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Wenn keiner hinschaut
Die Raubzüge der modernen Schatztaucher
Mit Gold und Silber, Gewürzen, Schmuck und Edelsteinen an
Bord stachen sie von fernen Häfen aus in See, um die kostbare
Fracht über die Weiten der Ozeane nach Europa zu bringen.
Doch so manche spanische Galeone, mancher holländische
Ostindienfahrer erreichte den Bestimmungsort nie. Etliche sanken
im Sturm, zerschellten an Klippen und Riffen oder strandeten auf
Sandbänken. Ob der unberechenbaren Naturgewalten sowie
mangels navigatorischer Kenntnisse waren solche Unternehmungen ein
Wagnis. Nicht minder risikoreich geht es heutzutage bei der Suche
und Bergung legendärer Schiffswracks zu.
Trotzdem boomt die Unterwasserschatzsuche. Modernste Ortungs-
und Bergungssysteme ermöglichen es, die entlegensten Winkel
der Meere abzusuchen und wertvolle Schiffsladungen aus immer größeren
Tiefen zu bergen. ¸¸Die Technik ist jetzt da'', so schwärmt
Klaus Keppler, Chef der Nautik GmbH in Sasbach. Der führende
deutsche Schatzsucher ist davon überzeugt, daß in den
kommenden zehn Jahren die meisten Schatzschiffe entdeckt und ihre
Ladungen gehoben sind. Aber neben den wenigen Profis beteiligen
sich daran zugleich Scharen von Abenteurern, die der schnelle
Reichtum lockt.
Den ¸¸weltweiten Bergungswahn'' betrachten andere mit
Argwohn. ¸¸Leicht erreichbare Wracks werden systematisch
ausgeplündert'', so erklärt Uwe Schnall vom Deutschen
Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven. Deswegen reagieren Archäologen
und Historiker sofort, wenn wieder einmal von einem neuen,
spektakulären Schatzfund berichtet wird. Aus gutem Grund: für
die Fachwelt sind historische Schiffswracks als sogenannte
Zeitkapseln interessant, da sie ein komplexes Bild einer
bestimmten Epoche liefern. ¸¸Es ist nicht notwendig, daß
alles intakt ist'', so erläutert Schnall. Auch die Trümmerschichten
alter Segler, die oft tief unter Sand liegen oder längst von
Korallen überwachsen sind, haben wissenschaftlichen Wert.
Schiffswracks sind innerhalb nationaler Hoheitsgewässer geschützt
- theoretisch wenigstens. ¸¸Aber wo keiner hinschaut, da
wird hemmungslos zugelangt.'' So gebe es etwa rund um die Bermudas
kein einziges erhaltenes Wrack mehr, sagt Schnall. ¸¸Auch
vor der australischen Küste wurden ganze Schiffe zerpflückt,
damit man an die wertvolle Fracht kommt.'' Fernab der Küsten,
in internationalen Gewässern ist die Rechtslage dagegen sehr
schwierig: ¸¸Es gibt Unesco-Deklarationen - aber eben
noch nicht für Kulturgut unter Wasser'', bedauert der
Experte. Dabei sind die Forderungen der Fachwelt keineswegs überzogen:
¸¸Wir möchten wenigstens alles dokumentieren, bevor
es geborgen wird, und erwarten, daß nicht jeder auf dem
Meeresgrund machen kann, was er will.''
¸¸Die Kluft zwischen Wissenschaft und kommerzieller
Wracksuche muß nicht sein'', so behauptet Carsten Standfuß.
Beide Seiten könnten durchaus voneinander profitieren. Der
Schiffbauingenieur aus Bardenfleth bei Bremen betrachtet sich als
¸¸Wrackforscher''. In seinem Arbeitszimmer hat er
Hunderte von Büchern und Seekarten gehortet. Obendrein führt
er ein elektronisches Archiv, in dem 17783 Schiffswracks erfaßt
sind - ¸¸davon rund zweitausend mit Wertladung''.
Berichten und Gerüchten von sagenhaften Schiffsladungen geht
er akribisch nach. ¸¸Ich sammle so lange Fakten, bis ich
die Schatztheorie widerlegt habe'', sagt Standfuß. ¸¸Wenn
sich aber die Informationen verdichten, ist vermutlich etwas
Wahres dran.'' Dennoch könne man nie mit Sicherheit sagen,
was und wieviel von einer Ladung noch vorhanden und somit zu
bergen sei. Zwar läßt sich mittels intensiver Recherche
etwas Licht ins Dunkel vieler Schiffsuntergänge bringen. Aber
die exakte Position einer spanischen Galeone zu ermitteln ist fast
unmöglich.
Laut Standfuß ist das auch das Hauptproblem der meisten
Such- und Bergungsexpeditionen. Zwei von drei Unternehmungen
verlaufen ¸¸wenig erfolgreich'', weil entscheidende
Kriterien nicht beachtet wurden. So sind Stahlschiffe zwar relativ
leicht zu orten, doch liegen sie entweder in der Tiefsee oder zu
nah am Fahrwasser, was die Bergung sehr kostspielig macht.
Segelschiffe dagegen strandeten häufig vor der Küste,
dort aber liegen sie oft metertief im Sand. Neben exakten
Recherchen gilt es stets, die rechtliche Absicherung sowie die
Finanzierung im Auge zu behalten. Immerhin ist der Aufwand enorm.
Teure Ausrüstung, ein Team von Spezialisten, viel Zeit und
Ausdauer sind erforderlich. Deshalb umwerben Wracksucher
risikofreudige Investoren. Gewinne, aber auch Verluste können
geradezu astronomisch ausfallen. Jede Expedition will daher gut
durchkalkuliert und vorbereitet sein.
Mittels Sachverstand und Spitzentechnik möchte
Schatztaucher Klaus Keppler eben diesem Glück auf die Sprünge
helfen. ¸¸Die Zeit ist reif für das kalkulierte
Abenteuer'', verspricht die von ihm mitbegründete Hamburger
seabed invest GmbH. Mit dem Suchschiff Jade wird Keppler in Kürze
zu den Scilly-Inseln aufbrechen. Schon 1996 war er dort auf
Suchexpedition und konnte insgesamt achtzig Schiffswracks
ausfindig machen.
Die seabed invest konzentriert sich auf drei Projekte, wofür
sie bereits die Bergerechte besitzt. Außerdem hofft man, das
Wrack der Merchant Royal zu entdecken. Den Wert der Ladung des
1641 gesunkenen britischen Handelsschiffs - man vermutet Gold und
Silber - schätzt Keppler auf fünfzig bis zweihundert
Millionen Mark. Er ist optimistisch, daß ihm diesmal der große
Wurf, die Ortung der Merchant Royal, gelingen wird. ¸¸Wir
haben bereits zwei Drittel des Gebietes, wo sie nach unseren
Recherchen gesunken ist, abgesucht. Jetzt ist es nur noch eine
Frage der Zeit, bis wir das Wrack gefunden haben.'' Das Suchschiff
Jade ist mit modernster Technik wie Magnetometer und
ferngesteuerten Videokameras ausgestattet. Es verfügt zudem über
Satellitennavigation, mit der sich seine Position bis fast auf den
Meter genau bestimmen läßt. Dadurch wird
sichergestellt, daß beim Absuchen großer Meeresflächen
¸¸kein Fleckchen übersehen wird''.
Parallel zur Suche soll nunmehr auch die erste Bergung anlaufen.
Sie gilt der Princess Marie, einem holländischen
Ostindienfahrer, der 1686 ebenfalls vor den Scilly-Inseln mit
einer Ladung aus Silbermünzen, Keramikkrügen und Schmuck
sank: ¸¸Selbstverständlich werden die Arbeiten von
Archäologen begleitet'', versichert Keppler. Es steigere den
Wert der Fundstücke, wenn ihre Herkunft mittels Expertisen
nachgewiesen werden kann. Aber, so schränkt der Schatztaucher
ein: ¸¸Nicht überall müssen Archäologen
dabeisein, weil nicht jedes Schiff ein Kulturerbe ist.''
¸¸Jedes Wrack hat seine eigene Geschichte'', glaubt
dagegen Peter Baltes, Leiter des Wrackmuseums in Cuxhaven. Hier
werden keine kostbaren Schätze ausgestellt, sondern markante
Schiffsteile sowie ¸¸allerlei Gerätschaft und Dinge
des Alltags'', die von der Seefahrt zeugen. Die Exponate stammen
aus Weser- und Elbemündung. Baltes hat früher selber
Bergungsunternehmen beraten und mit seiner Privatsammlung den
Grundstock für das ungewöhnliche Museum gelegt. In den
sechziger Jahren wurden in der Deutschen Bucht zahlreiche Schiffe
aus dem Krieg geborgen, berichtet Baltes. ¸¸Eine archäologische
Begleitung stand nicht zur Debatte. Das galt alles als Schrott,
und vorrangig war dessen Verwertung.'' Erst im Laufe der Zeit habe
sich das Bewußtsein geändert.
Solange keine Raubbergung vorliegt, arbeiten Museen mit privaten
Bergern zusammen. Es sei immer noch besser, Museen kauften die
Fundstücke an, als daß sie in Privatsammlungen
landeten, sagt Baltes. Schatztaucher Keppler begrüßt
dies. Selbst Uwe Schnall vom Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven hat
keine Einwände: ¸¸Die Sammler sollen schon auf ihre
Kosten kommen.'' Er nimmt das eigene Haus davon nicht aus: ¸¸Wenn
etwas sauber gehoben wurde, spricht nichts gegen den Ankauf.'' Und
dennoch: ¸¸Wir Historiker freuen uns diebisch, wenn die
Bergung mit viel Aufwand erfolgt und anstelle von Gold nur Kondome
und Kartoffeln an Bord sind.'' Bernd Dornbusch
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