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Mit einer richtigen Burg den Kindertraum erfüllt
Mehr Spaß als Ärger: Denkmalschutz in der Praxis -
Eine Ausstellung in Aalen / Von Martin Geier
Schon als Kinder turnten die Brüder Bernhard und Ulrich
Theiss am Fuß der Turmhügelburg Roden herum und
spielten im dichten Tann Räuber und Gendarm. Mittlerweile hat
sich der Aalener Verleger Bernhard Theiss seinen Jugendtraum erfüllt,
den staufischen Wohnturm aus dem 12.Jahrhundert für 200.000
Mark gekauft und ihn für denselben Betrag zum
Familienferienwohnsitz ohne Licht und Wasser ausgebaut. 75 Stufen
muß Bernhard Theiss hochsteigen, bis er dann seine Seele
baumeln lassen und ein Leben ohne Uhr genießen kann. Nein,
Denkmalbesitzer Theiss hat den Kauf (und damit auch die Auflagen
der Denkmalpflege) noch nie bereut - und auch die Kinder finden
das Burgleben nach wie vor super.
Der 23 Meter hohe und acht mal acht Meter große Bergfried
bei Abtsgmünd stand vor 14 Jahren als Sanierungsfall in der
Denkmalsverkaufsliste des Regierungspräsidiums Stuttgart.
Ohne das private Engagement wäre seine Rettung fast unmöglich
und das Schicksal des am besten erhaltenen Wohnturms Süddeutschlands
aus dieser Zeit ungewiß gewesen. Ungewiß war die
Zukunft der meisten kultur- und kunstgeschichtlichen Kleinodien,
die vor ihrer sorgsamen Restaurierung so vergammelt und
unansehnlich waren, daß ihre Besitzer sie niederreißen
wollten. "Das beste Beispiel dafür ist das ehemalige
Ackerbürgerhaus in der Aalener Stadelgasse'', erklärt
Denkmalpfleger Klaus Könner. Der Orgelspezialist aus dem
Stuttgarter Landesdenkmalamt hat in vierjähriger Arbeit - und
dies meist noch in seiner Freizeit - die erste große
Ausstellung nach 15 Jahren über die Bau- und
Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg konzipiert, die jetzt
im Aalener Rathaus von Wirtschaftsminister Walter Döring
(FDP) eröffnet wurde. "Ich wollte eine Ausstellung, die
den Problembereich Alltag und Praxis im Denkmalschutz plastisch rüberbringt'',
betont Könner und fand für seine Idee in dem Aalener
Ersten Bürgermeister Eberhard Schwerdtner einen überzeugten
Mitstreiter. Nach den Erkenntnissen der Denkmalpfleger sind es nämlich
die kleinen, unscheinbaren, oft als Denkmal gar nicht erkannten
Gebäude, die ohne großes Aufsehen von der Bildfläche
zu verschwinden drohen.
Dafür liefert Aalen ein Beispiel. Der Stadtbrand von 1634
zerstörte im Nordwesten der freien Reichsstadt sämtliche
Häuser. Bis ins 17.Jahrhundert dauerte der anschließende
Wiederaufbau der Unteren Stadt, in der vornehmlich die soziale
Unter- und Mittelschicht lebte. Als Kleine-Leute-Häuser
werden diese Gebäude noch heute angesehen. Kein Wunder, daß
der neue Besitzer des absolut heruntergekommenen Hauses
Stadelgasse 10, ein Lehrer, für den Schuppen einen Abrißantrag
stellte. Die durchgehenden Zimmerhöhen betrugen lediglich
1,80 Meter. Der Antrag landete auf Klaus Könners
Schreibtisch. Ein oberflächliches Gutachten bestätigte
den hohen Geschichtswert des Hauses. Mit dem Lehrer, der viel in
Eigenarbeit erneuerte, wurde ein Erhaltungs- und Nutzungskonzept
besprochen, heute ist die Gastwirtschaft ¸¸Stadel'' ein
Vorzeigeobjekt, auf das Konservator Könner besonders stolz
ist, weil sein Eigentümer jetzt ein weiteres Denkmal kaufen
und sanieren möchte.
Könner zeigt in der Ausstellung verschiedene Objekte aus
Aalen und dem Ostalbkreis. Signifikante Gebäude aus ihrer
Zeit für die Sozialgeschichte sind das Schafhaus in
Lauchkling, hatte doch bis in unser Jahrhundert hinein die
Wanderschäferei auf der kargen Ostalb eine große
Bedeutung. Oder das aus der Barockzeit stammende Gasthaus "Roß''
in Goldburghausen, an der alten Durchgangsstraße nach Nördlingen
gelegen. So wie es zum Schluß aussah, durch häßliche
Anbauten verhunzt und schließlich baufällig geworden,
konnte man den Ruf des Besitzers nach der Abrißbirne nur
allzu gut verstehen. Jetzt, aller Nebensächlichkeiten
entkleidet, erscheint das ¸¸Weiße Roß''
wieder in seiner schlichten Schönheit - ein vortreffliches
Beispiel für landschaftsbezogenes Bauen. Die Ausstellung
unter dem Titel ¸¸Steh fest mein Haus im Weltgebraus''
zeigt das ureigene Anliegen der Denkmalpflege von Konzeption und
Umsetzung und ist in verschiedene Bereiche, Dach-, Fenster-,
Treppenerhaltung, gegliedert. Wie Denkmalamtspräsident Dieter
Planck erklärte, soll die Ausstellung in den nächsten
Jahren im ganzen Land gezeigt und jeweils um örtliche
Erhaltungsbeispiele ergänzt werden. Zum Abschluß - und
dies erst nach der Jahrtausendwende - kommt die Schau in die
Landeshauptstadt Stuttgart. Als selbstverständlich
bezeichnete es Planck, daß Denkmalpflege nicht Veränderungsstopp
bedeutet. ¸¸Jede Generation muß sich neuen
Gegebenheiten anpassen und verändert damit ihr bauliches
Umfeld. Denkmalpflege bedeutet also nicht nur Bewahren, sie
bedeutet Bewahren und Fortentwickeln.''
Recht widersprüchlich war die Rede Wirtschaftsminister Dörings
bei der Eröffnung, dem obersten politischen Denkmalschützer
im Land. Zum einen beschönigte er nicht die rasante
finanzielle Talfahrt mit einer Halbierung der Fördermittel,
andererseits bescheinigte er der Denkmalpflege ¸¸im
politischen Bewußtsein nach wie vor einen außerordentlichen
politischen Stellenwert''. Eine Aussage, die bei den Praktikern
nur Kopfschütteln verursachte. Döring versprach auch
keine pekuniäre Besserung bis 1999, andererseits sei dies als
Dauerzustand nicht zu akzeptieren. In den vergangenen zehn Jahren
gab das Land 570 Millionen Mark Zuschüsse, was ein
Investitionsvolumen von 4,5 Milliarden Mark auslöste. Dadurch
konnten 32.500 Arbeitsplätze gesichert werden - die jetzt
teilweise auf dem Spiel stehen.
»Steh fest mein
Haus im Weltgebraus«, vom 9.Juni bis 9.August in der
Rathausgalerie Aalen. Öffnungszeiten Mo-Fr 9-17 Uhr,
Sa 9.30-12 Uhr, So 10.30-12 und 14-17 Uhr. (Tel. 07361/522359)
Katalog 39 Mark. |