Überraschende Grabungsergebnisse bei Stetten auf
den Fildern
Seit 1995 führt das Landesdenkmalamt zusammen mit
Teilnehmern eines Volunteer-Projekts des Landkreises Esslingen
Rettungsgrabungen bei Stetten auf den Fildern durch, die von Jahr zu Jahr neue
überraschende Ergebnisse erbracht haben.
Der Fundplatz liegt am nordöstlichen
Ortsrand von Stetten im Gewann Zeiläcker entlang des Bauwegs, der nach
Osten in die Filderebene zur Kläranlage von Echterdingen führt. Der
nach Westen ansteigende Hang ist durch Rinnen kleiner Wasserläufe
gegliedert. Von hier waren bisher bandkeramische Scherben und
Reste eines römischen Gutshofes bekannt. Lesefunde
handgemachter Keramik wiesen auf frühalamannische
Siedlungstätigkeiten hin.
Da die fruchtbaren Böden hier am westlichen Rand der
Filderebene durch die landwirtschaftliche Nutzung stark erodiert sind, und der
Pflug stets Scherben und Steine an das Tageslicht befördert, sollten die
zusammen mit der Seniorenfachberatung der Stadt
Leinfelden-Echterdingen sowie dem Stadtseniorenrat
durchgeführten Ausgrabungen dazu dienen, besonders stark angepflügte
archäologische Kulturdenkmale zu dokumentieren.
Keltische Viereckschanze
Ursprünglich galten die Rettungsgrabungen einem stark
angepflügten Bereich von dem zahlreiche Lesefunde handgemachter Keramik
vorlagen und von dem vermutet wurde, dass es sich um ein
frühalamannisches Grubenhaus handeln könne. Beim
Aufdecken der ersten Grabungsflächen im Jahre 1995 kam zur
Überraschung aller statt dessen der Graben einer bis dahin
unbekannt keltischen Viereckschanze zu Tage! In den folgenden drei
Jahren wurde die südliche Flanke mit dem Graben und der Südwestecke
ausgegraben, ohne dass die dazu gehörende Südostecke erreicht werden
konnte. Die Südflanke der WSW-ONO-orientierten Viereckschanze weist bis
jetzt eine Länge von mindestens 120 m auf, womit sie zu den
überdurchschnittlich großen Anlagen in
Baden-Württemberg zählt.
Römer
Im Jahre1998 und
1999 sollten die Ausgrabungen nun schließlich dem vermuteten
frühalamannischen Grubenhaus gelten, das südöstlich der
Viereckschanze lag. Die Überraschung war erneut groß, als in der
Grabungsfläche anstatt des Grubenhauses der Grundriss eines kleinen,
römischen Eckrisalit-Gebäudes fast vollständig
aufgedeckt werden konnte. Die Gebäudereste gehören zu dem schon seit
langem bekannten römischen Landgut, von dem in den Jahren 1958 und 1960
beim Bau landwirtschaftlicher Anwesen Estrichböden und Mauern
angeschnitten und zerstört wurden. Zuletzt sind bei der ersten
Grabungskampagne von 1995 im Viereckschanzengraben schlecht erhaltene Reste von
Fundamentrollierungen angetroffen worden, die über den
verfüllten Graben verliefen. Wie befürchtet, waren die Mauerreste des
Eckrisalitbaus schlecht erhalten und nur noch Reste der Fundamentrollierungen
vorhanden. Es handelt sich um ein mit der Frontseite, den beiden
Eckrisaliten (6,30 x 5,90 m) und der
Porticus (Länge 15 m, Breite 3,6 m) nach
Osten mit weiten Blick in die Filderebene orientiertes Gebäude, dessen
Breite mindestens 25 m betrug. Daran schloss sich im Westen ein
rückwärtiger Baukörper an, der erkennbar an
letzten Rollierungsresten, nochmals durch eine Mauer unterteilt war, die eine
gut 3 m breiten (Raum)Korridor abtrennte.
In der gesamten Grabungsfläche wurden zahlreiche
Verfärbungen von Gräbchen, Pfostenstellungen und
Gruben angetroffen, die sich z.T. durch Überlagerungen
mit den römischen Fundamentgräben stratigraphisch
differenzieren lassen. Wie in den Grabungskampagnen zuvor, waren es
bandkeramische und früheisenzeitliche Gruben der späten
Hallstatt- und frühen Latènezeit. Im Bereich des
Eckrisalitbaus zählen zu den stratigraphisch älteren Befunden ein
u-förmiges, vorgeschichtliches Gräbchen, das eine Fläche von
4 m Breite und mindestens 6,2 m Länge einfasst, sowie ein
Grubenhaus mit zahlreichen Keramik-Funden der
Späthallstatt-/Frühlatènezeit. Die Nordwestecke des
Steingebäudes überlagerte ein einfaches bzw. ein doppeltes
Gräbchen, die aufgrund der Fundeinschlüsse wie Mörtelreste und
Keramik in römische Zeit datiert werden können. Der
Grabungsausschnitt ist allerdings für eine zuverlässige Einordnung
der Befunde zu klein, jedoch könnte es sich um Hinweise auf eine
ältere römische Holzbauphase handeln.
Dafür sprechen auch zahlreiche Pfostenstellungen im Bereich
des Steingebäudes, die sich stratigraphisch teilweise unterscheiden.
Einige werden durch die Fundamentrollierung überlagert und sind
älter, andere Pfostengruben sind dagegen in die Rollierung eingetieft und
damit jünger als der Steinbau.
Alamannen
Aus dem noch vorhandenen Abbruchschutt des römischen
Gebäudes sind bereits durch den Pflug als auch während der
Ausgrabungen zahlreiche handgemachte frühalamannische
Scherben geborgen worden, die auf Aktivitäten während der
Völkerwanderungszeit hinweisen. Dieses Phänomen kennen wir vielerorts
von römischen Ruinen, in denen sich die das Land ergreifenden germanischen
Gruppen zunächst niederließen, ohne dass sie offenbar in der Lage
gewesen wären, die Steinbauten zu unterhalten. Vielmehr haben sie
hölzerne Einbauten oder Holzbauten in den Ruinen
errichtet. Unter den Pfostenstellungen innerhalb des Stettener
Gebäudes läßt sich allerdings kein deutlich erkennbarer
Grundriss eines Pfostenbaus ausmachen. Die Pfostengruben, die weit in die
Fundamentrollierung der ehemaligen Mauern eingetieft wurden, deuten an, dass
die Mauern des römischen Steinbaus zumindest teilweise schon
eingestürzt oder weit abgetragen waren.
Schon 1996 konnte in einer westlich gelegenen
Grabungsfläche ein großer Grubenkomplex untersucht werden, aus dem
viel frühalamannische Keramik und ein verzierter,
dreieckiger Kamm geborgen wurde. 1999 wurde in einer anderen
Grube im Bereich des römischen Gebäudes eine nahezu
vollständige, verzierte Flasche mit Standring und kleinen
Knubben gefunden. Diese beiden herausragenden Fundstücke datieren in
das 4. Jh. n. Chr. Schließlich ist auch die
merowingische Landnahme durch ein Steinkammergrab aus
dem 7. Jh. n. Chr. belegt, das in der äußeren
Porticus-Mauer errichtet wurde. Die Steinkammer war aus römischen
Handquadern trocken aufgemauert; die Bestattung war nicht beraubt und enthielt
u.a. noch einen einreihigen Kamm.
Ergebnisse und Deutungen
Die Ausgrabungen zeigten ein überaus
geschichtsträchtiges Areal, dessen Grabungsergebnisse weit
über den lokalen Rahmen hinaus an Bedeutung gewinnen!
Neben der Entdeckung einer neuen keltischen
Viereckschanze ließen sich die Kenntnisse um die
Baulichkeiten des römischen Gutshofes erweitern.
Interessant ist auch die Beobachtung, dass das römische
Gebäude diesselbe Orientierung wie die Südflanke der keltischen
Viereckschanze aufweist. Die Fundamentrollierung, die weiter im Westen
über den damals schon verfüllten und planierten Graben zieht zeigt
ebenfalls, dass die Anlage des römischen Gutshofes auf den Wall der
Viereckschanze bezug nahm, die somit in das Raum- und Nutzungskonzept des
landwirtschaftlichen Anwesens einbezogen wurde.
Das kleine römische
Eckrisalit-Gebäude ist nicht eindeutig ansprechbar, wenngleich
man geneigt sein mag, in dem mit einer repräsentativen Fassade versehenen,
jedoch ohne einen beheizbaren Raum und Estrichböden ausgestatteten
Gebäude, das Haupthaus des ehemaligen Landguts zu vermuten. Allerdings
belegen die Holzbaubefunde wie auch die Hinweise auf aufwendigere
Gebäudereste mit Estrichböden jenseits des Bauwegs, dass wir von
einer bewegten Baugeschichte in römischer Zeit ausgehen
können. Wie bei dem römischen Landgut von Laufen am Neckar
könnte der kleine Eckrisalitbau ein älteres Wohnhaus
darstellen, das durch ein größer und aufwendiger gestaltetes
Hauptgebäude abgelöst worden sein mag. Die
frühalamannischen Funde und Befunde reihen den Platz den Anlagen zu, die
von den eindringenden Germanen-Gruppen bzw. frühen Alamannen aufgesucht
und zunächst auch bewohnt wurden.
Für ihren unermüdlichen Einsatz danken
wir Herrn Holzinger, dem Leiter der Seniorengruppe, den bis zu 20
ehrenamtlichen Mitarbeitern sowie Herrn Löwy von der Stadt
Leinfelden-Echterdingen. Nach zwei Jahren Grabungstätigkeit wurden schon
1997 die ersten Ergebnisse in einer Sonderausstellung präsentiert, die von
der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen unterstützt und in der Filiale
der Kreissparkasse in Echterdingen sowie im Landratsamt in Esslingen gezeigt
wurde.
Text:
Rüdiger Krause - HTML:
W.M.Werner