Verfallene Reste ehrwürdiger Bauten ins Museum?
Auch im Landtag wird Denkmalschutz kaum mehr als staatliche
Hoheitsaufgabe begriffen / Von Martin Geier
Wann immer polemisiert wird, ein Fünkchen Wahrheit steckt
doch in den polternd oder süffisant vorgetragenen Gedanken.
Claus Schmiedel (SPD) hat der Landesregierung vorgeschlagen, statt
30 Millionen Mark für ein Haus der Geschichte auszugeben,
dieses Geld wieder auf den um die Hälfte geschrumpften Etat für
die Denkmalpflege draufzusatteln. Damit würde sich dieser
Neubau sozusagen erübrigen. In der Landtagsdebatte über
den Situationsbericht des Wirtschaftsministeriums zum
Denkmalschutz zog Schmiedel das Fazit, daß bei anhaltendem
Sparkurs und einem gewissen Stillstand bei der Förderung die
Trümmer der zerfallenden Denkmale dann im Haus der Geschichte
bewundert werden können.
Das konnte das Ministerium so nicht stehen lassen. Staatssekretär
Horst Mehrländer (FDP) konterte ebensowenig überzeugend
wie lapidar: Die Sparmaßnahmen des Landes seien nicht das
Ende des Denkmalschutzes in Baden-Württemberg. Dabei spricht
der auf Antrag der SPD-Fraktion erstellte Bericht von
Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) eine eigene Sprache.
Er zeigt vor allem, wie weit sich die Landesregierung von der seit
Schinkel geltenden grundsätzlichen Einstellung entfernt hat:
Denkmalschutz ist Hoheitsaufgabe und unterliegt der Fürsorge
des Staates. Davon steht kein Wort in Dörings Rapport, dem
die Ohren klingen müßten, sollte er ihn je tatsächlich
auch studiert haben - weil er kontraproduktiv zur
Wirtschaftspolitik des Ministers steht. Die Sparmaßnahmen
zur Konsolidierung der Staatsfinanzen führen nämlich
dazu, daß auf Jahre hinaus kein Pfennig mehr für
weitere Denkmal- und Sanierungsfälle ausgegeben werden kann.
Die vorhandenen 30 Millionen Mark sind - auf diesen Zeitraum
verteilt - durch Verpflichtungsermächtigungen bereits ¸¸ausgegeben''.
Das bittere Resümee Dörings: Besonders im mittelständischen
Baugewerbe sind Arbeitsplätze in nicht unerheblichem Umfang
gefährdet. Bei Spezialfirmen kam es schon zu Betriebsschließungen.
Nach Bayern sei Baden-Württemberg mit 80000 bis 90000
Denkmalen das Bundesland mit den meisten Denkmalen; von denen sind
allerdings erst zwei Drittel in Listen erfaßt worden. Die
Zahl der archäologischen Denkmale, von denen die meisten noch
unter der Erde liegen, wird auf 60000 geschätzt; davon stehen
24100 in einer Liste. Weil Rettungsgrabungen seit zwei Jahren nur
noch bedingt möglich sind, geht Döring in seinem Bericht
davon aus, daß ¸¸wichtige Fundstellen von großer
wissenschaftlicher Bedeutung ohne Dokumentation und Erforschung
zerstört werden''. Dies sei ein ¸¸hoher Verlust für
die Landesgeschichte''.
Winfried Kretschmann von den Grünen nannte diese Bilanz das
Ergebnis der Deregulierungspolitik der Regierung, die
wirtschaftspolitisch ¸¸eine Torheit ersten Ranges'' sei.
Da eine Mark staatlicher Förderung im Denkmalschutz acht Mark
an privaten Investitionen nach sich ziehe, verstehe er ihn als
wirksame regionale Wirtschaftsförderung. Als Beispiel nannte
er die Restaurierung von Schloß Aulendorf, bei der 80
Handwerksbetriebe aus der Umgebung mitgewirkt hätten.
Kretschmanns Schlußfolgerung: die Denkmalpolitik Dörings
sei ¸¸verantwortungslos''.
Das sah Rosely Schweizer (CDU) nicht so und schien über die
Entwicklung eher froh zu sein, weil nicht mehr jeder vor 1900
gebaute Schuppen unter Schutz gestellt würde.
Friedrich-Wilhelm Kiel (FDP) hieb in die gleiche Kerbe, indem er
auf kostspielige Luxusrestaurierungen in der Vergangenheit
hinwies, die jetzt nicht mehr möglich sind. Zwischenrufe
Schmiedels (¸¸Nennen Sie mir nur ein Beispiel.'') überhörte
der Fellbacher Oberbürgermeister geflissentlich. Anspielend
auf den Hinweis, daß im Landesdenkmalamt seit 1993 zwanzig
Personalstellen abgebaut wurden, überlegte Frau Schweizer, ob
man von jedem Konservator einen Tätigkeitsnachweis anfordern
sollte. Sei die Stelle überflüssig, könnte man mit
dem eingesparten Salär Denkmale fördern.
Konsequent weiterdenkend könnte man dann alle 239,5 Stellen
bei der Behörde streichen. Denn dann hätte man wieder
das Förderniveau erreicht wie zu den goldenen Zeiten der
CDU-Alleinregierung.
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