Stuttgarter Zeitung Aus Baden-Württemberg 10.6.1998

 

Mit einer richtigen Burg den Kindertraum erfüllt

Mehr Spaß als Ärger: Denkmalschutz in der Praxis - Eine Ausstellung in Aalen / Von Martin Geier

Schon als Kinder turnten die Brüder Bernhard und Ulrich Theiss am Fuß der Turmhügelburg Roden herum und spielten im dichten Tann Räuber und Gendarm. Mittlerweile hat sich der Aalener Verleger Bernhard Theiss seinen Jugendtraum erfüllt, den staufischen Wohnturm aus dem 12.Jahrhundert für 200.000 Mark gekauft und ihn für denselben Betrag zum Familienferienwohnsitz ohne Licht und Wasser ausgebaut. 75 Stufen muß Bernhard Theiss hochsteigen, bis er dann seine Seele baumeln lassen und ein Leben ohne Uhr genießen kann. Nein, Denkmalbesitzer Theiss hat den Kauf (und damit auch die Auflagen der Denkmalpflege) noch nie bereut - und auch die Kinder finden das Burgleben nach wie vor super.

Der 23 Meter hohe und acht mal acht Meter große Bergfried bei Abtsgmünd stand vor 14 Jahren als Sanierungsfall in der Denkmalsverkaufsliste des Regierungspräsidiums Stuttgart. Ohne das private Engagement wäre seine Rettung fast unmöglich und das Schicksal des am besten erhaltenen Wohnturms Süddeutschlands aus dieser Zeit ungewiß gewesen. Ungewiß war die Zukunft der meisten kultur- und kunstgeschichtlichen Kleinodien, die vor ihrer sorgsamen Restaurierung so vergammelt und unansehnlich waren, daß ihre Besitzer sie niederreißen wollten. "Das beste Beispiel dafür ist das ehemalige Ackerbürgerhaus in der Aalener Stadelgasse'', erklärt Denkmalpfleger Klaus Könner. Der Orgelspezialist aus dem Stuttgarter Landesdenkmalamt hat in vierjähriger Arbeit - und dies meist noch in seiner Freizeit - die erste große Ausstellung nach 15 Jahren über die Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg konzipiert, die jetzt im Aalener Rathaus von Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) eröffnet wurde. "Ich wollte eine Ausstellung, die den Problembereich Alltag und Praxis im Denkmalschutz plastisch rüberbringt'', betont Könner und fand für seine Idee in dem Aalener Ersten Bürgermeister Eberhard Schwerdtner einen überzeugten Mitstreiter. Nach den Erkenntnissen der Denkmalpfleger sind es nämlich die kleinen, unscheinbaren, oft als Denkmal gar nicht erkannten Gebäude, die ohne großes Aufsehen von der Bildfläche zu verschwinden drohen.

Dafür liefert Aalen ein Beispiel. Der Stadtbrand von 1634 zerstörte im Nordwesten der freien Reichsstadt sämtliche Häuser. Bis ins 17.Jahrhundert dauerte der anschließende Wiederaufbau der Unteren Stadt, in der vornehmlich die soziale Unter- und Mittelschicht lebte. Als Kleine-Leute-Häuser werden diese Gebäude noch heute angesehen. Kein Wunder, daß der neue Besitzer des absolut heruntergekommenen Hauses Stadelgasse 10, ein Lehrer, für den Schuppen einen Abrißantrag stellte. Die durchgehenden Zimmerhöhen betrugen lediglich 1,80 Meter. Der Antrag landete auf Klaus Könners Schreibtisch. Ein oberflächliches Gutachten bestätigte den hohen Geschichtswert des Hauses. Mit dem Lehrer, der viel in Eigenarbeit erneuerte, wurde ein Erhaltungs- und Nutzungskonzept besprochen, heute ist die Gastwirtschaft ¸¸Stadel'' ein Vorzeigeobjekt, auf das Konservator Könner besonders stolz ist, weil sein Eigentümer jetzt ein weiteres Denkmal kaufen und sanieren möchte.

Könner zeigt in der Ausstellung verschiedene Objekte aus Aalen und dem Ostalbkreis. Signifikante Gebäude aus ihrer Zeit für die Sozialgeschichte sind das Schafhaus in Lauchkling, hatte doch bis in unser Jahrhundert hinein die Wanderschäferei auf der kargen Ostalb eine große Bedeutung. Oder das aus der Barockzeit stammende Gasthaus "Roß'' in Goldburghausen, an der alten Durchgangsstraße nach Nördlingen gelegen. So wie es zum Schluß aussah, durch häßliche Anbauten verhunzt und schließlich baufällig geworden, konnte man den Ruf des Besitzers nach der Abrißbirne nur allzu gut verstehen. Jetzt, aller Nebensächlichkeiten entkleidet, erscheint das ¸¸Weiße Roß'' wieder in seiner schlichten Schönheit - ein vortreffliches Beispiel für landschaftsbezogenes Bauen. Die Ausstellung unter dem Titel ¸¸Steh fest mein Haus im Weltgebraus'' zeigt das ureigene Anliegen der Denkmalpflege von Konzeption und Umsetzung und ist in verschiedene Bereiche, Dach-, Fenster-, Treppenerhaltung, gegliedert. Wie Denkmalamtspräsident Dieter Planck erklärte, soll die Ausstellung in den nächsten Jahren im ganzen Land gezeigt und jeweils um örtliche Erhaltungsbeispiele ergänzt werden. Zum Abschluß - und dies erst nach der Jahrtausendwende - kommt die Schau in die Landeshauptstadt Stuttgart. Als selbstverständlich bezeichnete es Planck, daß Denkmalpflege nicht Veränderungsstopp bedeutet. ¸¸Jede Generation muß sich neuen Gegebenheiten anpassen und verändert damit ihr bauliches Umfeld. Denkmalpflege bedeutet also nicht nur Bewahren, sie bedeutet Bewahren und Fortentwickeln.''

Recht widersprüchlich war die Rede Wirtschaftsminister Dörings bei der Eröffnung, dem obersten politischen Denkmalschützer im Land. Zum einen beschönigte er nicht die rasante finanzielle Talfahrt mit einer Halbierung der Fördermittel, andererseits bescheinigte er der Denkmalpflege ¸¸im politischen Bewußtsein nach wie vor einen außerordentlichen politischen Stellenwert''. Eine Aussage, die bei den Praktikern nur Kopfschütteln verursachte. Döring versprach auch keine pekuniäre Besserung bis 1999, andererseits sei dies als Dauerzustand nicht zu akzeptieren. In den vergangenen zehn Jahren gab das Land 570 Millionen Mark Zuschüsse, was ein Investitionsvolumen von 4,5 Milliarden Mark auslöste. Dadurch konnten 32.500 Arbeitsplätze gesichert werden - die jetzt teilweise auf dem Spiel stehen.

»Steh fest mein Haus im Weltgebraus«, vom 9.Juni bis 9.August in der Rathausgalerie Aalen. Öffnungszeiten Mo-Fr 9-17 Uhr, Sa 9.30-12 Uhr, So 10.30-12 und 14-17 Uhr. (Tel. 07361/522359) Katalog 39 Mark.