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Archäologen
im Alten Rathaus
Spuren aus dem 13.Jahrhundert ESSLINGEN. Das Alte Rathaus,
ein großer und prächtiger Fachwerkbau aus dem Spätmittelalter,
wird seit Jahren saniert und für moderne Bedürfnisse
eingerichtet. So soll unter anderem im Erdgeschoß eine Fußbodenheizung
eingebaut werden. Das hat das Landesdenkmalamt auf den Plan gerufen
- nicht nur die Baudenkmalpfleger, sondern auch die Archäologen.
Die graben seit Anfang April. Denn auf dem Platz, wo 1422 die Freie
Reichsstadt Esslingen ihr stolzes Rathaus errichtete, sind schon früher
Gebäude gestanden. Sie waren allerdings deutlich kleiner. Überwiegend
sind es Fachwerkgebäude gewesen, von deren tragenden Pfosten
noch die Standlöcher im Boden erhalten sind. An der Westseite
kam ein steinerner, tonnengewölbter Keller zutage, der
zweieinhalb Meter breit und noch zwei Meter lang ist. Beim
Rathausbau ist der ganze übrige Rest abgebrochen worden. Der
Keller hatte eine Scheitelhöhe von 2,60 Meter.
Im nordöstlichen Bereich kam ein rundgemauerter Brunnen zum
Vorschein, von dem nur noch ein Halbkreis vorhanden ist. Aus
statischen Gründen - das Fundament des Rathauses reicht nur
einen Meter unter das Fußbodenniveau - kann der Brunnen
nicht bis zum Grund ausgegraben werden. Und so werden die ganz
unten vermuteten Funde, die die Benutzungszeit des Brunnens
erkennen lassen würden, nicht geborgen werden. Im Norden, zum
Marktplatz hin, fanden die Ausgräber Reste eines
kleinteiligen Pflasters, das sich wohl nach draußen
fortsetzen wird. Das Rathaus ist natürlich am (damaligen)
gepflasterten Marktplatz gebaut worden.
Zwei parallele gepflasterte Gassen, die in der Mitte eine Abflußrille
für das Regen-oder Abwasser haben, liegen erstaunlich nahe
beieinander. Für die Parzellen (und damit die Häuser)
bleiben dazwischen nicht mehr als etwa drei Meter Breite übrig.
Im südlichen Teil der untersuchten Fläche im Erdgeschoß
des Rathauses ist noch ein Stück Pflaster freigelegt worden.
Hier liegen sogar zwei unterschiedliche Pflasterschichten übereinander.
Bei der Ausgrabung sind bisher nur die oberen Schichten
untersucht worden. Sie erbrachten noch nicht ausgewertete Funde,
vor allem Keramik aus dem 14. und 15. Jahrhundert, also aus der
Zeit vor dem Rathausbau. Nach dem Abbruch der Häuser ist das
Gelände mit dem Ziegelschutt von den Dächern einplaniert
worden.
Daß das Esslinger Rathaus auf einem zuvor schon bebauten
Areal errichtet wurde, kommt nicht überraschend. Das
Platzangebot innerhalb der mauerumwehrten Stadt war begrenzt. Und
zudem mußte das Rathaus als Repräsentationsbau an
prominenter Stelle, am Markt und bei der Kirche, stehen.
Keine Stadt, auch keine Reichsstadt wie Esslingen, hat von
Anfang an ein Rathaus besessen. Die anfänglich wenig
zahlreichen Verwaltungshandlungen und Gerichtsfälle hat der
Vogt in seinem Wohn- und Amtsgebäude erledigt. Der Vogt war
der Schutz- und Handlungsbeauftragte des Stadtherrn, hier also des
Kaisers. Auf dem Dorfe wurden die Amtsgeschäfte noch bis ins
19. Jahrhundert hinein in der guten Stube des Schultheißen
abgewickelt. Ein Rathaus gab es dort bis dahin nicht.
Wichtiger als ein Rathaus war den Bürgern ein Kaufhaus, wo
sie sich mit Lebensmitteln und Gebrauchsgütern versorgen
konnten. In einer offenen Erdgeschoßhalle oder unter den
Arkaden hatten Metzger und Bäcker ihre Stände -
wettergeschützt und im Sommer kühler als die der Gemüsehändler
auf dem Wochenmarkt unter freiem Himmel. Die Löcher, in denen
die Stecken für die Stände im Boden steckten, sind noch
zu sehen. Im Obergeschoß boten Tuchhändler und Krämer
ihre Waren feil. Schließlich blieb, mit wachsenden Aufgaben,
auch noch eine Ratsstube für die Stadtverwaltung in dem Gebäude
übrig.
Mit der Entwicklung der bürgerschaftlichen Autonomie, mit
dem gestiegenen Selbstbewußtsein der Städter und der
gewachsenen Bedeutung ihrer Kommune wuchs der Umfang der
Verwaltungsaufgaben und der Rechtspflege. Der von einem Teil der Bürger
gewählte Bürgermeister übernahm Funktionen, die bis
dahin der Vogt innegehabt hatte. Die Stadt blühte
wirtschaftlich und politisch im 14. und 15. Jahrhundert auf und
verlangte nun auch nach Selbstdarstellung durch ein möglichst
prächtiges Rathaus. Der Handel blieb noch lange mit Rat und
Gericht unter einem Dach vereint. dka |