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Auf verschlungenene Pfaden zum Gefängnis-Abriß
Schwäbisch Hall möchte das alte Gebäude gerne los
werden - Denkmalschützer wehren sich / Von Martin Geier
Die Postitionen sind klar, und - wenigstens im Augenblick -
unverrückbar. Die Stadt Schwäbisch Hall betreibt den
Abriß des vor kurzem teilweise leergewordenen Gefängnisgebäudes
in der historischen Altstadt, das Landesdenkmalamt lehnt ab, das
Wirtschaftsministerium selbst ist schwankend. Dennoch gibt sich
der Haller Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim
optimistisch. ¸¸Regierungspräsidium und
Landesdenkmalamt werden auf unseren Standpunkt einschwenken'',
prophezeit er und wirkt wie jemand, der pfeifend durch den nächtlichen
Wald streift. Tatsächlich kann man das Vorgehen der
Verwaltung nur begreifen, wenn man ihr Ziel vor Augen hat. Sie wünscht
den Abriß der teils denkmalgeschützten Strafanstalt am
Kocher, die zwar nicht die ganzen 150 Jahren ihres Bestehens,
zumindest aber die vergangenen 30 Jahre die gewerbliche
Entwicklung der Innenstadt blockiert hat.
Wenn Ende April der Gemeinderat den Wettbewerb für die Überbauung
des scherzhaft so genannten Kocherhotels ausschreibt, wird mancher
das für verrückt halten, was für Pelgrim offenbar
fein ausgeklügelte Taktik ist. ¸¸Auf so eine
Ausschreibung kann ja kein Architekt reagieren'', meint dazu
Denkmalamtspräsident Dieter Planck. Die Architekten müssen
nämlich um den denkmalgeschützten Zellenblock
herumplanen und das Gelände mit Läden und Wohnungen bestücken.
Auch scheint der OB darauf zu hoffen, daß sich der eine oder
andere Planer nicht an die Vorgaben hält und das Denkmal-Gefängnis
nur noch als Fassade verwendet.
¸¸Wir sind der Stadt schon sehr entgegengekommen'',
sagt Denkmalschützer Planck. Für ihn werde die Haltung
der Stadt immer undurchsichtiger. Einmal lege man Wert auf dieses,
ein ander mal auf jenes. Mauern, Torwache und die jüngeren
Anbauten können auch nach Plancks Meinung geschleift werden,
nicht jedoch der historische Zentralbau. Die Zellen dort waren
zwar für ein Gefängnis im Wortsinn brandgefährlich
geworden, ¸¸aber da kann man mehr draus machen, das läßt
sich vernünftig nutzen.''
Daß der oberste Denkmalschützer in dieser Sache weich
werden könnte, ist unwahrscheinlich. Nach den geheimen Wünschen
der Stadt könnte das denkmalgeschützte Objekt jedoch den
Denkmalcharakter verlieren, auch wenn es noch steht. Dies träte
dann ein, wenn ein Planer erstens die historische Bausubstanz
durchlöchern würde und später die Wettbewerbsjury
und der Gemeinderat gerade diesen Entwurf für preis- und
realisierungswürdig hielten. In dieser Situation wäre
der Weg frei für einen gänzlichen Abriß der alten
Anstaltsgebäude, weil die Konservatoren keine Potemkinschen
Bauten bezuschussen.
Jedenfalls will sich Pelgrim in den nächsten Tagen bei
einem führenden Stuttgarter Kaufhausbetreiber weitere
Detailinformationen für seine Ausschreibung holen - die Stadt
ist im Augenblick ohne Baubürgermeister. Im gleichen Maße
wie das für die Attraktivität des Haller Einzelhandels
wichtige Prestigeobjekt Kontur gewinnt, wächst die Sorge bei
manchen Bürgern über die künftige städtebauliche
Gestaltung dieses sensiblen Bereichs. Hall ist ja - bedingt durch
die topografische Lage - eine ganz besondere mittelalterliche
Stadt. Deswegen fürchten sich viele vor hausgemachten Entwürfen
und bezweifeln, daß unter den gegenwärtigen
Ausschreibungsbedingungen überhaupt renommierte Architekten
zu gewinnen sind.
Oberbürgermeister Pelgrim rechnet damit, daß dieses
Thema die Haller noch jahrelang beschäftigen. Dazu trägt
sicher der Umstand bei, daß das Gefängnis nun zwar
umgezogen, aber noch gar nicht ganz frei ist. Die Stadt hat für
die Neuerwerbung an das Finanzministerium brav die ausstehenden
neun Millionen Mark überwiesen. Block 6 des alten Gebäudes
wird aber weiter als Untersuchungsgefängnis an das Land
vermietet: Die Gefängnisse quellen derzeit über und mit
landesweit 9027 Gefangene wurde eine noch nie dagewesene
Rekordzahl erreicht. Diese Zahlen werden sich in absehbarer Zeit
kaum dezimieren. Was das für die Stadtplaner bedeutet, steht
in den Sternen.
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