damals die vier nur noch in Bruchstücken vorhandenen Räder des Fürstenwagens restauriert'', erzählt der Restaurator Benno Urbon stolz. Geduld und Einfallsreichtum seien bei seiner Arbeit im Landesmuseum die wichtigsten Tugenden gewesen. Als Urbon 1953 dort begann, gab es den Beruf des Restaurators noch gar nicht. In einem kleinen Raum im halb zerbombten Alten Schloß werkelte er zusammen mit einer Kollegin als Präparator. Ständig mußte er sich fortbilden, neue Techniken studieren und moderne Apparate einführen. Öfter hat der heute 70jährige erst ein Verfahren, zum Beispiel zur Restaurierung von Lederschuhen, entwickeln müssen. ,,Mit als erste in Deutschland haben wir Röntgenaufnahmen zu Dokumentationszwecken genutzt'', berichtet er. Auch eine begehbare Tiefkühlkammer, in der die Fundstücke bei minus 20 Grad vor dem Verfall bewahrt werden, sei unter seiner Leitung eingeführt worden. Künftig will Urbon etwas zurückstecken. In einem Artikel in einer Fachzeitschrift wird er nochmals die Ergebnisse seiner Forschung zusammenfassen. Außerdem hat er sich ein spezielles Eisen schicken lassen. ,,Damit will ich versuchen, einfache Tauschierungen hinzubekommen'', sagt Benno Urbon. Mehr traue er sich schon wegen der schlechter werdenden Augen nicht zu. rau
|
|||
© 1997
Stuttgarter Zeitung, Germany
Es stand in der »Stuttgarter« ... am 19.8.1997 |