|
Archäologen
werden bei der Auswertung der Ausgrabungen von Walheim fündig
Erstmals Kastell einer römischen Transporteinheit entdeckt
Vom Standard abweichende Form, ungewöhnliche Innenbauten
und ein eigenes Badegebäude zeugen von dem besonderen Charakter
des Lagers
WALHEIM, Kreis Ludwigsburg. Archäologen machen manchmal
bedeutende Entdeckungen bei ihren Ausgrabungen. Manchmal aber auch
erst danach, wenn die Befunde und Funde in langwierigen, mühsamen
Untersuchungen im Detail ausgewertet werden. So auch in Walheim,
wo im vergangenen Jahrzehnt die militärische und zivile
Vergangenheit zur Römerzeit erkundet wurde. Nun ist dort,
nachträglich, ein ungewöhnliches, bisher einzigartiges Römerkastell
entdeckt worden, das ein ganz neues Licht auf die römische
Besetzung des Landes wirft und auch für einige andere Römerkastelle
völlig neue Deutungen nahelegt.
Weil die wissenschaftliche Erforschung des am weitesten
ausgegrabenen Lagerdorfs neben den beiden Kastellen von nationaler
Bedeutung ist, übernimmt die Deutsche Forschungsgemeinschaft
fünf Jahre lang die Kosten der Auswertung der archäologischen
Grabung. Auch die Wüstenrot-Stiftung steuert Mittel bei, denn
das Landesdenkmalamt könnte dies nicht finanzieren.
Das Kastell II (die Nummer I liegt unterdem Ortskern von Walheim
und ist 2,1 Hektar groß) wurde 1982 beim Bau der B 27
entdeckt und ist in den Jahren bis 1985 soweit möglich
ausgegraben worden. Es ist von zwei bis vier Meter breiten Gräben
umgeben, hinter denen sich eine Mauer aus Erde und Holz befand.
Dieses etwa 0,6 Hektar große Kastell, so nahmen die Ausgräber
damals an, war für eine Vorausabteilung, ein
Expeditionskorps, Ende des 1. Jahrhunderts errichtet worden. Zur
Jahrhundertwende sei es aufgegeben und durch das größere
Kohortenkastell ersetzt worden, in dem römische Hilfstruppen
für die Bewachung der Neckargrenze stationiert waren. Damals
schon fiel den Archäologen freilich die ungewöhnliche
Form des Militärlagers und seiner Innenbauten auf.
Klaus Kortüm und Johannes Lauber, die sich der Auswertung
der Grabungsbefunde und -funde angenommen haben, sind nun zu
neuen, überraschenden Ergebnissen gekommen. Das Kleinkastell
ist keinesfalls älter als das große, sondern ist wie
dieses Anfang des 2. Jahrhunderts errichtet und etwa ums Jahr 160
aufgelassen worden. Beide liegen hintereinander an der Römerstraße.
Später ist das Lagerareal mit Zivilgebäuden überbaut
worden. Im Museum Römerhaus in Walheim ist dies auf Plänen
zu sehen.
Die weitere Untersuchung ergab dann, daß in der kleineren,
rechteckigen Anlage keine Kampftruppen stationiert waren, sondern
eine Transporteinheit. Neben den langgestreckten Unterkünften
für die Mannschaften, einem großen Stall für die
Zugtiere und Wagenremisen sind in einer ersten Bauphase auch
Werkstätten zu erkennen, in denen Waffen repariert wurden und
der Bedarf der Soldaten an allerlei Gerät gedeckt werden
konnte. Die Transporttruppe hatte vor allem die Aufgabe,
Lebensmittel weiträumig heranzuschaffen, nicht nur für
das Militär in Walheim, sondern wohl weit darüber
hinaus. Offenbar war das Neckarland damals noch dünn
besiedelt. Römische Gutshöfe, die sonst die Versorgung
der Truppe mit Nahrungsmitteln übernahmen, hat es anfangs
hier keine gegeben, so daß die Fourage von weither
herantransportiert werden mußte.
In der zweiten Bauphase des Kastells II hat sich das geändert.
Aus der befestigten Unterkunft für die Trainsoldaten und
Fuhrknechte ist ein bewachtes Zentraldepot, ein Heeresproviantamt
für den ganzen Neckarabschnitt, geworden. Eine typische, mehr
als 50 Meter lange und fast 20 Meter breite Lagerhalle nahm die
Getreidevorräte auf, die nun wohl aus der Nachbarschaft von
den inzwischen entstandenen Gutshöfen reichlich angeliefert
wurden und die das Fassungsvermögen der kleinen Speichergebäude
in den Militärlagern selbst überstiegen. Möglicherweise
ist nun auch schon Nachschub mit Neckarschiffen nach Walheim
gebracht worden.
Spätestens um diese Zeit ist in dem Trainkastell ein
eigenes Badegebäude gebaut worden, was unterstreicht, daß
die Besatzung dieses Lagers eigenständig war und mit der
Kohorte im Kastell nebenan nichts zu tun hatte. Diese Soldaten
hatten ihr eigenes Bad. Auch ist nun ein Wohn- und Amtsgebäude
des Depotverwalters nachweisbar. In der dritten Bauphase schließlich
lag der Schwerpunkt im Kastell auf den Werkstätten. Damals
wurden zwei der vier Tore des Kleinkastells geschlossen. Nur die
direkte Verbindung zum Nachbarkastell via Römerstraße
blieb erhalten.
Die Entdeckung dieses bisher einzigartigen Nachschubkastells
wird die Archäologen nun auch in anderen Fällen, wo es
ein größeres und ein kleineres Römerkastell am Ort
gibt, zum Überdenken der alten Bewertungen führen. Man
hat sie als Lager für Sondereinheiten, wie Spähtrupps,
angesehen. Diese Zwei-Kastell-Orte liegen (mit Ausnahme von Rißtissen
an der Donau und von Weißenburg in Bayern) alle im nördlichen
Landesteil: Neckarburken und Osterburken, Heidelberg und Welzheim.
Auch da gibt es separate Strukturen mit eigenständigen
Badegebäuden. Doch sind die Indizien dort nicht so klar, weil
diese Kastelle nicht mit modernen Methoden ausgegraben worden
sind. dka
|