StZ sonstige Kreis-Seiten 10.03.1998

 

Internationale Fachtagung in Ludwigsburg

Archive rüsten sich für die Datenfluten der Zukunft

Vierzig Experten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich beraten im Staatsarchiv über ¸¸Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen''

LUDWIGSBURG. Staatliche und kommunale Archive, kirchliche und wissenschaftliche Sammelstätten stehen vor technischen und strukturellen Problemen, deren endgültige Lösung heute noch niemand ganz überblicken kann: Was machen die vielen Archive, die sich seit Beginn ihrer Arbeit mit Pergament- und Papierdokumenten beschäftigen, künftig mit der Flut von digitalisierten Akten und Dokumenten, die in hundert oder fünfhundert Jahren noch les- und verwertbar sein müssen? Auf Einladung der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg tagen seit Montag vormittag im Staatsarchiv Ludwigsburg vierzig Fachleute aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, um zwei Tage lang Erfahrungen mit der ¸¸Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen'' auszutauschen. Initiiert wurde diese erstmals in Ludwigsburg stattfindende Fachtagung von einem Arbeitskreis, in dem sich Experten aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und aus dem Bundesarchiv in KoblenzumProblemlösungenbemühen.

Bisher bewegen sich die Sammelstätten im Lande noch auf traditionellen Pfaden. Behörden und Gerichte geben wichtige Akten, Pläne, Karten und Plakate in die Obhut des jeweils zuständigen Staatsarchivs, das die Papiere konservatorisch betreut, erschließt und für Benutzer zugänglich macht. Der Tag ist absehbar, an dem die überstellten Papierberge durch Datenfluten abgelöst werden, die via Kabel den Sammelstätten zufließen.

Bisher haben die Archivare nur in begrenzten Umfang bei der Steuerung des Aktenflusses von den Behörden in die Magazine mitgewirkt. Das digitale Zeitalter fordert engere Zusammenarbeit zwischen Behörden, die Daten produzieren, und Archiven, die sie verwalten müssen. Wer heute in Rathäusern und Behördenstuben auf EDV- Systeme umstellt, denkt in erster Linie daran, die aktuellen Arbeitsgänge effizienter zu gestalten. An die Zukunft denkt niemand: Die Daten aus den unterschiedlichen EDV- Systemen sind nur in seltenen Fällen so zusammenzuführen, daß man sie langfristig als Archivmaterial nutzen kann.

Ein Beispiel, das die Fachleute seit längerer Zeit bewegt: Das gute alte Grundbuch, jahrzehntelang fein säuberlich und weitgehend fälschungssicher auf Papier geführt, soll vom Jahre 2004 an nur noch digital erstellt werden. Die Staatsarchive, die später einmal diese Daten für alle Zeiten aufbewahren und pflegen müssen, warten nicht geduldig ab, bis man ihnen im Jahre 2010 die ersten digitalen Grundbucheintragungen in unterschiedlichen Formaten zuspielt. Die Archivare arbeiten jetzt schon mit den Grundbuchämtern zusammen, um eine Methode zu erarbeiten, die bereits die Erstellung der Daten auf die spätere Archivierung abstimmt. Ähnliche Kooperationen gibt es auch mit anderen Arbeitsfeldern der Verwaltung.

Ziel der Archivare ist es, für alle Behörden, mit denen sie zusammenarbeiten müssen, eine Infrastruktur aufzubauen, die es ermöglicht, daß die Daten für die spätere Archivierung rechtzeitig standardisiert werden. Dafür müssen bei den unterschiedlichen EDV-Systemen der Behörden sogenannte Schnittstellen eingerichtet werden, die den Export der Daten in Großrechnern ermöglichen, welche speziell auf die Belange der Archive ausgerichtet sind. Doch damit haben die Archivare noch längst nicht für alle Zeiten ausgesorgt. Die ständige Weiterentwicklung von Soft- und Hardware und der digitalen Speichermedien zwingt sie zu aufwendiger Datenpflege.

Sollen die Archivalien auch in dreihundert Jahren noch nutzbar sein, müssen digitalisierte Akten und Urkunden alle paar Jahre auf neue Datenträger kopiert, in neue Formate konvertiert und manche von ihnen aus Sicherheitsgründen sogar alle fünf Jahre mit neuen EDV-Signaturen versehen werden, was die Archive der Zukunft vor gewaltige Datenmengen stellt, die für alle Zeiten beherrschbar bleiben müssen.orn