Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 06.02.2001
Südwestdeutsche Zeitung



Der Denkmalpflege fehlt die Lobby

Fachbehörde soll in Zukunft von Streitfällen ferngehalten werden - Landtag ändert Gesetz

Weil es CDU und FDP in ihrem Koalitionspapier vor viereinhalb Jahren so festgeschrieben haben, soll noch kurz vor der Landtagswahl das Denkmalschutzgesetz geändert werden. Die Verwaltung soll schlanker werden. Das ist eine tiefe Zäsur in der bisherigen Politik.

Von Martin Geier

Die Denkmale im Land gehen schlechten Zeiten entgegen. 30 Jahre Denkmalpolitik in Baden-Württemberg - hauptsächlich getragen von der Regierungspartei CDU - werden Makulatur. Wenn der Landtag Ende Februar in zweiter und dritter Lesung das so genannte Dissensverfahren abschafft, dann hat Baden-Württemberg endgültig seine Vorreiterrolle in Sachen Denkmalschutz in Deutschland eingebüßt. Der Südwesten galt bisher als Bastion gegen alle Bestrebungen, die staatliche Oberaufsicht über die Kulturgüter zu unterlaufen. Mit der Gesetzesänderung drohen die Denkmale genau das zu werden, was das Parlament vor 30 Jahren zu verhindern wusste: ein Spielball der Kommunalpolitik.

Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes von 1972 basierte auf dem Gutachten einer Wirtschaftsprüfergesellschaft zur Verwaltungsreform in den Ministerien. Angelpunkt waren die Dissensverfahren, also strittige Verfahren, die quasi schiedsrichterlich und durch Spruch des Regierungspräsidiums als höherer Denkmalschutzbehörde entschieden werden. Damals wies das Landesdenkmalamt nach, dass es überhaupt nur 0,76 Prozent dieser Fälle gibt; auf das Untersuchungsjahr bezogen lediglich fünf im gesamten Regierungsbezirk Tübingen, allerdings 20 in Südbaden (Freiburg). Diese Streitfälle, so die Gegner des Denkmalschutzes, dauerten zu lange, würden zu viel Personal binden und seien das glatte Gegenteil von Bürgernähe. Deshalb fordern sie die Abschaffung des Dissensverfahrens.

Die Regierung rechtfertigt die Gesetzesänderung damit, dass "die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg es erforderlich macht, alle Maßnahmen zur Straffung und Beschleunigung von Verfahren zu ergreifen. Künftig sollen generell die unteren Denkmalschutzbehörden in die Lage versetzt werden, in eigener Verantwortung die erforderlichen denkmalrechtlichen Entscheidungen zu treffen. Um den Machtverlust der Fachbehörde abzumildern, wurde dem Präsidenten des Landesdenkmalamts das Recht eingeräumt, "in Ausnahmefällen bei einer drohenden schwer wiegenden Beeinträchtigung des Kulturdenkmals'' zu intervenieren.

Ist die Denkmalnovelle nötig und was bedeutet sie in der Praxis? Aus fachlicher Sicht ist die Aufhebung des Dissensverfahrens unnötig. Denn der Schutz des kulturellen Erbes ist eine hoheitliche Aufgabe und Verfassungsauftrag. Er obliegt damit einer Behörde, die sich erstens durch Kompetenz und zweitens dadurch auszeichnet, dass sie nicht in die kommunalpolitischen Auseinandersetzungen eingebunden ist. Die Deregulierung aber gibt das Denkmal der Tagespolitik preis. Die rechtlichen Entscheidungen werden künftig in den knapp 200 städtischen Bauämtern entschieden. Ob diese fachlich in der Lage sind, die denkmalrelevante Seite abzudecken, darf man bezweifeln. Ist dennoch Kompetenz vor Ort, wird sie - wie man am Beispiel Schwäbisch Hall sieht - nicht in Anspruch genommen. In der Vergangenheit waren es immer schon die den Dissensgesprächen vorgelagerten Verhandlungen, die zu brauchbaren Ergebnissen führten. Die finden nicht mehr statt. Natürlich wird auch in Zukunft nicht Hand an die Zollernburg oder das Breisacher Münster gelegt. Höchst gefährdet sind allerdings die kleinen, die unscheinbaren Zeugnisse der Alltagsgeschichte, kulturelle Erbstücke von lokaler Bedeutung.

Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes hat ihre Ursache in einem Wechsel der Politikergenerationen. Die das Gesetz bis jetzt getragen haben, ziehen sich aus der Politik zurück. Ihre Nachfolger, die heute Vierzigjährigen, haben nicht die Erfahrung der Denkmalzerstörung durch Wiederaufbau in den 60er Jahren. Sie tendieren zu einer neoliberalen Weltsicht. Sie sprechen vor allem von schlanker Verwaltung und Effizienz. Dass das Denkmal eines Schutzwalls bedarf und politischer wie fachlicher Fürsprecher, diese Erkenntnis ist mittlerweile ziemlich in den Hintergrund getreten.

Wie hoch der Stellenwert der Denkmalpflege derzeit ist, lässt sich an dem gescheiterten Sonderprogramm des Wirtschaftsministeriums, aber auch anlässlich der ersten Lesung im Landtag ermessen. Bis auf die SPD hat keine Fraktion für die Beibehaltung einer recht erfolgreichen Denkmalpolitik eine Lanze gebrochen. Kann man aber das Desinteresse der Abgeordneten beklagen, wenn nicht einmal der Präsident des Landesdenkmalamtes gegen die Demontage Sturm läuft?

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