StZ Aus Baden-Württemberg 14.04.1998

 

In Friedrichshafen eine Lädine auf Kiel gelegt

Ein altes Bodensee-Boot wird neu gebaut - Das Lastenboot war jahrhundertelang ein gängiges Verkehrsmittel - Von Franz J. Schmid

Auf vielen alten Stichen, Ölbildern und Fresken vom Bodensee sind sie zu sehen, die breiten, flachen Schiffe. Das viereckige Segel ist an eine Rahe getakelt, den Querbalken am Mast. Solche Schiffe fuhren zwischen Bregenz, Konstanz und Radolfzell bis in die zwanziger Jahre unter Segel, später von Motoren getrieben noch bis in die fünfziger Jahre. Heute erinnert sich kaum mehr jemand an die Schiffahrt der Großväter. Mit dem Vergessen wollte sich Rolf Hiß nicht abfinden. Er hat es mit einer Gruppe von hartnäckigen Mitstreitern erreicht, daß eines dieser alten Schiffe nachgebaut wird. Salz, Tuch und Getreide werden sie nicht mehr transportieren, aber Touristen können schon im Sommer 1999 zusteigen. Lädi-Schiffe wurden die großen Lastboote im Alemannischen einst genannt, das Worten ¸¸laden'' schwingt wohl mit. Die ¸¸Lädi'' wurden seit dem 19. Jahrhundert eleganter und scheinbar hochdeutsch als Lädinen bezeichnet. Sie waren um die 30 Meter lang. Die kleineren Boote bis zu 20 Meter Länge hießen Segmer.

In der Werfthalle von Heiner Kemmer am Seemooser Horn bei Friedrichshafen liegen zwei massige Halbschalen aus Lärchenholz, sie bilden den Schiffsrumpf der modernen Lädine. Im September vergangenen Jahres wurde mit dem Bau begonnen. An der Werkbank wurden zunächst die 22 Spanten verleimt und kieloben aufgestellt. Sie bilden das innere Gerüst. Später wurden die 17,50 Meter langen Planken aufgebracht, und das erwies sich als eine besonders heikle Arbeit. Ein so langer schmaler Holzriemen verhält sich nicht wie ein festes Brett, ¸¸er wabbelt fast wie Gummi'', erzählt Heiner Kemmer. Vier Mitarbeiter mußten zusammen helfen, um die Planken auf die Spanten zu bringen. Zwei Lagen dieser Hölzer wurden übereinandergelegt, so daß eine vier Zentimeter starke Schiffswand entstand. Demnächst werden die beiden Hälften auseinandergenommen, ins Freie gezogen und dann mit der Öffnung nach oben aufgestellt. Danach beginnt der Innenausbau.

Im August könnte die Arbeit so weit gediehen sein, daß die Lädine, die eigentlich ein Segler ist, zu Wasser gelassen wird. Vermutlich haben die Schiffsbauer früher ohne maßstabgetreue Zeichnungen lediglich nach überkommenen Angaben und sicherem Gefühl des Handwerkers ihre Schiffe gezimmert. Pläne von den alten Schiffen gibt es nicht, lediglich mehr oder weniger getreue Zeichnungen, und seit dem 19. Jahrhundert auch Fotografien.

Überdies wurden Wracks am Seegrund von Tauchern fotografiert und vermessen. Aufgrund dieser nach und nach gesammelten Kenntnisse hat der Kreßbronner Schiffsbauingenieur Bernhard Utz den Riß für den Nachbau eines Schiffs nach den alten Vorbildern gezeichnet und berechnet. So ein einfaches rahgetakeltes Schiff hat nicht viele Möglichkeiten zu manövrieren. Es wurde vor allem mit achterlichem Wind, also mit Wind von hinten oder allenfalls schräg von hinten - raumschots - gesegelt. Bei Windstille haben Schiffsknechte gerudert oder ihre Lädi-Schiffe im Flachwasser dem Ufer entlang gestakt, also mit Stangen vorwärts gestoßen. Das mutet heute unglaublich mühsam an. Aber ein Lastschiff konnte die Ladung von 140 Fuhrwerken transportieren, beschreibt Rolf Hiß in einem Aufsatz. Bei günstigem Wind kam ein Schiff in zehn Stunden von Bregenz nach Konstanz.

Auf die Gunst des Wetters können die Betreiber der neue Lädine nicht allein bauen, schon allein wegen der Sicherheitsvorschriften. Das Schiff erhält deshalb einen Dieselmotor mit einer Leistung von 120 PS. Dieses Aggregat stiftet die Motoren- und Turbinen-Union (MTU) in Friedrichshafen. Die ZF Friedrichshafen AG liefert kostenlos das Getriebe dazu. Allein die Maschinenanlage hat samt Einbau einen Wert von etwa 80.000 Mark. Die Lädine soll vor allem für touristische Rundfahrten genützt werden. Das Schiff kann für Ausflüge von Vereinen oder Betrieben gechartert werden. Auch wird es komfortabler ausgestattet als die alten Lädinen, mit Toilette und kleiner Notkoje, falls jemandem an Bord unwohl werden sollte.

Etwa eine halbe Million wird das neue Schiff kosten, weit mehr, als der kleine Verein sich leisten kann. Er hat aus Beiträgen und bei Festen insgesamt 35.000 Mark zusammengebracht. Selbst die größten Enthusiasten wollten schon aufgeben, weil das Vereinskapital nicht reichte und nicht genug Sponsoren aufgetrieben werden konnten. Dann stieß der Förderverein auf das Interreg-Programm der Europäischen Union. Vergangenes Jahr kam dann die Zusage aus Brüssel, die Hälfte der Baukosten werde aus ¸¸Interreg''-Mitteln bestritten. Als die Volksbank von Immenstaad und die Gemeinde Immenstaad erhebliche Beiträge zusagten, stand die Finanzierung endlich.