|
In Friedrichshafen eine Lädine auf Kiel gelegt
Ein altes Bodensee-Boot wird neu gebaut - Das Lastenboot war
jahrhundertelang ein gängiges Verkehrsmittel - Von Franz J.
Schmid
Auf vielen alten Stichen, Ölbildern und Fresken vom
Bodensee sind sie zu sehen, die breiten, flachen Schiffe. Das
viereckige Segel ist an eine Rahe getakelt, den Querbalken am
Mast. Solche Schiffe fuhren zwischen Bregenz, Konstanz und
Radolfzell bis in die zwanziger Jahre unter Segel, später von
Motoren getrieben noch bis in die fünfziger Jahre. Heute
erinnert sich kaum mehr jemand an die Schiffahrt der Großväter.
Mit dem Vergessen wollte sich Rolf Hiß nicht abfinden. Er
hat es mit einer Gruppe von hartnäckigen Mitstreitern
erreicht, daß eines dieser alten Schiffe nachgebaut wird.
Salz, Tuch und Getreide werden sie nicht mehr transportieren, aber
Touristen können schon im Sommer 1999 zusteigen. Lädi-Schiffe
wurden die großen Lastboote im Alemannischen einst genannt,
das Worten ¸¸laden'' schwingt wohl mit. Die ¸¸Lädi''
wurden seit dem 19. Jahrhundert eleganter und scheinbar
hochdeutsch als Lädinen bezeichnet. Sie waren um die 30 Meter
lang. Die kleineren Boote bis zu 20 Meter Länge hießen
Segmer.
In der Werfthalle von Heiner Kemmer am Seemooser Horn bei
Friedrichshafen liegen zwei massige Halbschalen aus Lärchenholz,
sie bilden den Schiffsrumpf der modernen Lädine. Im September
vergangenen Jahres wurde mit dem Bau begonnen. An der Werkbank
wurden zunächst die 22 Spanten verleimt und kieloben
aufgestellt. Sie bilden das innere Gerüst. Später wurden
die 17,50 Meter langen Planken aufgebracht, und das erwies sich
als eine besonders heikle Arbeit. Ein so langer schmaler
Holzriemen verhält sich nicht wie ein festes Brett, ¸¸er
wabbelt fast wie Gummi'', erzählt Heiner Kemmer. Vier
Mitarbeiter mußten zusammen helfen, um die Planken auf die
Spanten zu bringen. Zwei Lagen dieser Hölzer wurden übereinandergelegt,
so daß eine vier Zentimeter starke Schiffswand entstand.
Demnächst werden die beiden Hälften auseinandergenommen,
ins Freie gezogen und dann mit der Öffnung nach oben
aufgestellt. Danach beginnt der Innenausbau.
Im August könnte die Arbeit so weit gediehen sein, daß
die Lädine, die eigentlich ein Segler ist, zu Wasser gelassen
wird. Vermutlich haben die Schiffsbauer früher ohne maßstabgetreue
Zeichnungen lediglich nach überkommenen Angaben und sicherem
Gefühl des Handwerkers ihre Schiffe gezimmert. Pläne von
den alten Schiffen gibt es nicht, lediglich mehr oder weniger
getreue Zeichnungen, und seit dem 19. Jahrhundert auch
Fotografien.
Überdies wurden Wracks am Seegrund von Tauchern
fotografiert und vermessen. Aufgrund dieser nach und nach
gesammelten Kenntnisse hat der Kreßbronner
Schiffsbauingenieur Bernhard Utz den Riß für den
Nachbau eines Schiffs nach den alten Vorbildern gezeichnet und
berechnet. So ein einfaches rahgetakeltes Schiff hat nicht viele Möglichkeiten
zu manövrieren. Es wurde vor allem mit achterlichem Wind,
also mit Wind von hinten oder allenfalls schräg von hinten -
raumschots - gesegelt. Bei Windstille haben Schiffsknechte
gerudert oder ihre Lädi-Schiffe im Flachwasser dem Ufer
entlang gestakt, also mit Stangen vorwärts gestoßen.
Das mutet heute unglaublich mühsam an. Aber ein Lastschiff
konnte die Ladung von 140 Fuhrwerken transportieren, beschreibt
Rolf Hiß in einem Aufsatz. Bei günstigem Wind kam ein
Schiff in zehn Stunden von Bregenz nach Konstanz.
Auf die Gunst des Wetters können die Betreiber der neue Lädine
nicht allein bauen, schon allein wegen der
Sicherheitsvorschriften. Das Schiff erhält deshalb einen
Dieselmotor mit einer Leistung von 120 PS. Dieses Aggregat stiftet
die Motoren- und Turbinen-Union (MTU) in Friedrichshafen. Die ZF
Friedrichshafen AG liefert kostenlos das Getriebe dazu. Allein die
Maschinenanlage hat samt Einbau einen Wert von etwa 80.000 Mark.
Die Lädine soll vor allem für touristische Rundfahrten
genützt werden. Das Schiff kann für Ausflüge von
Vereinen oder Betrieben gechartert werden. Auch wird es
komfortabler ausgestattet als die alten Lädinen, mit Toilette
und kleiner Notkoje, falls jemandem an Bord unwohl werden sollte.
Etwa eine halbe Million wird das neue Schiff kosten, weit mehr,
als der kleine Verein sich leisten kann. Er hat aus Beiträgen
und bei Festen insgesamt 35.000 Mark zusammengebracht. Selbst die
größten Enthusiasten wollten schon aufgeben, weil das
Vereinskapital nicht reichte und nicht genug Sponsoren
aufgetrieben werden konnten. Dann stieß der Förderverein
auf das Interreg-Programm der Europäischen Union. Vergangenes
Jahr kam dann die Zusage aus Brüssel, die Hälfte der
Baukosten werde aus ¸¸Interreg''-Mitteln bestritten. Als
die Volksbank von Immenstaad und die Gemeinde Immenstaad
erhebliche Beiträge zusagten, stand die Finanzierung endlich.
|