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Bettelordenspracht
Die Franziskanerkirche und ihre Glasmalereien

Die Franziskaner kommen 1237 nach Esslingen. Die sogenannten Barfüßer (weil sie nackt in Sandalen gehen) machen sich schnell beliebt in der Stadt: Arme und Reiche besuchen gern ihre Kirche, und viele Esslinger werden Franziskanermönche. Das Kloster ist auch ein Bildungszentrum: hier beginnt ein Mönch 1290 mit der Niederschrift der Flores temporum genannten Weltchronik. Die Klosterkirche ist um diese Zeit vollendet: gemäß der Ordensregel schlicht und nur mit einem Dachreiter aus Holz, imponiert sie durch schöne Proportionen und große Höhe.
Nach der Reformation wird die Anlage unter anderem als Notquartier der Universität Tübingen, als Waffenlager und Lehrerseminar genutzt. Doch als 1840 eine Renovierung ansteht, veranlaßt ein übereifriger Bauinspektor den Abbruch bis auf Chor und Lettner. Der Torso wird erst 1912 renoviert. Rudolf Lempp baut 1930 ein evangelisches Gemeindehaus an.
Ein dreibahniges typologisches Fenster in der Chorachse zeigt Christi Leben, umgeben von alttestamentarischen Szenen. Mit 45 Scheiben war es das umfangreichste Bibelfenster im deutschen Sprachraum!

Anbetung der Könige, jetzt im Stadtmuseum Esslingen, Esslingen 1320
Drei Weise aus dem Morgenland huldigen dem Jesuskind mit Geschenken. Es sind gleichaltrige Männer, obwohl um 1320 die Darstellung der Könige in drei verschiedenen Lebensaltern und mit einem Schwarzen bereits üblich wird. Die Haare Marias sind mit Silbergelb bemalt. Für das Inkarnat wurden durchsichtige und rosalila Scherben verwendet. Da der blaue Hintergrund gemustert ist, sind die Flickstücke, die sich auch farblich absetzen, besonders deutlich zu erkennen. Trotz der Ausbesserungen fasziniert die Szene durch ihre leuchtenden Farben.
Anbetung der Könige Geißelung Christi
Geißelung Christi, Esslingen 1320
Da der Kopf Christi etwas durch die Foltersäule verdeckt ist, während beim Pendant der „Geißelung eines Makkabäers" der ganze Kopf des Opfers sichtbar ist, nimmt man an, daß die Bildvorlagen vertauscht sind. Die spätere Kopie des Bibelfensters in der Frauenkirche korrigiert diesen "Fehler" jedoch nicht (siehe nächste Seite).
Die anderen vier zweibahnigen Fenster sind ornamental gestaltet, wie die Ordensregel es verlangt. Ihre starke Farbigkeit ist im Vergleich mit den Ornamentfenstern andere Bettelordenskirchen sehr auffällig. Als die Kirche nicht mehr als Gotteshaus dient, benutzt man ihre Scheiben als "Steinbruch" zur Instandhaltung der Glasmalereien der Stadtkirche. Deshalb sind nur wenige erhalten, zwei des Achsenfensters befinden sich heute im Stadtmuseum. Die Ornamentscheiben versetzt man 1899 nach St. Dionys. Der künstlerische Einfluß der Bettelorden ist groß. So ist es nicht erstaunlich, daß das Bildprogramm der Franziskanerkirche bei einem Fenster der Frauenkirche wiederholt wird. Die Werkstatt, die die Glasmalereien der Hinteren Kirche herstellt, ist 1330 technisch auf dem neuesten Stand. Die Scheiben sind mit Silbergelb bemalt, einer Farbe die erst um 1300 in Paris erfunden wird. Auch aufgrund ihrer eindringlichen Darstellung zeichnen sich die figürlichen Scheiben der Franziskanerkirche aus.
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