StZ Aus Baden-Württemberg 18.04.1998

 

Auf verschlungenene Pfaden zum Gefängnis-Abriß

Schwäbisch Hall möchte das alte Gebäude gerne los werden - Denkmalschützer wehren sich / Von Martin Geier

Die Postitionen sind klar, und - wenigstens im Augenblick - unverrückbar. Die Stadt Schwäbisch Hall betreibt den Abriß des vor kurzem teilweise leergewordenen Gefängnisgebäudes in der historischen Altstadt, das Landesdenkmalamt lehnt ab, das Wirtschaftsministerium selbst ist schwankend. Dennoch gibt sich der Haller Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim optimistisch. ¸¸Regierungspräsidium und Landesdenkmalamt werden auf unseren Standpunkt einschwenken'', prophezeit er und wirkt wie jemand, der pfeifend durch den nächtlichen Wald streift. Tatsächlich kann man das Vorgehen der Verwaltung nur begreifen, wenn man ihr Ziel vor Augen hat. Sie wünscht den Abriß der teils denkmalgeschützten Strafanstalt am Kocher, die zwar nicht die ganzen 150 Jahren ihres Bestehens, zumindest aber die vergangenen 30 Jahre die gewerbliche Entwicklung der Innenstadt blockiert hat.

Wenn Ende April der Gemeinderat den Wettbewerb für die Überbauung des scherzhaft so genannten Kocherhotels ausschreibt, wird mancher das für verrückt halten, was für Pelgrim offenbar fein ausgeklügelte Taktik ist. ¸¸Auf so eine Ausschreibung kann ja kein Architekt reagieren'', meint dazu Denkmalamtspräsident Dieter Planck. Die Architekten müssen nämlich um den denkmalgeschützten Zellenblock herumplanen und das Gelände mit Läden und Wohnungen bestücken. Auch scheint der OB darauf zu hoffen, daß sich der eine oder andere Planer nicht an die Vorgaben hält und das Denkmal-Gefängnis nur noch als Fassade verwendet.

¸¸Wir sind der Stadt schon sehr entgegengekommen'', sagt Denkmalschützer Planck. Für ihn werde die Haltung der Stadt immer undurchsichtiger. Einmal lege man Wert auf dieses, ein ander mal auf jenes. Mauern, Torwache und die jüngeren Anbauten können auch nach Plancks Meinung geschleift werden, nicht jedoch der historische Zentralbau. Die Zellen dort waren zwar für ein Gefängnis im Wortsinn brandgefährlich geworden, ¸¸aber da kann man mehr draus machen, das läßt sich vernünftig nutzen.''

Daß der oberste Denkmalschützer in dieser Sache weich werden könnte, ist unwahrscheinlich. Nach den geheimen Wünschen der Stadt könnte das denkmalgeschützte Objekt jedoch den Denkmalcharakter verlieren, auch wenn es noch steht. Dies träte dann ein, wenn ein Planer erstens die historische Bausubstanz durchlöchern würde und später die Wettbewerbsjury und der Gemeinderat gerade diesen Entwurf für preis- und realisierungswürdig hielten. In dieser Situation wäre der Weg frei für einen gänzlichen Abriß der alten Anstaltsgebäude, weil die Konservatoren keine Potemkinschen Bauten bezuschussen.

Jedenfalls will sich Pelgrim in den nächsten Tagen bei einem führenden Stuttgarter Kaufhausbetreiber weitere Detailinformationen für seine Ausschreibung holen - die Stadt ist im Augenblick ohne Baubürgermeister. Im gleichen Maße wie das für die Attraktivität des Haller Einzelhandels wichtige Prestigeobjekt Kontur gewinnt, wächst die Sorge bei manchen Bürgern über die künftige städtebauliche Gestaltung dieses sensiblen Bereichs. Hall ist ja - bedingt durch die topografische Lage - eine ganz besondere mittelalterliche Stadt. Deswegen fürchten sich viele vor hausgemachten Entwürfen und bezweifeln, daß unter den gegenwärtigen Ausschreibungsbedingungen überhaupt renommierte Architekten zu gewinnen sind.

Oberbürgermeister Pelgrim rechnet damit, daß dieses Thema die Haller noch jahrelang beschäftigen. Dazu trägt sicher der Umstand bei, daß das Gefängnis nun zwar umgezogen, aber noch gar nicht ganz frei ist. Die Stadt hat für die Neuerwerbung an das Finanzministerium brav die ausstehenden neun Millionen Mark überwiesen. Block 6 des alten Gebäudes wird aber weiter als Untersuchungsgefängnis an das Land vermietet: Die Gefängnisse quellen derzeit über und mit landesweit 9027 Gefangene wurde eine noch nie dagewesene Rekordzahl erreicht. Diese Zahlen werden sich in absehbarer Zeit kaum dezimieren. Was das für die Stadtplaner bedeutet, steht in den Sternen.