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Archäologische Ausgrabung in Baden-Württemberg
Bandkeramische Siedlung in Vaihingen/Enz
Die Grabungen bis 1996
Vaihingen liegt am westlichen Rand des
mittleren Neckarlandes (etwa zwischen Stuttgart und
Karlsruhe) am Übergang zum Kraichgau. Die 1994 begonnenen
Ausgrabungen unter Leitung von Dr. Rüdiger Krause werden es in
einem zukünftigen Industriegebiet in den nächsten Jahren ermöglichen,
einen vollständigen bandkeramischen Siedlungsplatz
mit einem oder mehreren Bestattungsplätzen auf 8-10 Hektar Fläche
freizulegen. Der Siedlungsplatz befindet sich zwischen dem tief
eingeschnittenen Tal der Enz und dem Stromberg auf dessen flach
gewellten Vorland auf einem flachen Rücken, der von zwei kleinen
Taleinschnitten begleitet wird. Die Siedlungsreste heben sich durch
ihre sehr guten Erhaltungsbedingungen und einer für
das Neckarland mit seinen Lößböden vergleichsweise
geringen Erosion ab.
Teil
der Grabungsfläche - Luftaufnahme (31 kB JPEG)
Auf dem schweren und tonigen Löß
haben sich nicht nur zahlreiche gut erhaltene Hausgrundrisse von
typischen Langhäusern erhalten, sondern vor
allem ein Dorfgraben (1,5- 2 m breit mit ebener,
1-1,5 m breiter Sohle) mit zwei bis vier Palisadengräbchen
ehemaliger Zäune. Auf der bis jetzt 2 Hektar großen Fläche
konnte der Verlauf des Grabens 1994 und 1995 auf 216 m Länge bis
jetzt als halbes Oval dokumentiert werden. Der Graben wird von
mindestens drei Durchlässen , z.T. mit
Pfostenverriegelungen innen und außen, unterbrochen. Bei der
Grabenanlage handelt es sich gewiß nicht um ein Grabenwerk im
Sinne einer Befestigung, sondern viel eher um eine Dorfeinfriedung in
der Art eines »Dorfetters« im mittelalterlichen Sinne.
Plan der Grabungsbefunde 1995 (JPG 44kB)
Die Siedlungsfläche im
Innern scheint planmäßig aufgeteilt und
systematisch gegeliedert, so daß man den Eindruck von
langen Parzellenstreifen erhält. Dies ist besonders an den langen
Fluchten der NNW-SSO orientierten hausbegleitenden Gruben zu erkennen,
zwischen denen die Großbauten errichtet wurden. Bis jetzt
konnten mindestens 20 Groß- und Kleinbauten
mit bis zu 32 m Länge aufgrund der Bodenverfärbungen von
Wandgräbchen und Pfostenstellungen im Grundriß
rekonstruiert werden. Der Abstand von der Mitte einer hausbegleitenden
Grube zur nächsten beträgt immer 9-10 m Entfernung, während
der lichte Zwischenraum gleichförmig 7 m mißt. Auf diesen
schmalen Flächen wurden die 4,8 bis 5,2 m breiten Bauten
errichtet. Dabei entsteht der Eindruck, daß die Siedlungsfläche
von Beginn an einer geplanten, klaren und deutlichen
Aufteilung unterlag. Die Hausbebauung hält sich dabei an
die Begrenzung des Dorfgrabens und reichte nicht darüber hinaus.
Zur großen Überraschung konnten
im Dorfgraben und in Siedlungsgruben entlang des Grabens bis jetzt
90 bandkeramische Hockerbestattungen freigelegt
werden. Etwa 50 Hockerbestattungen
(29 kB JPEG) wurden dabei aus allen Schichten der Verfüllung
des Dorfgrabens geborgen. Weitere 30 Skelette sind in hausbegleitenden
Gruben oder anderen Gruben meist in umittelbarer Nähe des Grabens
entdeckt worden. Die Toten wurden im Graben und in Siedlungsgruben in
der Regel in Hockerlage mit meist stark angehockten Beinen und
angewinkelten Armen beigesetzt. Nur wenige Beispiele vermitteln den
Eindruck, daß die Toten in die Gruben geworfen wurden. Beigaben
oder Trachtbestandteile sind die Ausnahme; es sind wenige Keramikgefäße
sowie etwas häufiger einzelne Scherben.
24 kB JPEG
Diese älteste Siedlungsphase
mit der Dorfeinfriedung ist in die Stufe Flomborn
(etwa 5600-5200 v.Chr.) zu datieren; jüngere Funde verdeutlichen
jedoch, daß in dem bis 1994/95 ergrabenen Areal bereits die
Schwelle zur mittleren Bandkeramik erreicht wurde und Anklänge an
die jüngere Bandkeramik erkennbar sind. Im Rahmen einer
Arbeitshypothese gehen wir davon aus, daß an dieser Stelle eine älteste
Siedlungsphase der Stufe Flomborn mit der Dorfeinfriedung vorliegt.
Der Dorfgraben verlor zu einem noch nicht näher bestimmbaren
Zeitpunkt seine Funktion und wurde zusammen mit benachbarten, noch
offenen Siedlungsgruben als Friedhof benutzt. Das Siedlungsgeschehen
verlagerte sich vielleicht im Zuge eines Anwachsens der Bevölkerung
langsam weiter nach Südosten. Keinesfalls scheint es bislang
jedoch so zu sein, daß einzelne Gehöfte und Hofeinheiten in
einem größeren Gebiet zirkulierten, viel eher entsteht
der Eindruck, daß sich ein festes Siedlungsgefüge weiter
entwickelt hat und sich somit ein weiteres Siedlungsmodell für
die Bandkeramik abzeichnet.
Text:
R.
Krause, bearb. von W.M. Werner
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24. August 1998 Für
Anregungen oder Fragen bitte eine eMail schicken an:
Wolfgang M. Werner
wmwerner@web.de
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