Bagger reißt Fundament der Tübinger Synagoge nieder
Baustopp einfach gebrochen - ¸¸Klare Rechtsverletzung
und eklatanter Vertrauensbruch'' - Landesdenkmalamt hält
Wiederaufbau für möglich
mip. TÜBINGEN. Große Teile des Fundaments der Tübinger
Synagoge sind zerstört worden, obwohl die Stadt für
diesen Teil des Geländes einen Baustopp verhängt hatte.
Noch am Mittwoch abend waren sich Stadt, Landesdenkmalamt,
Projektgruppe ¸¸Denkmal Synagogenplatz'', Israelitische
Religionsgemeinschaft und Gemeinderäte einig, daß die
vor kurzem gefundenen Reste des Fundaments der Tübinger
Synagoge an Ort und Stelle erhalten werden sollen. Doch am
Donnerstag morgen hob ein Bagger die Steine von mehr als einem
Drittel des Fundaments aus dem Erdreich. Eine entsprechende
Anweisung ist offenbar vom Bauträger Baumann ausgegangen.
Tübingens eilig herbeigerufener Baubürgermeister
Siegfried Mezger sprach von einem ¸¸klaren Rechtsbruch
und eklatanten Vertrauensbruch, den ich auch persönlich
nehme''. Der Bauherr habe versucht, Fakten zu schaffen. Die Stadt
oder das Landesdenkmalamt oder beide Behörden würden auf
jeden Fall einen Strafantrag stellen. Nun wurde für das
gesamte Grundstück ein Baustopp verhängt, alle Baugeräte
mußten noch gestern abgezogen werden.
Professor Hubert Krins vom Landesdenkmalamt hält es für
möglich, die 15 entfernten Steine an Ort und Stelle
wiederaufzurichten. ¸¸Das kann auf wissenschaftlicher
Basis geschehen. Das jetzt teilzerstörte Denkmal ist in den
letzten Tagen vollständig dokumentiert worden.'' Krins wies
allerdings auch auf die komplizierte baurechtliche Lage hin, weil
der Bebauungsplan auf dem Synagogengelände das Errichten
eines Mehrfamilienhauses gestattet.
Das jüdische Gotteshaus war von den Nazis 1938 angezündet
worden. 1951 entstand auf dem Platz ein Zweifamilienhaus. Dieses
wurde in diesem Frühjahr abgerissen, die Pläne für
ein Zwölffamilienhaus hatten alle baurechtlichen Hürden
genommen. Direkt neben dem Grundstück sollte noch in diesem
Jahr ein Gedenkplatz entstehen. Doch völlig überraschend
stieß die Projektgruppe ¸¸Denkmal Synagogenplatz''
nun kürzlich auf die Fundamentreste. Sie fordert seither eine
Gedenkstelle am alten Ort der Synagoge.
Die Stadt schlug zunächst vor, nur einen Teil der
Fundamentreste im Boden zu belassen und daneben weiterhin an den
bisherigen Synagogenplatz-Plänen festzuhalten. Diesem
Kompromiß schien zunächst auch das Landesdenkmalamt
zuzustimmen. Der Bauträger hielt sich im Rahmen dieser von
der Projektgruppe immer abgelehnten Variante, als er einen Teil
der Steine mit dem Bagger abräumen ließ. Bürgermeister
Mezger: ¸¸Völlig klar, eine Erlaubnis dazu hatte er
nicht.'' Im Gegenteil, seit einer Diskussion am Runden Tisch mit
40 Gesprächsteilnehmern am Mittwoch abend war für alle
Beteiligten außer dem Bauträger deutlich geworden, ¸¸daß
über den bisherigen Kompromiß hinaus die gesamten
Fundamentreste in einem würdigen Rahmen erhalten werden
sollen'', wie es Mezger in einer Presseerklärung formulierte.
Der ursprünglich vorgesehene Platz des Gedenkens soll mit den
aufgefundenen Fundamentresten, einem Zaun aus der Zeit der
Synagoge und der alten Gartenmauer zusammengeführt werden.
Die Stadtverwaltung wollte untersuchen, unter welchen
baurechtlichen Voraussetzungen diese Empfehlung umgesetzt werden könnte.
Die Projektgruppe hält eine Verschiebung des Wohnblocks,
einen kleineren Bau oder gar einen völligen Verzicht des Baus
nach einem Kauf des Grundstücks, beispielsweise durch eine
Stiftung, für denkbar.
In den letzten Tagen hatten sich zahlreiche Tübinger Bürger,
aber auch in den USA lebende Mitglieder der früheren jüdischen
Gemeinde Tübingens mit großem Nachdruck für den
Erhalt der Fundamentreste eingesetzt. Landesrabbiner Joel Berger
sprach von einem geschichtsträchtigen Ort, für den ein würdevoller
Rahmen zu schaffen sei. Das könne nicht in einem Winkel neben
einer Tiefgarage geschehen. |