Stuttgarter Zeitung Kreis Böblingen 17.6.1998

 

Nur etwa ein halbes Dutzend Gebersheimer erwerben Bürgerfonds-Anteile

Rettungsaktion für das Alte Rathaus ist geplatzt

Jetzt soll das heruntergekommene denkmalgeschützte Gebäude komplett an Privatleute verkauft werden - Verkehrswert wird auf rund 200.000 Mark taxiert

LEONBERG. ¸¸Wir haben's versucht'', resümiert Gebersheims Ortsvorsteher Wolfgang Kühnel, ¸¸aber es hat unterm Strich nicht gereicht.'' Einstimmig hat der Ortschaftsrat des Leonberger Stadtteils einen Schlußstrich unter die etwas ausgefallene Rettungsaktion für das heruntergekommene Alte Rathaus gezogen und damit das Ende des hoffnungsvoll angepeilten steuersparenden ¸¸Bürgerfonds Altes Rathaus'' eingeläutet. Die Idee war bestechend: Gut verdienende Gebersheimer sollten Gesellschaftsanteile fürs Sanierungsobjekt Altes Rathaus erwerben. Gedacht war an 5000-Mark-Tranchen. Solche Investitionen in schützenswerte historische Bausubstanz honoriert der Fiskus mit reduzierten Steuern. Umgekehrt entlasten sie das Stadtsäckel. Doch die Gebersheimer trauten dem von Mitgliedern der drei Ortschaftsratsfraktionen unter Regie eines Steuerberaters aus der Taufe gehobenen ¸¸Bürgerfonds Altes Rathaus'' nicht. Von den zunächst angekündigten 18 Mitstreitern, zu denen sich noch einige hinzugesellen sollten, trugen bis zur Ortschaftsratssitzung lediglich ein knappes Dutzend ihr Scherflein bei. Die anderen hatten es bei Ankündigungen belassen.

Auf dieser schmalen Basis wollten die zehn Gebersheimer Ortschaftsräte die steuerreduzierende Rettung des Rathauses freilich nicht in die Wege leiten. Die Entscheidung fiel ¸¸nahezu einstimmig'', wie Kühnel berichtet. ¸¸Wenn nur ein oder zwei gefehlt hätten'', so der Ortsvorsteher, ¸¸dann hätte der eine oder andere Ortschaftsrat noch mitgemacht.'' Jetzt bleibt dem Ortsvorsteher nichts anderes übrig, als den jüngsten Beschluß des Gebersheimer Ortschaftsrats ans Leonberger Rathaus weiterzumelden.Dort ist die schlechte Nachricht aus Gebersheim bereits durchgesickert. Rathaussprecherin Undine Binder-Farr geht davon aus, daß das Gebersheimer Alte Rathaus demnächst zum Verkauf an Privatleute ausgeschrieben wird. So wie es vor Beginn der Bürgerfonds-Aktivitäten geplant war. Der Rathausverwaltung liegt offenbar ein aus dem Jahre 1992 stammendes Gutachten vor. Der Wert der denkmalgeschützten Gebersheimer Immobilie wird dort samt Grund und Boden mit zirka 300.000 Mark angegeben. Diese Expertise müsse jetzt, sechs Jahre später, natürlich überarbeitet werden, räumt die Rathaussprecherin ein.

Damit steht die Stadt Leonberg als Eigentümerin des seit Jahren leerstehenden Gebäudes in der Gebersheimer Ortsmitte wieder an jenem Punkt, an dem sie der Ortschaftsrat abgeblockt hatte. Schon mehrfach war das Alte Rathaus von der finanziell arg gebeutelten Stadt zum Verkauf angeboten worden - ohne Erfolg. Niemand war bereit, die als Verkehrswert taxierten rund 200.000 Mark für den ¸¸Stein des Anstoßes'' (Kühnel) zu bezahlen. Auch andere Versuche, das nicht mehr genutzte, aus dem 16. beziehungsweise 17. Jahrhundert stammende Gebäude mit Leben zu füllen, scheiterten. So fehlte für eine Dependance der Stadtbücherei im Alten Rathaus das nötige Geld und für eine Obdachlosenunterkunft der Bedarf.

Nach den Vorstellungen des Bürgerfonds sollten die beiden oberen Etagen jeweils zu Vierzimmerwohnungen ausgebaut und verkauft oder vermietet werden. Das Erdgeschoß sollte von der Volkshochschule oder von der Familienbildungsstätte genutzt werden. Die Stadt hätte dem Bürgerfonds das Alte Rathaus per Erbpachtvertrag auf 99 Jahre überlassen. Der Fonds hätte 500.000 Mark in den Umbau des Baudenkmals investiert. Dafür wären 350000 Mark von der Bank geliehen worden. Die restlichen 150.000 Mark sollten an ihrem Rathaus hängende Gebersheimer aufbringen. Ihre Denkmal-¸¸Verluste'' hätten sie über zehn Jahre hinweg steuermindernd geltend machen können.zel