Stuttgarter Zeitung sonstige Kreis-Seiten 8.6.1998

 

Bußgelder für Abriß der Schnepple-Fassade

Geldstrafen für Eigentümergemeinschaft und Bauleiter wegen Zerstörung der historisch wertvollen Fassade

LUDWIGSBURG. Wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz hat das Ludwigsburger Amtsgericht gestern einen Bauherrn und einen Bauleiter zur Zahlung von Bußgeldern verurteilt. Beide sind nach dem Urteil des Gerichts dafür mitverantwortlich, daß im Januar 1997 ohne behördliche Genehmigung die historische Fassade des früheren Weinhauses Schnepple am Marktplatz 12 eingerissen worden ist. Die Stadt Ludwigsburg hatte die ,,widerrechtliche Handlungsweise'' mit drei Bußgeldbescheiden gegen ein Mitglied der Eigentümergemeinschaft, den bauleitenden Architekten und den Bauunternehmer geahndet. Die drei sollten insgesamt 60000 Mark bezahlen. Während der Bauunternehmer, durch dessen Bagger die Fassade gefallen ist, das Bußgeld bezahlt hat, gingen die beiden anderen Verantwortlichen vor den Kadi. Nach dem gestern gesprochenen Urteil muß der als Vertreter der Eigentümergemeinschaft aufgetretene Architekt 20000 Mark bezahlen, der Bauleiter ist mit 15000 Mark dabei. Das sind jeweils 5000 Mark weniger, als die Stadt in ihren Bescheiden festgesetzt hatte.

Der Prozeßverlauf war wie das Hinabsteigen einer hierarchischen Leiter: Zuerst versuchten Bauherr und Bauleiter einem von ihnen zeitweise als Bauleiter eingesetzten Selbständigen den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. Dann sollte der Freiberger Abrißunternehmer schuld am Fall der wertvollen Fassade sein, und eigentlich - so deutete einer der Verteidiger in seinem Plädoyer an - könnte doch auch der Baggerführer die Ostwand des Schnepple-Hauses umgeworfen haben. Mit dem Verweis darauf, daß ihre Mandanten keinerlei Verantwortung für die unsachgemäße Durchführung des Bauvorhabens getragen hätten, hatten beide Verteidiger auf Freispruch plädiert.

Die Richterin hielt jedoch die beiden Ludwigsburger für verantwortlich: Zum Zeitpunkt des Einsturzes der Fassade habe der eine eindeutig die Gemeinschaft bürgerlichen Rechts Schnepple vertreten, und der andere habe sich zum Zeitpunkt des illegalen Abrisses in Bauleiterfunktion befunden.

Stadtverwaltung und Staatsanwaltschaft waren ursprünglich davon ausgegangen, daß es sich beim Fall der Schnepple-Fassade um denkmalschutzrechtliche Verstöße in besonders schwerer Form handelt. Dann wären Bußgelder bis zu 500000 Mark möglich gewesen. Nachdem das Gericht von den besonders schweren Fällen Abstand genommen hatte, blieb noch ein Bußgeldrahmen bis zu 100000 Mark. Bei der Bemessung der Bußgelder berücksichtigte die Richterin, daß die beiden Angeklagten recht bescheidene Einkommen vorrechneten. Der Staatsanwalt, der die Bußgeldforderungen der Stadt befürwortete, kam zu dem Schluß, daß mit dem Abriß ganz einfach das Genehmigungsverfahren abgekürzt werden sollte, das seit dem ersten Baugesuch 1993 den Antragstellern einen ¸¸steinigen Weg'' bereitet hatte. Außerdem, so die Schlußfolgerung des Staatsanwalts, wäre es aus Sicht der Bauherren teurer geworden, die Wand instand zu setzen, als sie einfach umzuwerfen und neu zu bauen.

Der Freiberger Unternehmer, der behauptete, eine eindeutige Anweisung zum Abbruch bekommen zu haben, hat sein Bußgeld der Stadt überwiesen. Auf die Frage der Richterin, warum er bezahlt habe, antwortete der Mann: ¸¸Ich habe gedacht, das Geld hol' ich mir vom Architekten wieder.'' rom/StZ